Brigachtal Die Tour kann beginnen: Brigachtals erweiterter Geschichtspfad steht kurz vor seiner Eröffnung. Am 14. September ist es auf dem fünf Kilometer langen Rundwanderweg so weit. Start ist um 10.30 Uhr.

Josef Vogt ist Mitinitiator. Er hatte mit der Gemeinde und Rathausmitarbeiterin Annette Hengstler die Idee, historisches Kulturgut in den Blickpunkt zu rücken. So wurde im Rahmen der Flurneuordnung der bereits bestehende Weg nun weiter ausgebaut. Einige schmucke Infotafeln und Ruhebänke säumen die Strecke. Da wird über die St. Martinskirche, das älteste Gotteshaus der Baar, ebenso berichtet wie über die Bauernkriege oder den katastrophalen Dorfbrand vor über 130 Jahren.

  • Das Boschenstechen: Eine besonders interessante Geschichte birgt auch die Torfgewinnung auf der Gemarkung Überauchen. Auch hier gibt es oberhalb von Überauchen eine neue Infotafel. Josef Vogt weiß mehr: Das ganze Prozedere wurde auch als das „Boschen- oder Torfstechen“ bezeichnet. Mit diesen Torfstücken wurden in früheren Jahrhunderten die Stuben und die Öfen in den Küchen beheizt. „Brigachtal ist für diese Art der Brennmaterialgewinnung geradezu prädestiniert gewesen, denn hier gibt es das 56 Hektar große Plattenmoos mit entsprechenden Torfablagerungen im Bereich Überauchen, Tannheim und Pfaffenweiler“, berichtet Geschichtskenner Vogt.

Heute ist das Plattenmoos, ein ehemaliges Hochmoor, ziemlich bewaldet und bietet zudem eine große pflanzliche Vielfalt. Weiter berichtet Vogt über zahlreiche Moore, die sich auf der Hochebene der Baar erstreckten. Da gibt es das bekannte Schwenninger Moos, das das größte Moor in der Region sei, oder das Wuhrholz bei Hüfingen.

Vogt weiß einiges über die Moore und das Torfstechen, das bereits im 17. Jahrhundert begonnen hatte, zu berichten. So wurde laut Gemeindeakten ab dem Jahr 1805 Torfabbau nachgewiesen. Erst im Jahr 1937 endete das Boschenstechen abrupt, als besseres Brennmaterial wie Kohle oder später Heizöl zur Verfügung standen. Bei einem kleinen Exkurs durch das Gebiet im Plattenmoos berichtet Josef Vogt Details: Torf bestehe aus natürlichen Ablagerungen, die sich in einem Zeitraum von mehreren Tausend Jahren durch die Zersetzung von abgestorbenen Torfmooren gebildet hätten. Der Torf gelte übrigens als Vorläufer von Braun- und Schwarzkohle, so Vogt. Für das Torfstechen ab dem Frühjahr und der entsprechenden Genehmigung sowie der Vergabe war das jeweilige Rathaus zuständig. Spätestens Mitte Juni musste die Stech-Aktion beendet sein.

  • Die Arbeitsweise: Zunächst ging es mit den Kuh- oder Pferdegespannen, Richtung Moos, was meist regelrechten Prozessionen glich. Reichere Bauern hatten bereits Pferde; die meisten spannten jedoch Kühe vor den Karren. Oft kam es auch vor, dass nach dem Beladen die Räder der Wagen einsanken und die Gefährte wieder abgeladen werden mussten. Noch schlimmer war es, wenn die Kuh oder das Pferd einsank und die Tiere mühsam geborgen werden mussten. Hier hat Vogt eine Geschichte parat, die man noch viele Jahre lang an Stammtischen erzählte: Da sei ein auswärtiger Käufer mit seinem Pferdegespann vorgefahren. Als er dann mit dem vollbeladenen Wagen wieder herausfahren wollte, sank sein Schimmel mit allen vier Beinen bis an den Bauch ein und kam nicht ohne Hilfe heraus. Zwei Stunden soll er so gestanden haben, bis ihm mehrere Männer, ausgerüstet mit Stricken und Stangen, zu Hilfe eilten, weiß Vogt. Der Schimmel legte sich nach seiner Rettung jedoch wie tot zur Seite und wurde dann per Pritschenkarren abtransportiert. Tags drauf staunten die Überauchener Bürger nicht schlecht, als der gleiche Käufer mit seinem Gespann und jenem tot geglaubten und nun wieder quietschfidelen Schimmel zum Moor trabte.
  • Das Zubrot: Das Ganze war natürlich recht mühsam und arbeitsintensiv, bot aber ein kleines Zubrot für die Bauern, die die Boschen verkauften. Die Geräte zum Graben wurden von den Arbeitern mit Fuhrwerken ins Moos gebracht. Da wurden Spaten, Pickel, Schaufeln und Äxte benötigt. Auch Schubkarren, riesige Körbe und jede Menge Bretter kamen zum Einsatz. Vor dem Stechen mussten die Gräben geöffnet werden. Dann wurde die Deckschicht über dem eigentlichen Torf entfernt. Die Boschen mussten exakt einem vorgeschriebenen Maß entsprechen, was in etwa einem Backstein entsprach. Zum Boschenstechen wurden zwei bis drei Arbeiter benötigt, die teils bis 5000 Stück pro Tag ausstachen. Die Abnehmer kamen meist aus den um liegenden Gemeinden. Dokumentiert sind aus dem Jahr 1910 insgesamt 182.000 Torfstücke. Im Jahr 1820 waren es sogar 393.400 Boschen. In Sumpfohren, ein Ortsteil von Hüfingen, gibt es die bekannte Narrenfigur Boschenstecher. Auch heute noch werden dort alle vier Jahre im Sumpfohremer Ried Boschen gestochen. Die Boschen werden dann an den Fastnachtsumzügen verteilt oder als Anschauungsmaterial auf dem Boschenkarren mitgeführt.