Wird der hochradioaktive Abfall aus allen Schweizer Atomkraftwerken künftig in Leibstadt oder in Gösgen verladen und dort für die Einlagerung in das geplante Tiefenlager umverpackt? Geht es nach dem Landkreis Waldshut, dann lautet die Antwort Nein. Dies machte der Waldshuter Landrat Martin Kistler an diesem Montag (29. Juli 2019) deutlich. Er warnt insbesondere vor einer möglichen Belastung des Rheins als Trinkwasserreservoir. Martin Kistler: „Wir sind bereit, Lasten mitzutragen, haben aber Interesse an einer größtmöglichen Sicherheit.“

Landrat sieht Provokation

Im Beisein von Oberbürgermeister Philipp Frank (Waldshut-Tiengen) und den Bürgermeistern Marion Frei (Dettighofen), Ira Sattler (Jestetten), Jürgen Link (Lottstetten), Martin Benz (Hohentengen), Fabian Prause (Dogern), Stefan Kaiser (Albbruck), Ulrich Krieger (Laufenburg) und Alexander Guhl (Bad Säckingen) sagte Landrat Kistler: „Falls die Nagra eine zentrale Verpackungsanlage am Standort des Kernkraftwerks Leibstadt vorschlagen sollte, sähen wir darin eine bewusste Provokation, die die Mitarbeit unserer Kommunen im weiteren Sachplanverfahren schwer belasten dürfte.“ Die Nagra (Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle) sucht in der Schweiz nach einem geeigneten Standort für ein Atommüll-Endlager.

Nicht direkt am Rhein

Aus Sicht des Waldshuter Landrats Martin Kistler gibt es „keine Rechtfertigung für eine Verpackungsanlage in unmittelbarer Rheinnähe“. Deshalb spricht er sich ausdrücklich gegen die Überlegung aus, eine solche Anlage auf dem Kernkraftwerk in Leibstadt zu realisieren und gleichzeitig auch gegen eine Verpackungsanlage in Weiach (gegenüber Hohentengen). Bereits in ihren Stellungnahmen zu Etappe 2 (Ende 2018) hatten sich Landkreis und Gemeinden „dezidiert gegen die Errichtung einer Oberflächeninfrastruktur über dem mächtigen Grundwasserstrom des Hochrheins in unmittelbarer Grenznähe ausgesprochen“.

Hohes Risiko, unnötige Gefahren

Die Risiken bei der Verpackung ausgedienter Brennstäbe sei hoch und sollte deshalb abseits des Rheins erfolgen. Das Risiko, dass in einer heißen Zelle (Verpackung) „Emissionen freigesetzt werden, ist groß“. Eine dezentrale Verpackung von Atommüll, so Landrat Kistler, sei eine „unnötige Risikoerhöhung“. Zu den Leibstadt-Plänen sagte Kistler weiter: „Es ist fahrlässig, wenn man es an einem Ort tut, wo sofort Schäden für Mensch und Natur eintreten könnten.“ Gemeint ist damit die Verseuchung von Trinkwasser. Deshalb müsse alles getan werden, so Kistler, „um der Hochrhein-Region nicht unnötige Gefahren aufzubürden“.

Unterstützung aus Berlin

Die Lauchringer SPD-Bundestagsabgeordnete und Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium schreibt in einer Pressemitteilung: „Aus Sicht des Bundesumweltministeriums wäre ein grenznaher Standort nur dann akzeptabel, wenn dieser aus nachvollziehbaren sicherheitstechnischen Gründen zwingend erforderlich wäre. Nach derzeitigem Kenntnisstand sind keine Gründe ersichtlich, die eine grenznahe Platzierung erforderlich machen könnten.“

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Im Mai 2019 war bekannt geworden, dass die Schweiz möglicherweise von den bis dato geltenden Überlegungen Abstand nehmen könnte, abgebrannte Brennstäbe von fünf Schweizer Atomkraftwerken (Leibstadt, Beznau I und II, Gösgen und Mühleberg) in den geplanten „Oberflächenanlagen“ verpacken zu lassen. Diese, nicht nur von Atomkraftgegnern als Atomfabriken bezeichneten Oberflächenanlagen sind in unmittelbarer Nachbarschaft zu einem späteren Endlager für Atommüll geplant.

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In der sogenannten heißen Zelle (Oberflächenanlagen) soll die in Transport- und Lagerbehältern (Castor-Behälter) angelieferten Brennelemente in kleinere Endlagerbehälter umverpackt werden. Aus Expertensicht eine der heikelsten Phasen in der Endlagerung.

Heiße Zelle in Leibstadt

Inzwischen haben die Betreiber der Kernkraftwerke Leibstadt (in unmittelbarer Nachbarschaft zu den deutschen Gemeinden Waldshut und Dogern) und Gösgen (Kanton Solothurn) Machbarkeitsstudien in Auftrag gegeben, ob eine Verpackungsanlage auch an ihren Kernkraftwerks-Standorten realisiert werden könnte, so Landrat Martin Kistler. Am Standort des Atommeilers in Gösgen befindet sich heute bereits ein Nasslager für Brennelemente (Zwischenlager).

Ergebnisse im Herbst 2019

Die Ergebnisse der Studien sollen, so Landrat Martin Kistler vor Medienvertretern aus Deutschland und der Schweiz, im Herbst 2019 vorliegen. Anhand dieser Studien wolle die Nagra (Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle) dann entscheiden, ob sie weitere Standorte für eine zentrale Verpackungsanlage vorschlagen werde.