Großprojekte, zwischenstaatliche Auseinandersetzungen, strukturelle Probleme: Geht es um Herausforderungen hat der Landkreis Waldshut deutlich mehr zu biete, als man auf den ersten Blick denken würde.

Martin Kistler kann davon ein Lied singen. Denn Dinge wie der Umbruch in der Krankenhaus-Landschaft, das nicht immer einfache Miteinander mit den Nachbarn in der Schweiz oder auch unvorhergesehene Großereignisse wie die Corona-Pandemie waren in den vergangenen acht Jahren wesentliche Bestandteile seines Arbeitsalltags als Landrat.

Nun neigt sich die erste Amtszeit dem Ende entgegen – die zweite hat Kistler als Alleinkandidat fest im Blick. Auf Nachfrage unserer Zeitung blickt er zurück auf acht ereignisreiche Jahre – und auf die Vorhaben der Zukunft.

Weichenstellung im Gesundheitswesen

Die bedenkliche Entwicklung im Krankenhauswesen rahmt Kistlers Amtszeit gewissermaßen ein. In den Anfangsjahren ging es um die Rettung und Neuausrichtung der Spitäler Hochrhein GmbH, die inzwischen unter Klinikum Hochrhein firmiert. Verbunden war dies insbesondere mit der Schließung des Krankenhauses Bad Säckingen und der Weichenstellung hin zum Bau eines Zentralklinikum.

In Bedrängnis: Bei einer Bürgerversammlung stellte sich Martin Kistler im Oktober 2016 den Sorgen und vor allem dem Unmut der Bürger im ...
In Bedrängnis: Bei einer Bürgerversammlung stellte sich Martin Kistler im Oktober 2016 den Sorgen und vor allem dem Unmut der Bürger im Hinblick auf die drohende Schließung des Bad Säckinger Krankenhauses. | Bild: Baier, Markus

Waren dies Entwicklungen, die Kistler im Westen des Landkreises viele Sympathie-Punkte kosteten, so bahnt sich im Osten mit dem Krankenhaus in Stühlingen ein ähnliches Szenarion an, wenngleich die Vorzeichen etwas anders sind, da der Kreis nicht an der Trägerschaft beteiligt ist.

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In der Rückschau konstatiert Kistler, dass er wie auch die beteiligten Gremien vor fünf Jahren gar nicht mehr viel hätten ausrichten können, weil die Lage der Spitäler Hochrhein bereits hoffnungslos verfahren gewesen sei: „Die Situation im ersten Halbjahr 2017 war dramatisch, am Ende haben wir aber in kurzer Zeit die richtigen Entscheidungen getroffen“, zeigt er sich überzeugt.

Neben der Konzentration auf einen Standort zählt er dazu auch den Beschluss des Neubaus des Zentralklinikums in Verbindung mit der Standortentscheidung für Albbruck und die Übernahme aller Anteile der Klinikgesellschaft durch den Landkreis.

Politik, das sei eben auch häufig damit verbunden, die Realität zu begreifen und auch unangenehme Fakten nicht zu verschweigen, betont der Landrat: „Diese Richtungsentscheidungen waren alle notwendig und richtig, dazu stehe ich. Es war wichtig für den Landkreis, den dramatischen Entscheidungsstau aufzulösen.“

Dezentrale Zentren zur Sicherung der medizinischen Versorgung

Immerhin sei es gelungen, gemeinsam mit der Stadt Bad Säckingen den Gesundheitscampus und damit eine Alternative für den aufgegebenen Standort auf den Weg zu bringen. Das der Kreis an dieses Modell glaube, zeige nicht zuletzt das Ausmaß der finanziellen Unterstützung in Höhe von 12,7 Millionen Euro, so Kistler.

