Die Nagra (Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle) hat sich auf Nördlich Lägern als geeignetsten Standort für ein Atommüllendlager festgelegt, wenige Kilometer von Hohentengen. Was bedeutet die Standortwahl für die Gemeinde? Vier Bürger nehmen Stellung

Richard Wagner (58), Kaufmann, Gemeinderat, Vorstandsmitglied der Regionalkonferenz Nördlich Lägern

Für Richard Wagner bedeutet die Wahl des Standortes zusätzliche Belastungen für die Gemeinde. „Vor allem in der Bauphase, sowohl beim Abtransport des Aushubs, der mit der Bahn erfolgen soll, als auch beim späteren Transport der Brennstäbe von Würenlingen zum Tiefenlager, der wahrscheinlich über Weiach laufen wird“, erklärt der Gemeinderat.

Richard Wagner (58), Kaufmann, Gemeinderat, Vorstandsmitglied der Regionalkonferenz Nördlich Lägern.
Richard Wagner (58), Kaufmann, Gemeinderat, Vorstandsmitglied der Regionalkonferenz Nördlich Lägern. | Bild: Sabine Gems-Thoma

Zudem werde Hohentengen dann zu einem Gebiet mit erhöhten Risiken. Was laut Wagner zudem zu bedenken sei: „Wir befinden uns in einer Einflugschneise. Ein Flugzeugabsturz in die Oberflächenanlage liegt im Bereich des Möglichen und wird voraussichtlich erhebliche Radioaktivität freisetzen.“

Des Weiteren müsse davon ausgegangen werden, dass es starke Auswirkungen auf den wichtigen Bereich Tourismus haben werde, so das Vorstandsmitglied der Regionalkonferenz Nördlich Lägern. Denn: „Wer will schon Urlaub machen in der Nähe eines Atommüllendlagers?“

Sibylle Sträsler (53), Hotelfachfrau, Vorsitzende Narrrenzunft Hohentengen

„Ich finde die Standortwahl sehr schade. Das schreckt sicher manchen ab, der hier vielleicht bauen und sich niederlassen wollte“, vermutet Sibylle Sträsler. Für den Tourismus befürchte sie ähnliche Auswirkungen.

Sibylle Sträsler (53), Hotelfachfrau, Vorsitzende Narrrenzunft Hohentengen.
Sibylle Sträsler (53), Hotelfachfrau, Vorsitzende Narrrenzunft Hohentengen. | Bild: Sabine Gems-Thoma

„Als Erholungsort Hohentengen werden wir weniger attraktiv werden“, so die Vorsitzende der Narrenzunft Hohentengen. Was sie nachdenklich macht: „Der Standort wurde zunächst abgelehnt. Warum es jetzt der allerbeste Platz sein soll, erschließt sich mir nicht. Und wer das warum so entschieden hat, weiß man nicht.“

Natürlich habe man sich mit dem Thema beschäftigt, beschreibt Sträsler, aber da Nördlich Lägern zurückgestellt wurde, sei es in den Hintergrund gerückt. „Der jetzige Entscheid war sehr überraschend und macht betroffen“, sagt die 53-Jährige abschließend.

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Bernd Feser (60), selbstständiger Drucker, Vorsitzender KunstStoffEnsemble

„Die Standortwahl ist extrem schlecht für uns“, sagt auch Bernd Feser. Ihm sei „unbegreiflich“, wieso der Standort hier am geeignetsten sein soll. „

Bernd Feser (60), selbstständiger Drucker, Vorsitzender Kunst Stoff Ensemble.
Bernd Feser (60), selbstständiger Drucker, Vorsitzender Kunst Stoff Ensemble. | Bild: Sabine Gems-Thoma

Wir haben den Flughafen mit seiner Einflugschneise, das Erdbebenpotential im Raum Basel. Am Tag der Bekanntgabe des Entscheids kam die Meldung eines mittleren Bebens in der Region Lörrach. Wir reden von Zeiträumen von hunderttausenden von Jahren, da kann viel passieren“, gibt er zu bedenken.

Vergraben und vergessen, sei für ihn nicht die richtige Entscheidung. Zu erwarten sei, dass die Immobilienpreise sinken. „Wir sind schon durch den Flugverkehr belastet, und jetzt kommt noch ein Endlager dazu. Möglicherweise rückt dadurch auch ein deutsches Endlager in der Region näher“, befürchtet der 60-Jährige.

Ruth Michel Richter (71), Journalistin

Für Ruth Michel Richter stellen sich nach der Standort-Entscheidung viele Fragen: „Kommt das Endlager tatsächlich an die jetzt bestimmte Position? Wie wirkt sich das auf die Trinkwasserreserven aus? Sind auch für die deutsche Seite Entschädigungen für die Belastungen vorgesehen?“ Die Attraktivität der Gemeinde werde sicherlich sinken, damit die Preise für Liegenschaften, vermutet die 71-Jährige.

Ruth Michel Richter (71), Journalistin.
Ruth Michel Richter (71), Journalistin. | Bild: Sabine Gems-Thoma

„Man kann sich auch fragen, wie weit wird die noch sehr natürliche Rheinlandschaft durch die jahrzehntelange Bautätigkeit beeinträchtigt. Und wie sieht es mit der Sicherheit aus, sollte etwas passieren?“, so die Journalistin.

Sie führt weiter aus: Die Transporte führen direkt durch das Rheintal, unter der Haupteinflugschneise. „Das Unbehagen auf der deutschen Seite steigt. Man ist schon so mit Atomkraftanlagen an der Grenze und dem Fluglärm belastet. Und jetzt soll noch ein Endlager kommen. Irgendwann ist es genug“, findet Richter.

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