Die persönliche Amtszeit-Bilanz von Oberbürgermeister Philipp Frank fiel im Interview mit unserer Zeitung durchaus zufrieden aus. Gemessen an den durchweg schwierigen Rahmenbedingungen, so seine Botschaft, habe die Verwaltung das Bestmögliche erreicht, eine Reihe wichtiger und wegweisender Projekte um gesetzt. Aber wie sehen das die Gemeinderäte?
CDU: „Stadtentwicklung im Mittelpunkt“

Ein klares Urteil bleibt die CDU-Fraktion schuldig. Fraktionssprecher Philipp Studinger spricht aber von nicht einfachen Rahmenbedingungen, die schon von Beginn an in Form des Ringens um die Zukunft des Spitals Waldshut und dem Sanierungsbedarf der Freibäder Philipp Franks Amtszeit prägten.
Trotz allem sei es gelungen eine Vielzahl drängender Themen in Waldshut-Tiengen anzugehen. Schulsanierungen und den schrittweisen Ausbau der Kinderbetreuung, nennt Studinger als Kernthemen. Ein Fokus habe aber auch auf der Stadt- und Ortsteilentwicklung gelegen, der die Entscheidungsträger intensiv beschäftigt habe und dies auch weiter tue – vom Klettgau-Carré über die Innenstadtsanierung in Waldshut und Tiengen bis zum Umspannwerk Gurtweil, der Ausweisung von Bauplätzen und Sanierungsprojekten in den anderen Ortsteilen ständen eine Menge Themen im Raum.
Und: „Mit unserem Antrag zur Schaffung einer Mobilitätsplattform hatten wir auch deutlich gemacht, dass wir nicht nur den Handlungsbedarf zur Verbesserung der Verkehrssituation sehen, sondern auch konstruktiv Lösungen erarbeiten wollen“, betont Studinger.
Überhaupt sei jedem der politisch Verantwortlichen in der Stadt an deren Weiterentwicklung gelegen. „Diskussionen darüber sind elementar.“ Diese seien trotz unterschiedlicher Ansichten „mehrheitlich sachlich und ergebnisorientiert“ geführt worden, konstatiert Studinger.
OB und Gemeinderat hätten sich dabei natürlich immer wieder zusammenraufen und finden müssen – zunächst nach dem OB-Wechsel 2015, dann erneut nach der Kommunalwahl 2019, als zwei Drittel der Gemeinderäte neu ins Gremium gewählt wurden, sagt Studinger.
Freie Wähler: „Licht, aber auch viel Schatten“

Durchwachsen fällt die Amtszeit-Bilanz für OB Frank aus Sicht der Freien Wähler aus. Positiv seien die Fortschritte im Bereich Schulsanierungen und Kinderbetreuung zu sehen, sagt FW-Fraktionssprecher Harald Würtenberger. In diesem Bereich gebe es aber auch weiterhin viel zu tun.
Weiterhin gönne sich die Stadt allerdings den „Luxus“ von drei Bädern. Abgesehen davon erweise sich Franks ‚sogenanntes Leuchtturmprojekt‘, die Feuerwehr-Kita als finanzielles Abenteuer: „Ein Projekt, das von geplanten 7,9 Millionen auf nun 12,5 Millionen Kosten steigt und somit die teuersten Kindergartenplätze Deutschlands vorhält“, sagt Würtenberger.
Und kaum abzuschätzen seien die Verluste von „Schlagkraft und Wissen“ infolge der „nie dagewesenen Personalfluktuation“ im Rathaus. Derweil seien manche Chancen einfach „verschlafen“ worden, etwa der Bau eines Schnellradwegs zwischen Waldshut und Tiengen. Dass „wir es geschafft die Verwaltung dazu zu verpflichten, dass wir schon 2035 die CO2-Bilanz ausgleichen wollen“, wertet Würtenberger als Erfolg seiner Fraktion.
Nicht gut kommt derweil in der Beurteilung der Freien Wähler das Verhältnis zwischen OB und Gemeinderat weg: „Das anfänglich offene Verhältnis zum Gemeinderat hat sich in ein eher frostiges Klima gedreht. Eine Kommunikation zwischen OB und seinen Stellvertretern findet nicht statt, er hat sie vor Jahren schon eingestellt“, so Würtenberger.
Dies alles könnten sich die Freien Wähler nur im Zusammenhang mit „mehreren Schlichtungsversuchen zwischen OB und dem ersten Beigeordneten“ erklären, die immer wieder vor dem Gemeinderat stattgefunden hätten, so Würtenberger.
Grüne: „Grüne Themen kaum berücksichtigt“

