Über die Uferstraße fährt ein kleines Blechspielzeug und zieht nicht nur die Aufmerksamkeit der Kinder auf sich. Während der kleine batteriebetriebene Radfahrer über den Asphalt strampelt, tönt aus seinem Lautsprecher eine fröhliche Melodie. Ruth Achatz, nach eigenem Bekunden eine Urhäflerin, preist den lustigen Gesellen an.

„Der macht Musik, radelt und ist gut drauf“, sagt sie. Doch acht Euro will gerade niemand für ihn bezahlen. Dabei käme der Betrag einem guten Zweck zugute. Die 88-Jährige spendet den Verkaufserlös an ein Kinderhospiz. Dafür hat sie bereits am Freitagabend ihren Stand für den traditionellen Nachtflohmarkt aufgebaut. Durchhalten muss sie bis Samstag um 18 Uhr.

Ruth Achatz ist Urhäflerin und stiftet den Verkaufserlös ans Kinderhospiz in Memmingen.
Ruth Achatz ist Urhäflerin und stiftet den Verkaufserlös ans Kinderhospiz in Memmingen. | Bild: Anette Bengelsdorf

Keine Aussteller-“Zombies“ mehr

„Freitagabend war unfassbar gut“, sagt Daniel Baumann. Der Bewirtungsverantwortliche der Narrenzunft Seegockel zeigt sich hochzufrieden mit den Besucherzahlen. Doch über Nacht, sagt er, sei es erschreckend ruhig geworden. Ab 23 Uhr kämen keine Besucher mehr und die meisten Aussteller aus der Umgebung würden dann nach Hause fahren. Das sei früher ganz anders gewesen. Morgens um fünf waren deshalb nicht nur ein paar wenige Aussteller-“Zombies“ auf der Suche nach dem ersten Kaffee zu sehen. Auch die Raritätenjäger standen mit enttäuschten Gesichtern vor verpackten Ständen.

Gute Geschäfte mit Gamshörnern

Roland Baumann aus Friedrichshafen ist einer der Aussteller, die um 22 Uhr ihren Stand abdeckten und das heimische Bett aufsuchten. Nach anfänglich guten Geschäften lohnte es sich nicht mehr, wach zu bleiben. Zum Glück wird der Markt gut bewacht, sodass er seinen Stand vorfand, wie er ihn verlassen hatte. Das Mitglied der Narrenzunft verkauft Gegenstände aus dem Nachlass seiner Schwiegereltern. Gestern, sagt er, hätten Reh- und Gamshörner reißenden Absatz gefunden. Jetzt am Morgen sei es jedoch noch ein wenig zäh.

Roland Baumann aus Friedrichshafen lobt die gute Organisation des Flohmarkts.
Roland Baumann aus Friedrichshafen lobt die gute Organisation des Flohmarkts. | Bild: Anette Bengelsdorf

Auch Barbara Fischer und ihre Tochter Anna-Maria haben zuhause geschlafen. Allerdings haben sie ihr gesamtes Angebot mitgenommen und am Morgen um 6.30 Uhr wieder aufgebaut. Entschädigung fürs frühe Aufstehen bringen den beiden Frauen aus Oberteuringen die netten Begegnungen mit den Kunden. Bereits um 7 Uhr, erzählen sie, noch immer amüsiert, sei ein Herr gekommen, der einen alten Kinder-Schuhkarton mit Lurchi-Motiven kaufen wollte.

Barbara und Anna-Maria Fischer aus Oberteuringen freuen sich über die netten Gespräche mit den Kunden.
Barbara und Anna-Maria Fischer aus Oberteuringen freuen sich über die netten Gespräche mit den Kunden. | Bild: Anette Bengelsdorf

Doch dieser stand nicht zum Verkauf, diente vielmehr als Behälter für die Briefmarken, die sie an die Sammler bringen wollten. Er könne ihn haben, wenn die Briefmarken abverkauft sind, erklärten sie. Eine halbe Stunde später stand er wieder da. Nur die Briefmarken hatten noch immer keinen Abnehmer gefunden. Als er zum dritten Mal kam, hatte er eine leere Schachtel mitgebracht. Und endlich durfte er den Lurchi-Karton sein Eigen nennen.

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Sabine Kärger und Jennifer Medford haben ganz andere Dinge im Visier. Sabine aus Eriskirch, eine „Flohmarkttante“, wie sie selber sagt, die auch gerne hinter dem Tresen steht, ist immer auf der Suche nach Büchern und Klamotten. Jennifer dagegen liebt alte Werbeschilder aus Blech für die Werkstatt ihres Partners. Sie wollte eigentlich nur das schöne Wetter genießen. Dass Flohmarkt ist, hat sie nicht gewusst.

Auf ihrer Wunschliste stehen Bücher und schöne Kleider: Jennifer Medford und Sabine Kärger haben Spaß.
Auf ihrer Wunschliste stehen Bücher und schöne Kleider: Jennifer Medford und Sabine Kärger haben Spaß. | Bild: Anette Bengelsdorf

Kritik an mangelnder Beschilderung

„Von diesem Flohmarkt gibt es kein einziges Schild in der Stadt“, bemängelt dagegen ein Aussteller, der seinen Namen keinesfalls in der Zeitung lesen will. Die Atmosphäre und das Panorama seien ja wunderschön, aber kostenlose Parkplätze für die Aussteller gebe es auch nicht, beschwert er sich.

Das hochmotivierte Infoteam der Narrenzunft Seegockel: Katrin und Joachim Fischer (links), Daniel Baumann (rechts).
Das hochmotivierte Infoteam der Narrenzunft Seegockel: Katrin und Joachim Fischer (links), Daniel Baumann (rechts). | Bild: Anette Bengelsdorf

Daniel Baumann von der Narrenzunft wüsste jedoch – darauf angesprochen – beim besten Willen nicht, wer die Parkplätze bezahlen sollte. Das mit den Plakaten sei aber tatsächlich ein Problem. Früher, berichtet er, hätten Mitglieder diese in den Geschäften verteilt, die sie dort gerne aufgehängt hätten. Heute gehörten die Läden aber fast ausschließlich zu Ketten und Mitarbeiter müssten in einem langwierigen Prozess in den Zentralen um Genehmigung bitten. Und die Werbung auf den Social-Media-Kanälen hätte das klassische Flohmarktpublikum vermutlich nicht erreicht. Baumann sagt: „Da müssen wir neue Wege suchen.“