Für Aufsehen sorgt seit einigen Wochen die blau-violette Fassadenfarbe des Wohn- und Geschäftshauses in der Kaiserstraße 63. Auf dem Waldshuter Wochenmarkt, der mittwochs und samstags auf Höhe des Gebäudes stattfindet, ist von einigen Besuchern die Frage zu hören gewesen: „Ist die Farbe denn erlaubt?“ Und auch der FDP-Stadtrat Raimund Walde, der als ehrenamtlicher Stadtführer Interessierte durch die Fußgängerzone führt, wollte in der jüngsten Gemeinderatssitzung von der Stadtverwaltung wissen, ob der Farbton der geltenden Gestaltungssatzung für die Waldshuter Altstadt entspricht.

„Ja, die Farbe ist erlaubt“, bestätigt Jutta Oehl, Mitarbeiterin des städtischen Baurechtsamts, auf Nachfrage dieser Zeitung. Der Anstrich des Hauses, in dem die Bäckerei Wehrle bis zu ihrer Geschäftsaufgabe 2020 Backwaren verkaufte und in dessen Erdgeschoss inzwischen eine Immobilienfirma eingezogen ist, liege im sogenannten Farbenplan für die Waldshuter Altstadt. Das leuchtende Blau-Violett der Fassade sei zwar auffällig, doch die Fensterläden werden grau gestrichen. „Dadurch wird die Ausgewogenheit wieder hergestellt“, erklärt Jutta Oehl.

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Bürgermeister Joachim Baumert erläutert im Gespräch mit dieser Zeitung den rechtlichen Hintergrund: „Der Farbenplan wurde 1961 angelegt und 1982 verbindlich in die Gestaltungssatzung aufgenommen.“ Ziel dieser Satzung sei die Bewahrung des historischen Stadtbildes in beiden Kernen der Doppelstadt. Die Gestaltungssatzung für Waldshut erstreckt sich laut Baumert auf die Kaiserstraße, Rheinstraße, Amthausstraße, die Löwengasse und den Johannisplatz. In Tiengen gelte sie in der Hauptstraße und in dem umliegenden Gassen der Altstadt.

Der handkolorierte Farbenplan für die Waldshuter Altstadt liegt ausgebreitet auf einem Tisch im Tiengener Rathaus. Im Vordergrund ist ...
Der handkolorierte Farbenplan für die Waldshuter Altstadt liegt ausgebreitet auf einem Tisch im Tiengener Rathaus. Im Vordergrund ist das Obere Tor zu sehen. | Bild: Bilder: Juliane Schlichter

Für das Gespräch mit dieser Zeitung haben Jutta Oehl und ihr Kollege Christian Schopferer den Farbenplan für die Waldshuter Kaiserstraße auf einem langen Tisch im Tiengener Rathaus, wo sich das Baurechtsamt befindet, ausgebreitet. Auf dem Plan ist die Frontansicht jedes einzelnen Hauses inklusive der beiden Stadtore am jeweiligen Ende der Fußgängerzone zu sehen. Die Fassaden, Fensterläden, Sockel und Dachgauben der Gebäude sind darauf jeweils in verschiedenen Pastelltönen von Hand koloriert. „Zwei nebeneinander liegende Häuser dürfen nicht die gleiche Farbe haben“, nennt die Stadtbaumeisterin die wichtigste Regel. Die Anordnung der Farben muss laut Jutta Oehl stimmig sein. „Und abwechslungsreich“, fügt Schopferer hinzu.

Wenn ein Hausbesitzer seine Immobilie neu streichen lassen will, müsse unbedingt vorher Rücksprache mit dem Baurechtsamt gehalten werden, betont Oehl. Auch im Fall des Hauses in der Kaiserstraße 63 sei die gewünschte Farbe vorschriftsmäßig beantragt worden. „Meistens sind es die Malerbetriebe, die bei uns anfragen“, ergänzt Schopferer. Derzeit bekomme die Stadtbaumeisterin gehäuft Anfragen wegen einer ganz bestimmten Farbe: „Alle wollen ihr Haus grau streichen. Das ist die neue Modefarbe.“ Doch mehrere graue Gebäude nebeneinander seien natürlich nicht erlaubt. „Höchstens mal dazwischen“, erklärt Jutta Oehl. Hauptziel der Gestaltungssatzung mit dem Farbenplan sei es, „unsere schönen Innenstädte zu erhalten. Da passt kein Neongelb rein“, betont Christian Schopferer. Und Jutta Oehl fügt hinzu: „Ich glaube, wenn jemand mit Schwarz käme, hätte ich ein Problem.“

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„Es gibt eine große Bandbreite an möglichen Farben und die ist noch nicht überschritten worden“, erklärt Schopferer. Doch was passiert, wenn ein Hausbesitzer ohne Rücksprache eine unzulässige Farbe verwendet? „Dann ist es wie beim Falschparken: Entweder es gibt ein Knöllchen oder man wird abgeschleppt“, so der Leiter des Baurechtsamts. Bisher sei es jedoch nicht vorgekommen, dass ein Eigentümer sein Gebäude nachträglich in einer anderen Farbe erneut streichen lassen musste. Auch die Löwen-Apotheke in der Kaiserstraße 11, deren neuer Anstrich Ende der 1990er-Jahre für ähnlichen Diskussionsstoff sorgte wie zuletzt das blau-violette Haus, konnte ihre grüne Farbe behalten.

Nicht nur die zwischen zwei gelblich-beige gestrichenen Häusern und sich dadurch stark abhebende Fassade zieht in der Kaiserstraße 63 die Blicke auf sich. Auch die nigelnagelneue Dachrinne und Verkleidung an der Dachgaube heben sich von den Nachbarhäusern ab. „Kupfer ist sogar vorgeschrieben, weil es ein historisches Material ist“, sagt Jutta Oehl auf Nachfrage. Christian Schopferer ergänzt: „Kupfer oxidiert mit der Zeit. Dann glänzt das Material nicht mehr so stark und ist nicht mehr so auffällig.“

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