Startschuss: Als im ehemaligen Bad Säckinger Krankenhaus die Umbauarbeiten zum Gesundheitscampus starteten, griff auch Landrat Kistler ...
Startschuss: Als im ehemaligen Bad Säckinger Krankenhaus die Umbauarbeiten zum Gesundheitscampus starteten, griff auch Landrat Kistler (rechts) symbolisch zum Hammer. | Bild: Kanele, Susanne

Denn genau solche Initiativen zur Entwicklung neuer Versorgungsstrukturen brauche es, um die medizinische Versorgung zukunftssicher zu gestalten. Denn nicht nur machten die allgemeinen Rahmenbedingungen den Erhalt kleiner Krankenhäuser praktisch unmöglich. Hinzu komme auch der Fachkräftemangel, der den Hochrhein noch stärker betreffe als andere Regionen.

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Noch ist der Campus in Bad Säckingen freilich in der Entstehung. Ob und inwieweit sich das Konzept auf Stühlingen umlegen lasse, sollte auch dieses Krankenhaus geschlossen werden, müsse man abwarten, denn allein mit Blick auf die Größe könne man die Situation der beiden Häuser nicht vergleichen, so Kistler.

„Aber die Richtung ist natürlich vergleichbar.“ In Planung sei ein Primärversorgungszentrum. Hier habe das Klinikum Hochrhein die Stadt Stühlingen beim Antrag für die Konzepterstellung an das Landessozialministerium unterstützt und werde auch die Konzepterstellung begleiten.

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Herausforderung Fachkräftemangel

Generell sieht Martin Kistler in solchen dezentralen Einheiten einen wichtigen Hebel zur Sicherung der medizinischen Versorgung. Denn abgesehen von den schwieriger werdenden Rahmenbedingungen trifft das Thema Fachkräftemangel die Region aufgrund der Nähe zur Schweiz erheblicher als andere – und eben im Gesundheitswesen ganz besonders. Ganz abgesehen davon stehen auch viele Arztpraxen aus Altersgründen vor dem Aus – Nachfolger zu finden gestaltet sich für viele Ärzte, gerade in den Landgemeinden als schwierig.

Zwar liege all das formell in der Zuständigkeit der Kassenärztlichen Vereinigung. Gleichwohl bemühe sich auch der Landkreis darum, Verbesserungen zu schaffen, wo immer dies möglich sei, so Kistler. Neben der Entwicklung zukunftsfähiger Versorgungskonzepte betreffe dies insbesondere die organisatorische Ebene. So habe er schon kurz nach seinem Amtsantritt die kommunale Gesundheitskonferenz ins Leben gerufen. Der Landkreis unterstütze auch über Plattformen wie „Patient Hochrhein“ die Bemühungen der Ärzte, Nachfolger zu finden.

„Das Klinikum Hochrhein bildet junge Ärzte aus und gerade in der Gynäkologie ist es gelungen des MVZ in Tiengen personell zu stabilisieren“, schildert Kistler. Und auf diesem Weg soll im Zusammenspiel mit allen Akteuren auf dem Gesundheitssektor weitergearbeitet werden. Denn: „Zur Lebensqualität gehört eine wohnortnahe und gute Gesundheitsversorgung.“

Gesundheitspark Hochrhein: Herzstück der Gesundheitsversorgung im Kreis

Herzstück dieser gesicherten Gesundheitsversorgung ist aber der Gesundheitspark Hochrhein in Albbruck, wo das Zentralkrankenhaus und eine Reihe weiterer Einrichtungen der Gesundheitsversorgung angesiedelt werden. In bestenfalls sechs Jahren soll das Ganze in Betrieb gehen. Die Vorbereitungen sind bereits seit einigen Jahren im Gange.

Mittendrin: Mit der Errichtung des Bauschildes wurde Ende März ein Sichtbares Zeichen am künftigen Standort des Gesundheitsparks ...
Mittendrin: Mit der Errichtung des Bauschildes wurde Ende März ein Sichtbares Zeichen am künftigen Standort des Gesundheitsparks Hochrhein in Albbruck errichtet. Martin Kistler (Mitte) und Vertreter von Kreistag, Kreisverwaltung und Klinikum Hochrhein waren mit von der Partie. | Bild: Baier, Markus

Es sei das wichtigste und auch finanziell größte Projekt in der Geschichte des Landkreises Waldshut, das sich auch nur mit Fördermitteln des Landes und Investoren für die Teilprojekte bewältigen lasse.

