Was war am Sonntag los?
In dem Wohnhaus in der Ringstraße hatte es vor gut zwei Monaten einen Dachstuhlbrand gegeben. Die Überreste sollten nun beseitigt werden.
Bei vorbereitenden Aufräum-Maßnahmen hatte der Sohn des inzwischen verstorbenen Hausbesitzers die beiden unscheinbar wirkenden Bleibehälter mit radioaktivem Inhalt entdeckt und die Behörden informiert.
Etwa 70 Einsatzkräfte der Feuerwehr Murg und der Polizei waren im Einsatz. Das Umfeld um das Haus wurde weiträumig abgesperrt, mit speziellen Schutzanzügen und Messgeräten untersuchten die Mitglieder des Gefahrstoffzuges der Feuerwehr die Behälter und deren Inhalt.
Einsätze mit gefährlichen Stoffen sind laut Kreisbrandmeister Dominik Rotzinger Alltag für die Mitglieder der Sondereinheit. Auch radioaktive Materialien seien immer wieder dabei. „Es ist ein bislang einmaliger Vorgang, dass diese Stoffe in einem Wohnhaus gefunden werden.“ Die Strahlenkonzentration habe sich aber unterhalb des gesundheitsgefährdenden Bereichs bewegt. Daher wurde für die Anwohner gegen Mitternacht Entwarnung gegeben. Das Haus in der Ringstraße wurde beschlagnahmt und verschlossen.
Welches Material wurde gefunden?
Noch gibt es hierzu keine genauen Informationen. Die Behälter werden von der zuständigen Abteilung des Regierungspräsidiums Freiburg untersucht, erklärte Behördensprecher Markus Adler. Dies könne einige Tage in Anspruch nehmen.
Die Polizei wird in der Sache derweil nicht weiter ermitteln, so Polizeisprecher Mathias Albicker: „Da der Besitzer inzwischen verstorben ist, fällt der Fall nicht mehr in unsere Zuständigkeit.“ Auch der Frage, woher das Material stammt, gehen die Ermittler demnach offenbar nicht weiter nach.
Woher stammt das Material?
Nach Angaben von Nachbarn des früheren Hausbesitzers könnte eine Möglichkeit die Firma Endress + Hauser in Maulburg sein. Dort hatte der Verstorbene bis zu seinem Renteneintritt vor etwa 15 Jahren gearbeitet. Außerdem wird dort radioaktives Material für die Herstellung von Messgeräten verwendet, wie Unternehmenssprecher Martin Raab bestätigt.
Er hält es aber für unwahrscheinlich, dass das aufgefundene Material tatsächlich aus Endress+Hauser-Beständen stammt, denn zum einen gebe es strenge Sicherheitskontrollen und -mechanismen, die das Material jederzeit nachverfolgbar machten, etwa durch Seriennummern, so Raab. Und selbst wenn jemand etwas entwenden würde, wäre dies längst aufgefallen, ist sich der Unternehmenssprecher sicher.
Abgesehen davon wird in der Produktion ausschließlich Material verwendet, das als stark radioaktiv klassifiziert ist. Konkret handelt es sich laut Martin Raab um Cobalt-60 und Cäsium-137. „Wenn die Feuerwehr so einen Stoff fände, müsste sie den Strahlenschutz benachrichtigen.“
Wer war der Besitzer?
Ungläubig und verwundert reagieren derweil Nachbarn auf die Ereignisse der Sonntagnacht: „Man kannte sich sehr gut, fast 40 Jahre lang“, sagt Nachbar Jörg Redecker. Insgesamt betrachtet, sei der frühere Hausbesitzer ein „unheimlich sympathischer Mensch“ gewesen, dem die Familie über alles gegangen sei, aber auch viel Unglück habe verkraften müssen.
Zuletzt brannte der Dachstuhl seines Hauses, wobei laut Polizeibericht etwa 300.000 Euro Schaden entstanden seien: „Er hat sich aber nicht unterkriegen lassen. Die Planung für den Wiederaufbau war in vollem Gange, als er verstarb“, sagt Nachbar Redecker. Jedenfalls sei es niemand, der auch nur im Entferntesten etwas unredliches mit dem Material vorgehabt haben könnte, so Redecker.
Wer zahlt für den Einsatz?
Schätzungsweise gehen die Kosten für den Feuerwehreinsatz in die tausende von Euro, sagt Kreisbrandmeister Rotzinger. Doch wer diese bezahlen muss, ist derzeit noch ungeklärt.
Für jede Gemeinde gebe es hierfür eine Feuerwehrsatzung, in der die Kostenbestandteile eines Einsatzes nachzulesen sind. Da Feuerwehren unterschiedlicher Gemeinden beteiligt waren, werde es einige Zeit dauern, bis die Gesamtkosten ermittelt sind, so Rotzinger.
Am Ende werde die Rechnung dann aller Voraussicht nach bei der Gemeinde Murg eingereicht. Erfahrungsgemäß suche die Gemeinde wiederum nach Möglichkeiten, anfallende Kosten erstatten zu lassen, so Rotzinger.
Der Gefahrstoffzug
Hierbei handelt es sich um eine Sondereinheit der Feuerwehr, die es Form im Landkreis nur einmal gibt. Sie ist der Feuerwehr Waldshut-Tiengen zugeordnet, deckt aber bei Bedarf das gesamte Kreisgebiet ab. Die Einheit ist mit speziellen Schutzanzügen und Geräten ausgestattet, und wird hinzualarmiert wenn etwa nach Unfällen atomare, biologische oder chemische Stoffe austreten.