Sars-CoV-2, das Coronavirus, war bis Mitte März dieses Jahres eine große Unbekannte. Ärzte und Pflegepersonal in den Kliniken hatten keine Erfahrung mit dem Erreger von Covid-19, der Lungenerkrankung, die für bestimmte Personengruppen besonders gefährlich sein kann. Mittlerweile ist das anders: Zahlreiche Patienten wurden in den Kliniken in der Region behandelt, viele gesund entlassen, einige sind gestorben.
Seit der Ausbreitung des Coronavirus in unserer Region hatte das Kreiskrankenhaus Lörrach den Fokus vor allem auf die Beatmungspatienten in der Intensivstation gelegt. Doch die Erfahrung zeigt: Bei bisher 29 Todesfällen (Stand 23. April) starben fast genauso viele Corona-Patienten auf der Isolierstation (14), wie auf der Intensivstation (15), wie Hans-Heinrich Osterhues, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin, erklärt. Ein Hauptgrund: Es gibt Patienten, die eine Beatmung ablehnen.
Die Behandlung auf der Isolierstation
Während auf der Intensivstation diejenigen Patienten liegen, die in künstlicher Narkose beatmet werden, sind auf der Isolierstation wache Patienten untergebracht, die mitunter auch Sauerstoff bekommen.

Regelmäßig werde die Sauerstoffsättigung des Blutes überprüft. Wenn dieser Wert kritisch wird und der Körper es nicht mehr allein schafft, wird der Patient intensivpflichtig und braucht eine Beatmung auf der Intensivstation – sofern er das überhaupt möchte.
Wenn der Patient keine Beatmung möchte
Denn schon bei der Aufnahme ins Krankenhaus werde laut Bernhard Degen, Oberarzt der infektiologischen Station, jeder Patient gefragt, ob er eine Beatmung wünscht, wenn seine Erkrankung voranschreitet und sich sein Gesundheitszustand verschlechtert. Mit Stempel und Unterschrift wird der Patientenwille in der Akte dokumentiert.
Es gebe viele Patienten, wie die Lörracher Ärzte schildern, die eine Beatmung verweigern würden. Oberarzt Degen berichtet beispielsweise von einem älteren Patienten, der im vergangenen Jahr schon 21 Mal im Krankenhaus war, an Covid-19 erkrankte und hier die Beatmung verweigerte: „Er bekam Morphine und Sauerstoff, wir haben ihn sterben lassen.“ Mit Morphinen sollen Schmerzen vermieden werden.

„Wenn jemand keine Therapie möchte, therapieren wir ihn natürlich auch, aber nur, um ihn in eine wohlige, leidensfreie Situation zu führen.“Hans-Heinrich Osterhues, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin
Der Altersdurchschnitt der Corona-Patienten im Kreiskrankenhaus Lörrach liege zwischen 75 und 90 Jahren. „Diese Menschen haben ein Leben hinter sich und haben ihre Entscheidung getroffen“, so Osterhues. Er ergänzt: „Es stirbt keiner ohne Therapie.“
Was bei Covid-19 passiert
Hans-Heinrich Osterhues erklärt, dass die meisten der Patienten nicht am Lungenversagen allein sterben würden, sondern oft an einem „Multi-Organ-Versagen“. Das Coronavirus sei eben nicht – so eine weit verbreitete Annahme – nur mit Husten und Fieber verbunden – es wirke sich auf alle Organe aus.

Bernhard Hoch, Geschäftsführer Medizin, beschreibt: „Bei einer Infektion ist der ganze Körper betroffen, je schwächer die Organe und je älter der Mensch, desto ernster wird die Lage.“ Die Lunge sei jedoch immer das hauptsächlich angegriffene Organ.
Übergewicht erweist sich als Risiko
Oberarzt Degen beschreibt einen weiteren Fall: Vor wenigen Tagen sei eine Dame, Jahrgang 1931, im Krankenhaus gestorben. Sie hatte eine Lungenerkrankung und Zuhause bereits eine Sauerstofftherapie hinter sich. Aber auch ihr Übergewicht sei ein Risiko gewesen, hebt Degen hervor.
Wie die Ärzte beobachtet haben, seien auch bei ihren jüngeren Patienten die meisten übergewichtig gewesen. Die Erfahrung in Lörrach: Übergewicht war in diesen Fällen ein weiterer Risikofaktor für einen schweren Krankheitsverlauf.
Covid-19 zuhause auskurieren
Bei einem milden Krankheitsverlauf werden die an Covid-19 erkrankten Patienten nach Hause in die Quarantäne geschickt. „Sie bekommen eine Checkliste mit, um ohne Angst zu hause zu sein“, so Osterhues.
Klinik-Geschäftsführer Hoch betont, dass man dabei jedoch auch an die Sicherheit möglicher Mitbewohner denke. So würde etwa ein 80-Jähriger, der mit seiner 80-jährigen Frau zusammenwohnt, nicht nach Hause geschickt werden. „Wer nicht nach Hause kann, verlässt das Krankenhaus erst, sobald sein Testergebnis negativ ist“, so Degen. Das könne nach zehn Tagen der Fall sein, bei hohen Entzündungswerten könne es aber auch mehrere Wochen dauern.
Eine Corona-Welt und eine normale Welt
Die Ärzte beobachteten aktuell mit großer Sorge, dass die Menschen mit anderen Erkrankungen aus falscher Angst heraus das Krankenhaus meiden. „Unser dringender Appell: Notfälle müssen behandelt und wahrgenommen werden“, so Osterhues. Er weist darauf hin, dass die infektiologische Station sowie die Isolierstation in einem eigenen Gebäudeteil und in sich abgeschlossen sind. „Wir arbeiten in der Corona-Welt und in der normalen Welt“, erklärt Bernhard Hoch.
Und was halten die Ärzte von der Lockerung der Schutzmaßnahmen? „Ich bin nur bedingt glücklich über die gelockerten Maßnahmen“, sagt Geschäftsführer Bernhard Hoch, auch wenn er die Lage der Wirtschaft verstehe. Die Infektionszahlen seien bereits am Donnerstag wieder leicht gestiegen. „Jeder Rückwärts-Salto ist schwierig“ sagt er. „Es wird wieder mehr Kontakte geben“, gab er zu bedenken.

Hoch gibt das „Danke“ der Bevölkerung an die Pflegekräfte zurück, jedoch mit der dringenden Bitte, sich weiterhin an die Vorsichtsmaßnahmen zu halten. Denn: „Wir haben noch immer das Virus und das Virus hat uns.“