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Es sei vor allem aber eine Chance für den Kreis und die Region: „Der Gesundheitspark bündelt verschiedene medizinische und therapeutische Angebote. So kann es gelingen, ein attraktives und qualitativ hochwertiges Angebot im Landkreis zu behalten.“ Und das könne mithin ein entscheidender Standortfaktor sein, so Kistler.

Autobahn: „Auf Einigkeit in der Region kommt es an“

Standortfaktor ist aber natürlich auch eine zeitgemäße, leistungsfähige Infrastruktur. Diesbezüglich müsse der Kreis an einigen Stellen ganz schön nachlegen, räumt Martin Kistler ein. Aber es gebe auch Aspekte, die Mut machen.

An der Autobahn werde intensiv an den nächsten Abschnitten geplant. Beim Lückenschluss zwischen Schwörstadt und Murg liegt eine Vorzugsvariante vor, die in der Region auf große Zustimmung stoße. Er sei zuversichtlich, dass bestehende Konfliktpunkte um Planungsverfahren ausgeräumt werden können. Mit der Deges habe die Region einen Partner, der einen ambitionierten Zeitplan verfolge: „Wenn es gelingt, gegenüber dem Bauherren Bund weiter als Region geschlossen und einig aufzutreten, dann stehen die Realisierungschancen so gut wie eigentlich noch nie: Investitionsmittel sind grundsätzlich verfügbar, es fehlt eher an ausgeplanten Projekten“, so Kistler weiter.

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Auch in Hinsicht auf die Weiterplanung zwischen Hauenstein und Tiengen sieht Kistler gute Perspektiven: Noch dieses Jahr soll die Vorzugsvariante präsentiert werden. Mit der „Waldshuter Plattform“ sei ein wichtiger Ort des Austauschs geschaffen worden, um den Planern die Ziele der Region an die Hand geben zu können. „Meine Hoffnung ist, dass die Deges diese Ziele abarbeitet und die Vorzugsvariante eine breite Akzeptanz erhält“, konstatiert der Landrat.

Nicht locker lassen wolle er derweil bei der Verkehrsproblematik in Grimmelshofen: „Hier braucht es noch eine Lösung für die Bundesstraße.“ Der Landkreis wie auch die Stadt Stühlingen und der Regionalverband Hochrhein-Bodensee werden weiter gemeinsam auf eine Lösung drängen, kündigt Kistler an.

Elektrifizierung und Breitband auf gutem Weg

Bei der Elektrifizierung der Hochrheinbahn wurden die bestehenden Hindernisse gerade zwischen Land und der Schweiz beseitigt, das Genehmigungsverfahren läuft. „Dass solche Lösungen in der Grenzregion manchmal noch etwas komplizierter sind als anderswo, liegt in der Natur der Sache. Aber die Lage an der Grenze birgt auch vielfältige Standortvorteile, das sollte man dabei nicht vergessen“, schildert der Landrat.

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Beim Breitband sei der sogenannte „Backbone“ vor der Vollendung, die Ortsnetze kämen sukzessive dazu. Immerhin habe der Landkreis Fördermittel von Bund und Land in dreistelliger Millionenhöhe erzielen können.

Flugverkehrsbelastung: Viele Rückschritte und noch viel zu tun

Gewaltig sind derweil nach wie vor die Differenzen zwischen Deutschland und der Schweiz beim Thema Flugverkehrsbelastung durch den Flughafen Zürich. Jahrzehntelange Auseinandersetzungen, zwei gescheiterte Staatsverträge, konfrontatives Verhalten auf beiden Seiten – ein Ende ist nicht absehbar.

