Familie Dück aus Stühlingen engagiert sich seit dem Kriegsbeginn im Februar stark in der Ukraine-Hilfe. Sie blickt zurück auf ein ereignisreiches Jahr.
„Bis zur letzten Sekunde haben wir nie geglaubt, dass es Krieg gibt. Es war für das ganze Land ein Schock. Als die ersten Raketen in Kiew gefallen sind, habe ich einen Anruf bekommen, dass es losgeht“, erinnert sich Familienvater Peter Dück an den Tag im Februar.
So fing alles an
Die Stühlinger sind mit einer ukrainischen Familie befreundet, die Peter Dück aus seiner Zeiten als Operationstechnischer Assistent im Klinikum Hochrhein Waldshut kannte und die zwischenzeitlich wieder in der Ukraine zurückgekehrt sind. Spontan sagte er zu, die Familie mit ihrem Neugeborenen nach Deutschland zu holen.
Mit dem Auto von Moldawien nach Stühlingen
So fuhr Peter Drück zusammen mit einem Freund los, um die Familie an der ukrainischen Grenze kurz vor Moldawien abzuholen, beide Autos waren vollbesetzt mit Menschen. Aus den ursprünglich drei Familien wurden im Laufe der Wochen 130 Menschen, denen er geholfen habe. „Aber das Nachbeben, das psychische Trauma kommt erst noch“, weiß Peter Dück.
„Das ukrainische Volk ist gewohnt, zu schuften. Im eigenen Haus, im eigenen Garten. Viele haben alles verloren, alles ist zerstört, es gibt kein Zurück mehr.“Peter Dück über sein Engagement in der Flüchtlingshilfe
Er erzählt von Familien, die nach tagelangem Verstecken im Keller drei Tage lang in überfüllten Autos nonstop durch die umkämpften Gebiete gefahren seien, um ihre Kinder in Sicherheit zu bringen.
Das Ehepaar Dück hatte als Dolmetscher, beide sprechen Russisch, alle Hände voll zu tun. Das Telefon war ständig frequentiert. „Wir haben versucht, die privaten Unterkünfte zu entlasten“, erklärt Peter Dück. Viele Familien hätten Räume angeboten, doch er hatte bereits früh damit gerechnet, dass es sich nicht nur um eine kurzfristige Unterbringung handelt. Wie er erzählt, wollte er vermeiden, dass durch den Aufprall verschiedener Kulturen auf engstem Raum Probleme entstehen.
Unterstützung aus der Bevölkerung ist groß
Bereitwillig hatte das evangelische Pfarrerehepaar David und Damaris Brunner Hilfe zugesagt, es gab Geld- und Sachspenden und auch das Gemeindehaus Stühlingen wurde für die Erstunterkunft bereit gestellt. Parallel hatte Daniela Blattert in Untermettingen einen Helferkreis organisiert. Die Flüchtlinge wurden je nach Familiengröße entweder im Stühlinger Gemeindehaus oder im Untermettinger Jakobusheim untergebracht.
Gleich unter den ersten Flüchtlingen war ein Kind mit Epilepsie – ihm und anderen mit medizinischem Bedarf konnte schnell und unbürokratisch geholfen werden, denn der Stühlinger Arzt Peter Haarmann und Zahnärztin Irina Reich-Putnik (Grafenhausen) engagierten sich sehr: „Das war eine große Erleichterung“, erklärt Peter Dück. Anfang Juni wurde die Belastung weniger, da nun die Behörden aktiv wurden und die Flüchtlinge sich an Viola Kermisch vom Sozialamt wenden konnten.
Drei Monate nur in Flüchtlingshilfe engagiert
Der ehemalige OP-Helfer Peter Dück hat sich als Schreiner selbstständig gemacht. In den ersten drei Monaten habe er Familie und Geschäft an zweite Stelle gesetzt und sei nonstop in der Flüchtlingshilfe engagiert gewesen. Viele Gespräche und Telefonate wurden geführt, die Ankommenden wurden in Stühlingen oder Untermettingen einquartiert. Später unterstützte er beim Anmeldeverfahren, der Wohnungssuche, dem Umzug und besorgte Möbel.
Aktuell unterstützt das Ehepaar Dück noch immer viele Arztbesuche und Umzüge. Die gelernte Krankenschwester Violetta Dück dolmetschte bei Arztbesuchen oder in der Schule und begleitete auch Gespräche mit der Krankenkasse. Inzwischen unterstützt sie Schulkinder über das Programm „Lernen mit Rückenwind“ und mehrere Klassen mit Deutschkursen im Jugendbegleiterprogramm Baden-Württemberg in der Hohenlupfenschule und der Realschule Stühlingen.
Rückblickend erklärt Peter Dück, dass dieses große Projekt „Ukraine-Hilfe“ so nicht geplant gewesen sei: „Mein Ziel war zunächst, zwei oder drei Familien zu helfen. Daraus wurden 130 Menschen.“ Er bedankt sich herzlich für die große Unterstützung, die er in beiden Gemeinden erfahren hat – sei es durch Kleiderspenden, Möbelspenden oder die finanzielle Unterstützung für die Flüchtlinge.
Wie geht es weiter?
„Jetzt kommt die Phase, wo die Flüchtlinge lernen müssen, selbstständig zu handeln. Wir versuchen nicht mehr, jeder Bitte nachzukommen“, erklärt Peter Dück die Entscheidung, die Hilfe zurückzuschrauben. Denn die Familien müssten lernen, selbst zurechtzukommen, sagt er. „Einige sind weitergereist in die USA, die meisten, die hier angekommen sind, haben wir in Stühlingen und Wutöschingen untergebracht, im Prinzip hat jeder eine Wohnung gefunden.“ Inzwischen müsse er nur noch dolmetschen und sich um Papiere und die Wohnungen kümmern.
Aktuell betreut er noch fünf Familien in Stühlingen. „Wir versuchen, die Politik außen vor zu halten. Egal, welche Nationalität oder Hautfarbe, wir helfen – auch die anderen Helfer in Stühlingen und Untermettingen haben gesagt, dass die, die anfragen und hilfebedürftig sind, kommen dürfen. Das war uns wichtig.“ Er hält es für sehr wahrscheinlich, dass die Familien, die sich eingliedern konnten, bleiben.