Herr Würtenberger, spätestens seit der Haushaltsrede von Jörg Holzbach ist klar, dass das Tuch zwischen der Freien-Wähler-Fraktion im Gemeinderat von Waldshut-Tiengen und Oberbürgermeister Philipp Frank durchschnitten ist. Worin begründet sich die Kritik der Freien Wähler am OB?
Der ganze Trubel um die Haushaltsrede ist überhaupt nicht zu verstehen! Wenn nicht zu diesem Anlass, wann soll denn dann einmal über die Lage der Stadt, Versäumnisse und Unzulänglichkeiten Resümee gezogen werden? Die Presse bot der Rede von Jörg Holzbach eine große Plattform mit Artikel und Kommentar, kurz darauf wurde auch noch der Leserbrief eines ehemaligen Stadtrates abgedruckt.
Finden Sie die Kritik an Form und Ton der Haushaltsrede, die Jörg Holzbach für die Freien Wähler gehalten hat, für berechtigt?
Jörg Holzbach und ich haben die Rede selbstverständlich gemeinsam abgestimmt. Weder die Form noch der Ton waren in irgendeiner Form despektierlich oder gar persönlich. Es wurde lediglich auf die Rede zur Einführung des Haushaltes von OB Frank eingegangen und der dort gemachte Rückblick gespiegelt. Wir haben aus den Reihen der anderen Fraktionen übrigens keinerlei Kritik zur Rede erhalten! Im Gegenteil, aus der Bürgerschaft und sogar von ehemaligen Stadträtinnen und Stadträten anderer Parteien erreichte uns Lob.
Sehen Sie noch eine Möglichkeit, das Verhältnis wieder zu verbessern?
Wir machen Sachpolitik zum Wohle der Stadt und ihrer Bürger. Wenn dies in der Chefetage der Stadtverwaltung nicht so ankommt und Kritik in der Sache persönlich genommen wird, ist das nicht in erster Linie unser Problem. Wir sind nicht diejenigen, die Entscheidungen davon abhängig machen, ob uns die Nase des anderen gefällt oder nicht. Ein bisschen mehr Wertschätzung für viele sachorientierte Vorschläge wäre meiner Meinung eine Handreichung, die wir nicht abschlagen würden.
Das Ziel der Freien Wähler scheint klar: die Ablösung des amtierenden OB. In der Hauptversammlung der Freien Wähler haben Sie angekündigt, im Herbst 2023 mit einem eigenen Kandidaten in die OB-Wahl gehen zu wollen? Bleibt es dabei und wenn ja, warum?
Selbstverständlich ist es unser Ziel, mit einem eigenen Kandidaten in die OB-Wahl zu gehen, am besten abgestimmt mit einer oder zwei weiteren Fraktionen. Ziel muss es auch sein, dem Souverän eine Wahlmöglichkeit zu verschaffen. Der Wähler bestimmt dann seinen nächsten OB, nicht die Fraktion der Freien Wähler! Eine Wahl ist nur eine Wahl, wenn es mindestens zwei oder drei zumindest gleichwertige Kandidatinnen oder Kandidaten gibt. Darauf arbeiten wir hin.
Was würde, oder besser gesagt müsste ein neuer OB besser machen, als der Amtsinhaber?
Er müsste weniger auf sein persönliches Image bedacht sein, ein Leitbild für die Zukunft der Stadt haben, mehr Wertschätzung für sein Umfeld mitbringen, Führungserfahrung mitbringen und teamfähig sein.
Wie beurteilen Sie das Verhältnis Ihrer Fraktion zu den anderen Fraktionen im Gemeinderat?
Ich denke das Verhältnis meiner Fraktion zu den anderen Fraktionen im Gemeinderat ist gut. Auf Arbeitsebene gibt es immer wieder Austausch, auch außerhalb der Sitzungen. Dass man nicht immer einer Meinung ist, liegt in der Natur der Sache, wir sind aber Demokraten und akzeptieren jede andere Meinung und stehen hinter einmal gefällten Mehrheitsentscheidungen. Auch unter den Fraktionsvorsitzenden herrscht ein gutes Arbeitsklima, ich muss ja nicht privat befreundet sein, um gut miteinander auszukommen. Ich sage immer: Um die Sache darf gestritten werden, es darf aber nie persönlich werden.
Können Sie sich vorstellen, dass andere Fraktionen/Parteien einen Freie-Wähler-OB-Kandidaten unterstützen?
Ich bin mir sicher, dass eine gute Kandidatin oder ein guter Kandidat auch von anderen Fraktionen Unterstützung findet, sie/er muss ja nicht obligatorisch Mitglied der Freien Wähler sein. Vorstellbar ist es auch, dass wir einen Kandidaten einer anderen Fraktion unterstützen. Hier wird im Hintergrund noch einiges geschehen und noch viele Gespräche geführt werden. Letzten Endes müssen die Bürgerinnen und Bürger eine echte Wahl haben, dann wird sich zeigen, ob unsere Kritik berechtigt war.