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Dabei sieht Kistler die Verantwortung für die verfahrene Situation vor allem auf deutscher und Schweizer Bundesebene. Froh sei er über die Ergebnisse des jüngsten Treffens der drei Landräte von Waldshut, Schwarzwald-Baar-Kreis und Konstanz mit dem parlamentarischen Staatssekretär im Verkehrsministerium, Oliver Luksic (FDP).

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Es gebe die Zusage, dass nicht ohne Mitsprache der Region entschieden werde. Auch gingen die Bestrebungen hin zu einem „fairen Staatsvertrag“ zwischen Deutschland und der Schweiz, der die Belastungen unserer Region begrenzen soll. Er erwarte hier ein deutliches Auftreten der Bundesregierung gegenüber der Schweiz, betont Kistler.

Überraschungen machen erfinderisch: Die Corona-Pandemie

Eine ebenso unvorhergesehene wie akute Herausforderung von nicht absehbaren Ausmaßen stellte unterdessen die Corona-Pandemie dar. Insgesamt betrachtet habe der Landkreis Waldsut diese aber vergleichsweise gut bewältigt, schätzt Kistler die Lage ein.

Die notwendigen Maßnahmen seien in großer Einmütigkeit und sehr beherzt angegangen worden. Gemeinsam mit den Hilfsorganisationen, dem Klinikum Hochrhein und der Ärzteschaft konnten die erforderlichen Aufgaben gut umgesetzt werden.

Erfolgsmodell Mini-Kreisimpfzentrum: Olaf Boettcher, Pandemiebeauftragter des Landkreises Waldshut, Bonndorfs Bürgermeister Marlon Jost ...
Erfolgsmodell Mini-Kreisimpfzentrum: Olaf Boettcher, Pandemiebeauftragter des Landkreises Waldshut, Bonndorfs Bürgermeister Marlon Jost und Landrat Martin Kistler inspizierten vor der Öffnung des Mini-KIZ Bonndorf die in einem Kühlschrank gelagerten Impfdosen. Die erste Einrichtung dieser Art entstand in Bad Säckingen. | Bild: Stefan Limberger-Andris

Es seien ein gut organisiertes Kreisimpfzentrum auf die Beine gestellt, der Impfbus durch die Region geschickt und vier Mini-KIZ in Bad Säckingen, Lauchringen, Häusern und Bonndorf gemanagt worden. Mehr noch: „Mit einem gewissen Stolz sage ich: der Landkreis hat das dezentrale Impfen „erfunden“.“

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Was sind die Pläne für die zweite Amtszeit?

Nachdem ein Gegenkandidat vom baden-württembergischen Innenministerium und dem Wahlausschuss wegen mangelnder Qualifikation nicht zur Wahl zugelassen wurde, geht Landrat Kistler konkurrenzlos ins Wahl-Rennen am 2. Juni.

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Doch an Motivation mangle es ihm nicht, versichert er: „Die eigene Heimat an maßgeblicher Stelle mitgestalten zu können, ist eine wunderbare Aufgabe, die mich er- und ausfüllt.“ Dass er in den Gremien und der Verwaltung, wie auch bei den Akteuren in den Gemeinden auf eine breite Unterstützung bauen kann, sei ein wichtiger Faktor.

Nach der Wahl müsse es natürlich darum gehen, die begonnenen Projekte zu vollenden, so Kistler: Der Breitbandausbau, die Elektrifizierung der Hochrheinstrecke bis 2027, der Neubau des Klinikums bis 2028/29 – „wenn wir das alles planmäßig schaffen, haben wir schon viel erreicht“. Die Autobahn bleibe mit Sicherheit ein Dauerbrenner, und Themen wie Klimaneutralität und die Digitalisierung der Verwaltung stehen ebenfalls auf der Agenda.

Außerdem: „Meine Erfahrung aus den letzten Jahren lehrt mich im Übrigen, dass noch viele Themen auf uns zukommen können, von denen wir heute noch nichts wissen.“

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