Nach Einschätzung der Grünen-Fraktion tue die Stadt nach wie vor deutlich zu wenig für den Klimaschutz: „Es sind viele wichtige Jahre in der Amtsperiode des derzeitigen Oberbürgermeisters verstrichen, ohne deutliche Änderungen zu bewirken.“ Es mangle noch immer an Photovoltaikanlagen auf städtischen Gebäuden oder Begrünungskonzepten in den beiden Innenstädten, bilanziert Fraktionssprecherin Petra Thyen.
Das Ziel, bis zum Jahr 2040 CO2-neutral werden zu wollen, sei zwar formuliert. Das müsse aber auch mit Leben gefüllt werden, fordert sie: „Ein Oberbürgermeister sollte sich hier mit viel eigenem Engagement und Ideenreichtum dafür einsetzen, unsere Stadt voranzubringen.“ Lippenbekenntnisse und einmalige Aktionen genügten nicht.
Zu wenig bewegt habe sich aus Sicht der Grünen auch mit Blick auf die Mobilitätswende. Statt sich mit dem Ausbau von Radinfrastruktur und ÖPNV zu befassen, werde Jahre lang über Parkhaus-Bauvorhaben diskutiert. Um die Verkehrssituation zu verbessern und das das selbst gesteckte Klimaziel zu erreichen, brauche es „mutiges Handeln an der Spitze, und das schnell und unbürokratisch.“
„Sträflich vernachlässigt“ worden sei auch der soziale Wohnungsbau in Verbindung mit Konzepten zur Integration von Menschen mit kleinem Geldbeutel oder für generationsübergreifende Wohnformen.
Die Zusammenarbeit zwischen dem Gemeinderat und dem Oberbürgermeister in den letzten sieben Jahren „war getragen vom Ringen um Inhalte und Umsetzungen der Verwaltung von beschlossenen Anträgen.“ Dabei habe die Personalmangel „leider immer wieder“ dafür herhalten müssen, um wichtige Infrastrukturbereiche zurückgestellt, so Thyen.
„Allerdings wird von uns auch gesehen, dass einige Projekte verwirklicht und Lösungen gefunden wurden“, erklärt sie weiter. Das gelte für die Kornhaussanierung, den Bau der Feuerwehr-Kita, die Sanierung der Kolpingbrücke und der Ausstieg aus der Spitäler Hochrhein GmbH.
SPD: „Zu großer Fokus auf den Kostenaspekt“

Große Einsatzbereitschaft attestiert die SPD-Fraktion dem Oberbürgermeister. Laut Claudia Hecht wolle er sich „in allen wichtigen Bereichen einbringen“ – auch gegen Widerstände. Aber: „Vielleicht kam es dadurch zu Kündigungen in den Bauämtern, da unterschiedliche Anordnungen an die Mitarbeitenden gegeben wurden.“
Auch mangle es an langfristigen Visionen: „Vorhaben wurden eher unter dem Kostenaspekt betrachtet“, so der Eindruck der SPD.
Als Top drei der wichtigsten Thema der bisherigen Amtszeit des OBs nennt Hecht den Ausstieg aus der Spital-Gesellschaft, weil dadurch massive finanzielle Belastungen für die Stadt beseitigt worden seien. Ebenso die Sanierung wichtiger Begegnungsstätten in der Stadt von Stadthalle, über die drei Bäder und das Kornhaus mit neuer Bibliothek. Und natürlich der Ausbau der Kinderbetreuung, markanter Weise in Form der Feuerwehr-Kita.
Das Verhältnis zwischen OB und dem Gemeinderat bezeichnet Hecht derweil als „nicht immer reibungslos.“ Das habe mit der zugespitzten Personalsituation in den Bauämtern zu tun, die sich in diesen Jahren entwickelt habe. „Dadurch müssen wichtige Vorhaben, zum Beispiel in der Stadtentwicklung, geschoben werden“, so Hecht.
Überhaupt habe sich die Arbeit im Gemeinderat seit der Kommunalwahl deutlich verändert, da sehr viele neu Gewählte im Gremium sind. „Dadurch wird häufiger und intensiver nachgefragt.“ Allerdings habe sich auch der Vorteil ergeben dass das Gremium bunter geworden sei, und so deutlich mehr unterschiedliche Sichtweisen eingebracht würden.
FDP: „Erste Jahre waren kein Erfolg“
Im Gespräch mit unserer Zeitung verweist FDP-Fraktionssprecher Harald Ebi auf seine Kritik im Rahmen seiner Haushaltsrede. Damals hatte Ebi erklärt: „Die ersten Jahre Ihrer Amtszeit waren nicht von Erfolg gekrönt.“
Vielmehr seien es sieben herausfordernde Jahre gewesen, in der es viele Probleme zu bewältigen und Klippen zu umschiffen gegeben habe. Dies machte Ebi an einer Reihe von Aspekten fest: „Mediationen mit zwei Baubürgermeistern, erschreckende Fluktuation im Bauamt, Thema Freibad Waldshut, haarsträubender GPA-Bericht“, seien einige der Probleme, für die Frank als Oberhaupt der Stadt verantwortlich sei, so Ebi.
Immerhin hätten auch einige prominente Projekte realisiert werden können. Die Kornhaussanierung ist inzwischen abgeschlossen. Die Feuerwehr-Kita befindet sich auf einem guten Weg. Im Schulbereich konnte vieles bewegt werden. Geblieben seien derweil die notorischen Verkehrsprobleme, bei der für die Stadt großer Handlungsbedarf bestehe, führte Ebi weiter aus.
Aber welche Konsequenzen ziehen die Fraktionen mit Blick auf die OB-Wahl, die voraussichtlich im Sommer ansteht? Unterstützen Sie den Amtsinhaber oder suchen sie eigene Kandidaten? Wir berichten noch darüber.
Alles rund um die OB-Wahl
Am 23. Juli 2023 wählt Waldshut-Tiengen einen Oberbürgermeister. Wir halten Sie während des Wahlkamps bis zur Wahl auf dem Laufenden. In unserem Überblicksartikel erfahren Sie alles Wissenswerte und alle aktuellen Entwicklungen rund um die OB-Wahl: