Gudrun Deinzer

Was Gemeinschaft bedeutet, war bei der Neuinszenierung von „Zwischen den Welten“ in der romantischen Kulisse des Klosterhofs von Riedern am Wald eindrucksvoll zu erleben. Nicht weniger als 100 Darsteller im Alter von vier bis 79 Jahren spielten mit wahrer Leidenschaft die historische Familiensaga um Dorus Kromer (Lukas Böhler), der praktisch ununterbrochen auf der Bühne war, und Marei Maurer (Corinna Vogt).

Beste Freunde fürs Leben im Schwarzwald und in Amerika: Dorus Kromer (links) und Joseph Hierholzer.
Beste Freunde fürs Leben im Schwarzwald und in Amerika: Dorus Kromer (links) und Joseph Hierholzer. | Bild: Gudrun Deinzer

Im Kern geht es um die Schicksale einiger Familien, die in der Mitte des 19. Jahrhunderts in Riedern – heute zu Ühlingen-Birkendorf gehörend – lebten. Nach gescheiterter Revolution mangelnde Perspektiven bewegten seinerzeit viele von ihnen, in der „neuen Welt“ Amerika ihr Glück zu suchen.

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Die heute 90-jährige Autorin, Erika Buhr, Mutter der Darstellerin und Regisseurin Corinna Vogt, schreibt von Aufbruch, Hoffnung, Abschiedsschmerz, Heimweh, Enttäuschung in der neuen Umgebung, Krankheit und auch von Menschen, die den in der Heimat Zurückgebliebenen auf immer verloren gegangen sind.

Die Kinder tragen deutlich zur zauberhaften Stimmung des Schauspiels bei.
Die Kinder tragen deutlich zur zauberhaften Stimmung des Schauspiels bei. | Bild: Gudrun Deinzer

Manche Flüchtlinge ereilte der Tod auf der gefährlichen Reise oder durch Krankheiten wie die Cholera. Der Freund des Protagonisten, Joseph Hierholzer (Ferdinand Buhr) wiederum fand in der ältesten Tochter des Schmieds im amerikanischen Neu Braunfels seine Liebe und kam nie mehr in die Heimat zurück.

2019 war das Stück bereits ein großer Erfolg. Neu in dieser Auflage war – ein Publikumswunsch – die rauschende Hochzeit von Dorus und Marei, die zehn lange, leidvolle Jahre auf seine Rückkehr gewartet hatte. Gefeiert wurde beim „Chrüz“ (Gasthaus Kreuz), dessen damaliger Wirt vom heutigen gespielt wurde.

Nach über einem Jahrzehnt wird endlich geheiratet, in Riedern, nur standesamtlich, denn die „Unschuld“ beider kann nicht ...
Nach über einem Jahrzehnt wird endlich geheiratet, in Riedern, nur standesamtlich, denn die „Unschuld“ beider kann nicht mehr angenommen werden. Mitte: Lukas Böhler und Corinna Vogt als Dorus und Marei. | Bild: Gudrun Deinzer

Eindrücklich waren die neuen Parallelszenen, die das Zeitgeschehen an verschiedenen Orten gleichzeitig erfassten. Überhaupt zog sich durch, dass jeder Nebenschauplatz tatsächlich ein Schauplatz war: Oft waren 20 oder 30 Darsteller gleichzeitig auf der Bühne und alle hatten zu jeder Zeit ihre Rolle, die sie ausfüllten.

Während beispielsweise oben auf Deck des Auswanderschiffs die wichtigen Vorhaben in der neuen Heimat besprochen wurden, waren unter Deck sichtbar Frauen, Männer und Kinder beschäftigt mit Lesen, Handarbeit und Unterhaltung.

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Bei aller Historie gab es auch Raum für Witz und Ironie. Etwa bei und nach ausgelassenen Saufgelagen oder als die künftige Schwiegermutter des Amerika-Heimkehrers, Martina Maurer (Gudrun Wasmer), mit überschäumender Freude die Szene in wahrstem Wortsinn überrollte, oder auch unfreiwillig, als der Ziegenbock seine eigene Liebesszene einlegte.

Eigens angereist aus Amerika sind heutige Nachkommen der alten Riederner (von links): Bonnie Novak Schendel, Sherry Barker und Joann ...
Eigens angereist aus Amerika sind heutige Nachkommen der alten Riederner (von links): Bonnie Novak Schendel, Sherry Barker und Joann Novak – ihr Urahn: Joseph Hierholzer. | Bild: Gudrun Deinzer

Gänsehaut erzeugten Musiker wie Andreas Baschnagel am Akkordeon oder Sindy Stelzer mit ihrem Ave Maria auf dem Schiffsbug. Dafür gab es einen der eigentlich untersagten Szenenapplauseinlagen, ebenso wie für die herzzerreißende Szene des um seine totkranke Mutter Marei fürchtenden Heinrich Ernst (Yannik Maier).

Tänzerinnen sorgen für Kurzweil, bevor das Schiff in See sticht, es sind Marielle Vogt, Maria Gromann, Lea Kessler, Leonie Stiegeler, ...
Tänzerinnen sorgen für Kurzweil, bevor das Schiff in See sticht, es sind Marielle Vogt, Maria Gromann, Lea Kessler, Leonie Stiegeler, Ronja Wiehl (von links). | Bild: Gudrun Deinzer

Die prachtvollen Kostüme mussten teils mehrfach geschneidert und geändert werden. Denn die älteren Laiendarsteller hätten über die Corona-Jahre ihre Formen in jede Richtung verändert, wie eingangs Thomas Fechtig – Ideengeber für dieses historische Heimat-Theaterstück und Ühlingen-Birkendorfs Altbürgermeister – launig erläuterte. Augenzwinkernd meinte er damit womöglich auch sich selbst als Darsteller.

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„Die Kinder sind im Laufe der Jahre, in denen wegen Corona kaum etwas möglich war, mehrfach aus ihren Rollen heraus gewachsen“, ergänzte Corinna Vogt im Gespräch dieser Zeitung. Stehend Beifall klatschte das Publikum nach rund drei Stunden opulenten Schauspiels. Und die Darsteller spendeten ihrem Publikum Applaus. „Es ist uns eine Ehre und eine riesengroße Freude, wieder spielen zu dürfen. Ihr wisst gar nicht, wie gut das tut“, rief Corinna Vogt den Zuschauern zu.