Mehr als ein Jahr hat ein Ingenieurbüro an ihr gearbeitet, jetzt liegt das Ergebnis der Machbarkeitsstudie vor. Das Ergebnis: Die Umspannwerke in Gurtweil und Tiengen können verlagert werden. Doch der Weg dorthin wäre weder einfach noch billig. Ganz im Gegenteil. Deshalb kommt die Arbeit des Büros Lange aus Moers zu dem Fazit, dass eine Realisierung „als sehr unwahrscheinlich und höchst schwierig zu bewerten ist“.

Allen voran müssten vier Netzbetreiber an einem Strang ziehen und bei der Stadt Waldshut-Tiengen einen Antrag auf Verlagerung stellen. Die Stadt selbst will selbst nicht aktiv werden, Verlegungsanträge aber durchaus begrüßen, da so in Gurtweil ein großes, zusammenhängendes Baugebiet entstehen könnte.

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Wie kam es überhaupt zu der Machbarkeitsstudie?

Vor drei Jahren stellte der Netzbetreiber Amprion einen Antrag auf Neubau seiner Umspannanlage in Gurtweil. Dieser hätte in unmittelbarer Nähe zur bestehenden Anlage realisiert werden sollen. Dafür hätte der Tennisclub Gurtweil sein Vereinsgelände verlagern müssen. Kosten und Neubau hätte Amprion übernommen. Doch noch bevor Amprion mit dem Neubau beginnen konnte, trat Engelbert Meier aus Gurtweil auf den Plan und regte an, alle in Gurtweil und Tiengen bestehenden Umspannwerke auf den Hungerberg zu verlagern. Der Ingenieur präsentierte seine Überlegungen zunächst im Ortschaftsrat Gurtweil, später vor dem Gemeinderat der Doppelstadt. Seine Pläne waren detailliert ausgearbeitet und verfehlten ihre Wirkung bei den Stadträten nicht. Das Ergebnis: Am 24. September 2018 beauftragte der Gemeinderat das Ingenieurbüro Lange aus Moers mit der Erstellung einer Machbarkeitsstudie.

Was ist seither in Gurtweil passiert?

Die Antwort ist schnell gegeben: Eigentlich nichts. Die Anlage des Tennisclubs ist noch nicht verlegt und Amprion hat noch nicht mit dem Neubau seines Umspannwerks begonnen.

Was war das Ziel der vom Gemeinderat in Auftrag gegebenen Machbarkeitsstudie?

Sie sollte klären, ob eine Verlagerung der bestehenden Umspannwerke in Gurtweil und Tiengen technisch überhaupt möglich ist und vor allem zu welchen Bedingungen dies geschehen könnte. Schließlich würde sowohl der Stadtteil Gurtweil an sich, als auch die Stadt als Ganzes von einer Verlagerung profitieren. Gurtweil würde von Hochspannungstrassen direkt über Wohnbebauung befreit, für die Stadt würde sich fast schon einmalig die Chance eröffnen ein neues, großes und zusammenhängendes Wohngebiet von stattlicher Größe zu bekommen.

Das Umspannwerk des Netzanbieters Amprion soll abgelöst werden. Ob es nur einige Meter weiter, oder hoch auf den Hungerberg geht, ist ...
Das Umspannwerk des Netzanbieters Amprion soll abgelöst werden. Ob es nur einige Meter weiter, oder hoch auf den Hungerberg geht, ist derzeit noch ungewiss. | Bild: Peter Rosa

Was spricht für eine Verlagerung der Umspannwerke?

Gewinnung von Bauland und landwirtschaftlichen Nutzflächen. Durch die Verlagerung der Hochspannungstrassen wäre zudem eine Reduzierung von Hochspannungsmasten in Gurtweil, Tiengen und Gutenburg möglich. Die Betreiber der Leitungen hätten im Idealfall geringere Unterhaltskosten und das Landschaftsbild könnte aufgewertet werden. Außerdem gebe es weniger bauliche Beschränkungen (Abstandsregelungen).

Was spricht gegen eine Verlagerung der Umspannwerke?

Für die Netzbetreiber gibt es weder eine rechtliche noch betriebswirtschaftliche Notwendigkeit zur Verlagerung. Der Versorgungsauftrag könnte auch an den bisherigen Standorten erfüllt werden. Würden sie sich dennoch zu einer Verlagerung entscheiden, müssten sie zunächst die Anträge stellen und auch sämtliche Kosten tragen. Die Stadt schätzt, dass die Kosten für eine solche Maßnahme in einem „hohen dreistelligen Millionenbereich“ lägen. Die Flächen auf dem Hungerberg sind im Privatbesitz und müssten erst noch aufgekauft werden.

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Wurde nur das Gebiet Hungerberg (Gurtweil) wie von Engelbert Meier vorgeschlagen untersucht?

Nein, die Studie umfasste zunächst das gesamte Stadtgebiet von Waldshut-Tiengen. Je feiner die das Netz der infrage kommenden Standorte gesponnen wurde, desto kleiner wurde die Zahl möglicher Standorte. Berücksichtigt wurden eine Vielzahl von Aspekte, wie zum Beispiel verfügbare Fläche, Umwelt- und Naturschutzvorgaben, vernünftige Trassenbündelung und Trassenführung der Stromleitungen, Anfahrtswege und vieles mehr. Am Ende blieben zwei Standorte übrig: Hungerberg Süd-Ost und Östlich Aichen. Unter Berücksichtigung aller Aspekte und Kriterien favorisiert die Machbarkeitsstudie den Standort Hungerberg Süd-Ost als Variante für weitere Bewertungs- und Planungsschritte.

In welche Richtung es in Sachen Gurtweiler Umspannanlagen weitergeht, ist derzeit noch ungewiss. Die Entscheidung hängt von den ...
In welche Richtung es in Sachen Gurtweiler Umspannanlagen weitergeht, ist derzeit noch ungewiss. Die Entscheidung hängt von den Ergebnissen der Machbarkeitsstudie zur Verlegung aller Anlagen auf den Hungerberg ab. | Bild: Peter Rosa

Zu welchem Ergebnis kommt die Machbarkeitsstudie?

Auf mehr als 160 Seite und auf etlichen Karten haben die Mitarbeiter des Ingenieurbüros Lange aus Moers die Möglichkeiten einer Verlagerung der Gurtweiler und Tiengener Umspannwerke untersucht. Das komprimierte Ergebnis: Machbar, aber teuer und eher unwahrscheinlich. Für die Stadt Waldshut-Tiengen sei eine Verlagerung der Umspannwerke nicht machbar, „da die Stadt nicht Anstragstellerin beziehungsweise Vorhabenträgerin sein kann“. Antragsteller könne nur der jeweilige Netzbetreiber sein. Zudem kommt die Studie unter Bewertung der Aspekte technischer Belange, öffentlich-rechtlicher und privater Belange zum Schluss, dass die Verlagerung der Umspannanlagen Gurtweil und Tiengen „unter Würdigung aller zu bewertenden Kriterien und der aktuell verfügbaren Fakten als sehr unwahrscheinlich und höchst schwierig zu bewerten ist“.

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Was sagt der Gemeinderat zum Ergebnis der Machbarkeitsstudie?

Insbesondere die Stadträte aus Gurtweil, Natalie Rindt und Waldemar Werner, lobten das Ergebnis, das Gleich galt für Claudio Helling, Ortsvorsteher von Gurweil. Dem Lob schloss sich auch Harald Würtenberger, Fraktionssprecher der Freien Wähler an. Bei allem Charme den eine Verlagerung hätte, zeigte sich Petra Thyen, Fraktionsvorsitzende der Grünen, doch skeptisch, ob sie auch realisierbar sei.

Wie geht es jetzt weiter?

Vertreter der Stadtverwaltung und Wolfgang Kerstan vom Ingenieurbüro Lange haben den Netzbetreibern das Ergebnis der Studie im Rahmen einer Videokonferenz präsentiert. Laut Bürgermeister Joachim Baumert hätten die Netzbetreiber die Machbarkeitsstudie „mit Interesse“ aufgenommen und erklärt, dass sie eine Standortverlagerung auf Basis der Studie prüfen würden. Die Netzbetreiber, so Baumert, hätten eine zeitnahe Antwort, ob eine Verlagerungsabsicht besteht, in Aussicht gestellt. Im Idealfall so zeitnah, dass der sich der Gemeinderat in seiner Sitzung am 18. Mai oder am 22. Juni wieder mit dem Thema befassen kann.

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