Für 49 Euro mit Bus und Bahn quer durch Deutschland reisen. Das Angebot ist unschlagbar. Seit dem 1. Mai 2023 gibt es das sogenannte Deutschlandticket. Viele Reisende, vor allem Schüler und Berufspendler, nutzen das Angebot. Letztere zu einem noch günstigeren Preis.

Wie fällt die Bilanz nach einem Jahr aus? Wie nutzen vor allem die Menschen im Landkreis Waldshut das Deutschlandticket? Wie viele Menschen sind tatsächlich vom Auto auf die öffentlichen Verkehrsmittel umgestiegen? Darüber hat der SÜDKURIER mit Geschäftsführer Lothar Probst und Geschäftsstellenleiter Sebastian Nieselt vom Waldshuter Tarifverbund (WTV) gesprochen.

Ein Jahr später sprechen Geschäftsstellenleiter Sebastian Nieselt (links) und Geschäftsführer Lothar Probst vom WTV durchaus von einer ...
Ein Jahr später sprechen Geschäftsstellenleiter Sebastian Nieselt (links) und Geschäftsführer Lothar Probst vom WTV durchaus von einer Erfolgsgeschichte. | Bild: Michael Neubert

Präzise Zahlen gibt es noch nicht

Wie viele Menschen im Landkreis Waldshut tatsächlich das Deutschlandticket gekauft haben, ließe sich nicht präzise sagen, schickt Probst schon mal voraus: „Wir können zum jetzigen Zeitpunkt keine konkreten Aussagen zu den verkauften Tickets in unserem Verbund treffen. Weil wir das Ticket nicht alleine vertreiben.“ Damit weist er darauf hin, dass das Ticket auch über die Navigator-App der Deutschen Bahn (DB) gebucht werden kann.

Sprich: Wer zum Beispiel in Waldshut lebt und das Deutschlandticket über die DB abonniert hat, taucht in der Statistik beim WTV erst einmal nicht auf. Noch nicht. Probst: „Es muss eine Zuteilung geben.“ Die könne über die Postleitzahlen und in absehbarer Zeit auch erfolgen.

Es geht dabei schließlich um die Aufteilung der Einnahmen und den Ausgleich des Defizits, das der WTV und die Verkehrsunternehmen mit dem günstigen Deutschlandticket haben. Diese Gelder richten sich nach den im Tarifverbund wohnenden Kunden.

Probst zufolge benötige der WTV für 2024 einen Defizitausgleich von zwei Millionen Euro, die er an die Verkehrsunternehmen weitergebe.

Lassen sich trotzdem Aussagen treffen?

„Ein paar vorsichtige Aussagen zum Ticketverkauf im Bereich des Tarifverbunds können wir treffen“, sagt Probst. Pauschal gesagt, habe es eine Verlagerung von den Einzelfahrscheinen und Monatskarten hin zum Deutschlandticket gegeben. „Ich glaube auch, dass wir ein paar Fahrgäste gewonnen haben.“ Allerdings habe er erwartet, dass noch mehr Menschen einsteigen und das Angebot nutzen.

Wie ist die Entwicklung bei den Schülern?

Vor allem Schüler nutzten das Angebot des Deutschlandtickets Jugend BW zum Preis von monatlich 30,42 Euro, das es seit 14 Monaten als Nachfolgemodell des Jugendtickets BW gibt. Probst: „Hier haben wir einen Kundengewinn, vor allem bei den Azubis.“ Sebastian Nieselt ergänzt: „Für unsere Abo-Kunden haben wir immer den günstigsten Weg gesucht und proaktiv umgestellt.“ Unterm Strich nutzten vier Prozent mehr Schüler Zeitkarten, jetzt das Deutschlandticket.

Wie sieht es bei den Erwachsenen aus?

Ebenso bei den Erwachsenen. Nieselt: „Alle, die profitieren, haben wir automatisch umgestellt – bis auf wenige Kategorien wie bei den übertragbaren Karten.“ Probst zeigt sich indes dankbar, dass die meisten Abo-Kunden beim WTV geblieben sind. Das sichere die Liquidität des Tarifverbunds und der Verkehrsunternehmen.

Wie viele Abonnenten sind umgestiegen?

In Zahlen: Bei den meisten der 12.000 Schüler und 3000 Erwachsenen ist das Abo auf das Deutschlandticket umgestellt worden. Nur wenige nutzten noch Abo-Tickets wie das Goldticket oder das grenzüberschreitende Hochrheinticket.

Welches Zusatzangebot gibt es für Arbeitnehmer?

Beliebt ist das Jobticket für Berufspendler. Dies gibt es sogar für 46,55 Euro. Und die Arbeitgeber, die sich am Jobticket beteiligen, würden sogar noch mindestens 12,25 Uhr zuschießen. Arbeitnehmer reisen also für 34,30 Euro mit dem Deutschlandticket.

Wie entwickelt sich der Absatz des übrigen Tarifsortiments?

Das restliche Tarifsortiment habe natürlich an Bedeutung verloren, gesteht Probst. „Sie ist deutlich gesunken, diese Tickets werden auch weniger nachgefragt. Was eigentlich auch zu erwarten war.“ Umso mehr zeigen sich Probst und Nieselt überrascht davon, dass weiterhin Einzelfahrscheine gelöst würden. „Das sind eher die Gelegenheitsfahrer.“

Wie viele Einzelfahrscheine werden noch gelöst?

2023 wurden laut Aussage der beiden 651.000 Einzelfahrscheine gelöst. Im Vergleich zu 2019, als es noch 785.000 waren, seien es immer noch 82 Prozent. 2019 habe der WTV die höchsten Fahrgastzahlen überhaupt in seiner Geschichte registriert.

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Was sagen Bus- und Bahnreisende zum Deutschlandticket?

Die Resonanz sei aus Kundensicht durchweg positiv. Mit einem Augenzwinkern sagt Probst: „Wir machen es unseren Kunden auch einfach.“ Dafür habe der WTV einen enormen Aufwand gestemmt.

Bei den Verkehrsunternehmen sei kein Preisnachteil entstanden, sagt Nieselt. Und Probst ergänzt: „Die sehen es auch positiv.“ Wenn die Defizite von Bund und Land ausgeglichen würden, gebe es keine Probleme.

Zahlen und Fakten zum 49-Euro-Ticket für Deutschland:

Wie steht es um die Zukunft des Deutschlandtickets?

Aber bei den beiden legen sich Falten auf die Stirn: „Bund und Länder sind gefordert, um die dauerhafte Sicherung zu gewährleisten.“ Die drei Milliarden Euro (je 1,5 Millionen von Bund und Länder) reichten künftig in Summe nicht. Die Prognose für 2024 liege bei vier Milliarden Euro. Es sei damit zu rechnen, dass der Preis fürs Deutschlandticket 2025 steige. Probst: „Es ist zwingend und dringend erforderlich, dass die Verkehrsverbünde Sicherheit in Bezug aufs Deutschlandticket bekommen.“

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Probst und Nieselt lassen keinen Zweifel aufkommen, dass sie die Fortführung des Modells wünschen: „Es ist ein gutes Angebot. Es stützt und fördert den ÖPNV.“ Das Aber folgt gleich: „Wir wünschen uns im ländlichen Raum eine Ausgewogenheit zwischen Tarif und Bahn- und Busangebot.“