Ein Mitarbeiter des Kernkraftwerks Leibstadt hat wiederholt Prüfprotokolle gefälscht. Damit habe dieser entgegen behördlicher Vorgaben und betrieblicher Instruktionen gehandelt, wie das Kernkraftwerk am Mittwoch mitteilte. Die Atomaufsichtsbehörde sieht mittlerweile beim Kernkraftwerk eine Häufung menschlichen Fehlverhaltens. Daher will sie ihre Inspektionstätigkeit dort deutlich ausweiten.
Zum aktuellen Vorkommnis sagt Georg Schwarz, stellvertretender Direktor des Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorats (Ensi) und Leiter des Bereichs Kernkraftwerke: „Auch wenn wegen dieses Vorfalls keine Gefahr für die Sicherheit der Anlage und der Bevölkerung bestand, ist eine solche Fälschung absolut inakzeptabel.“ Der Mitarbeiter wurde freigestellt.
Nach den derzeit vorliegenden Informationen des Ensi hat der betreffende Mitarbeiter des Kernkraftwerks seit 2016 die halbjährlichen Funktionsprüfungen an drei mobilen Neutronen-Dosisleistungsmessgeräten nicht durchgeführt. Stattdessen trug er fingierte Daten in die Prüfprotokolle ein.
Diese Dosisleistungsmessgeräte werden insbesondere dazu verwendet, die Strahlung an beladenen Brennelementbehältern vor dem Transport ins Zwischenlager in Würenlingen zu messen. Dort wurden die Behälter jeweils nach der Ankunft erneut gemessen und es seien keine signifikanten Abweichungen bei den Messwerten festgestellt worden, heißt es in einer Pressemitteilung des Ensi.
Daraus ergibt sich, dass die Geräte offenbar trotz der unterbliebenen Funktionstests korrekt anzeigten. Damit ist es für das Ensi klar, dass die Sicherheit der Bevölkerung stets gewährleistet war. Das für den Transport eingesetzte Personal sei radiologisch überwacht worden. Es habe keine unerwartete oder unzulässige Exposition mit Radioaktivität stattgefunden.
Wie wurde der Fehler entdeckt?
Der bisherige Stand der Untersuchungen lasse darauf schließen, dass der betroffene Mitarbeiter statt die Funktionsprüfungen tatsächlich durchzuführen lediglich Werte der letzten Prüfung notierte, schreibt das KKL. Aufgefallen sei der Fehler, als sich die Messparameter änderten und der notierte Wert nicht mehr plausibel war. Das Versäumnis sei nicht tolerierbar, teilt das KKL mit. Das Werk habe eine umfassende Untersuchung des Vorfalls und weiterer Prüfvorgänge eingeleitet.
Das Ensi fordert die lückenlose Aufklärung des aktuellen Falles. Insbesondere sei abzuklären, ob der beschuldigte Mitarbeiter weitere Prüfprotokolle fingiert hat und ob dies zu falschen Messresultaten geführt hat. Das Kernkraftwerk Leibstadt muss dazu bis Anfang Februar 2019 beim Ensi einen detaillierten Bericht über das gemeldete Vorkommnis einreichen. Die Nuklearsicherheitsbehörde werde diesen anschließend prüfen, dazu Stellung nehmen und die Öffentlichkeit darüber informieren, teilt das Ensi mit. In einem zweiten Schritt sollen die Untersuchungen unter der Aufsicht einer unabhängigen Inspektionsstelle auf weitere Prüfprotokolle ausgedehnt werden.
Darüber hinaus hat das Ensi weiterführende Maßnahmen beschlossen. „Leider gab es in den letzten Jahren eine ganze Reihe von Vorfällen aufgrund menschlichen Fehlverhaltens im KKL“, sagt Georg Schwarz. „Es müssen deshalb Maßnahmen ergriffen werden, die gewährleisten, dass die Sicherheitskultur im KKL nachhaltig verbessert wird.“
Aufgrund der Vorkommnisse werde das Ensi seine Inspektionstätigkeit im Kernkraftwerk Leibstadt ab sofort deutlich ausweiten und damit vor Ort noch präsenter sein, kündigt die Behörde an. Bereits heute führen Ensi-Mitarbeiter jährlich rund 100 angemeldete und unangemeldete Inspektionen sowie Anlagenbegehungen im Kernkraftwerk Leibstadt durch. Diese Zahl soll im laufenden Jahr deutlich erhöht werden.
Nicht das erste Mal
Das jetzt bekannt gewordene Vorkommnis ist nicht der erste Fall, bei dem im Schweizer Kernkraftwerk Leibstadt (KKL) gegenüber Waldshut durch Mitarbeiter Protokolle gefälscht wurden. Während der Jahresrevision im Jahr 2001 wurden durch zwei Techniker Sicherheitsberichte manipuliert. Die Schweizer Hauptabteilung für die Sicherheit der Kernanlagen (HSK, heute Ensi) hielt seinerzeit dazu in ihrem Jahresbericht unter anderem fest: „Zwei Operateure führten einen Auftrag bewusst nicht korrekt aus und fälschten Checklisten.“ Der Vorgang wurde durch die Aufsichtsbehörde auf der internationalen Bewertungsskala INES (0 bis 7) für Ereignisse in Atomanlagen mit 1 eingestuft. Dies steht unter anderem für: „Abweichung von den zulässigen Bereichen für den sicheren Betrieb/gestaffelte Sicherheitsvorkehrungen bleiben erhalten." Als Konsequenz schrieb das HSK damals in seinem Sicherheitsbericht im Blick auf das Personal: „Das KKL wurde aufgefordert, intensive Prüfungen vorzunehmen, um allfällig notwendige Verbesserungsmaßnahmen einleiten zu können.“ (ger)