Der Protest gegen Brennelement-Lieferungen aus Deutschland an das Schweizer Kernkraftwerk Leibstadt (KKL) gegenüber Waldshut wird jetzt auch auf juristischer Ebene geführt. Nachdem eine neuerliche Exportgenehmigung erteilt wurde, hat der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) Widerspruch gegen die Bewilligung erhoben. Laut BUND hat die Eingabe aufschiebende Wirkung. Das heißt, dass der Transport vorerst nicht stattfinden darf.
Nach Auskunft des KKL hat das Unternehmen einen längerfristigen Vertrag mit dem Brennelemente-Hersteller Framatome in Lingen/Niedersachsen geschlossen. Gemäß dem Atomgesetz der Bundesrepublik sind solche Exporte genehmigungspflichtig. Zuständig dafür ist das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) in Eschborn, das die Lieferungen bislang erlaubt hat. Zuletzt hatte das BAFA am 22. Juli 2019 den Export von 116 Brennelementen von Lingen nach Leibstadt genehmigt. Mit Datum vom 24. September 2020 liegt jetzt eine neuerliche Ausfuhrbewilligung vor. Ihr zufolge darf die Firma Framatome 140 Urandioxid-Brennelemente an das Kernkraftwerk liefern. KKL-Informationsleiter Thomas Gerlach erklärte auf Anfrage dieser Zeitung zur geplanten Verwendung: „Die Brennelemente werden in den nächsten Jahren nach Bedarf eingesetzt.“
Gegen die Bewilligung hat der Regionalverband Südlicher Oberrhein des BUND (Freiburg), der als eingetragener Verein klageberechtigt ist, Widerspruch eingelegt. Der BUND Hochrhein, der sich der Eingabe angeschlossen hat, erklärte in einer Medienmitteilung unter anderem: „Da in der Schweiz durch Nachrüstungen die Laufzeiten für die veralteten Reaktoren immer wieder verlängert werden und somit das Risiko für die Menschen und die Umwelt hier im Süden Deutschlands immer mehr steigt, fordern wir die deutsche Regierung dazu auf, keine in Deutschland hergestellten Brennelemente in die Schweiz zu liefern.“ Die Waldshut-Tiengener Bürgerinitiative ZoA, die bereits die zurückliegenden Exporte heftig kritisiert hat, unterstützt den Widerspruch.
In einer früheren Stellungnahme hat sich auch die SPD-Bundestagsabgeordnete Rita Schwarzelühr-Sutter, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium (BMU), gegen die Ausfuhren ausgesprochen. Die Politikerin setzt auf eine Änderung des deutschen Atomgesetzes. Gemäß Koalitionsvertrag sollen solche Lieferungen künftig untersagt werden. Doch die Neuregelung lässt nach wie vor auf sich warten. Das gegenwärtige Atomrecht sehe, belegt durch ein rechtliches Gutachten, die Genehmigung von Exporten zwingend vor, so Schwarzelühr-Sutter.
Nach Ansicht von Kernkraftgegnern bietet das Atomgesetz jedoch schon jetzt Handhabe, Brennelement-Ausfuhren zu untersagen. ZoA-Sprecherin Monika Herrmann-Schiel aus Waldshut-Tiengen hat bereits in einer früheren Stellungnahme auf einen entsprechenden Passus verwiesen. Ein Export sei laut Gesetz nur dann zulässig, wenn „die auszuführenden Kernbrennstoffe nicht in einer die internationalen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland auf dem Gebiet der Kernenergie oder die innere oder äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdenden Weise verwendet werden“. Eine Gefährdung der Bevölkerung sehen Atomenergie-Kritiker am Hochrhein durch den Betrieb der Schweizer Kernanlagen bekanntlich als gegeben an.
Zunächst muss nun das BAFA über die Eingabe des BUND gegen die Exportgenehmigung entscheiden. Nach Mitteilung des BUND dürfen zumindest bis dahin die Brennelemente nicht geliefert werden, weil der Widerspruch aufschiebende Wirkung habe. Laut Auskunft von KKL-Sprecher Thomas Gerlach ist die Anlieferung per Lastwagen für die ersten Monate des kommenden Jahres geplant.
Wird der Widerspruch abgelehnt, bleibt der Klageweg. Nach Auskunft von Stefan Auchter, Geschäftsführer des BUND-Regionalverbands Südlicher Oberrhein, ist über einen solchen Schritt noch nicht entschieden. Dem Widerspruch gegen die Exportgenehmigung hätten sich weitere Gruppen aus Freiburg sowie Einzelpersonen angeschlossen.
Im Fall der umstrittenen belgischen Reaktoren Doel 1 und 2 ist das Thema Atomausfuhren bereits vor Gericht anhängig. Nach Mitteilung des BUND hat das zuständige Verwaltungsgericht Frankfurt am Main den für Oktober und November beantragten Sofortvollzug für den Export abgewiesen. Vor Abschluss des Hauptverfahrens dürfen die Brennelemente demzufolge nicht nach Belgien transportiert werden.
Laut einem schweizerischen Medienbericht hat das Kernkraftwerk Leibstadt erklärt, unabhängig von den Lieferungen aus Deutschland sei der Betrieb bis 2022 gesichert. In früheren Jahren hat das Atomkraftwerk nach eigenen Angaben bereits auch Brennelemente aus anderen Ländern bezogen. In der Schweiz selbst gibt es keinen Hersteller.