Die Gemeinderatssitzung vom Februar 2021 schlägt im Nachgang hohe Wellen – bis nach Freiburg. Dort lebt der frühere Waldshut-Tiengener Hochbauamtsleiter Lorenz Wehrle, der die Stadtverwaltung der Doppelstadt zum 31. März 2020 verlassen hatte und nun als Dezernent für Planen, Bauen und Umwelt in Bad Krozingen tätig ist.

Nach der Berichterstattung dieser Zeitung über Arbeitsvergaben und die Kostenentwicklung für das in Waldshut geplante Feuerwehrgerätehaus mit Kindertagesstätte fühlt sich der Architekt von der Verwaltungsspitze verunglimpft. Seinen Unmut über in dem Artikel wiedergegebene Aussagen aus dem Gremium und Formulierungen aus der Sitzungsvorlage macht Wehrle in einem achtseitigen Brief an die Fraktionsvorsitzenden Luft. #

Das könnte Sie auch interessieren

In dem Schreiben, das der Redaktion vorliegt, heißt es: „Im Zeitalter von Google kann man solche verleumderischen, öffentlichen Aussagen des ehemaligen Arbeitgebers gegen die eigene Person und die eigene Arbeit nicht einfach hinnehmen oder auf sich beruhen lassen.“

Darum geht es konkret

Lorenz Wehrle bezieht unter anderem in drei Punkten Stellung. Zum einen geht es um die beiden Küchenausstattungen für die Feuerwehr und den Kindergarten. Laut Sitzungsvorlage soll Wehrle als Hochbauamtsleiter die Kosten dafür in den Kalkulationen nicht berücksichtigt haben. Wörtlich heißt es in dem Papier der Verwaltung: „Gründe für diese Vorgehensweise sind uns nicht bekannt.“ Dem widerspricht Wehrle: „Dies ist falsch.“

„Im Zeitalter von Google kann man solche verleumderischen, öffentlichen Aussagen nicht auf sich beruhen lassen.“
Lorenz Wehrle, frühere Hochbauamtsleiter in Waldshut-Tiengen
Lorenz Wehrle
Lorenz Wehrle | Bild: Schlichter, Juliane

In einer Kostenschätzung, die dem Gemeinderat laut Wehrle im Dezember 2018 in nicht öffentlicher Sitzung präsentiert wurde, habe unter dem Punkt Ausstattung, zu der unter anderem die Küchen und die Umkleiden der Feuerwehr gehören, explizit „kein Ansatz“ gestanden“. „Die Küchen wurden nicht vergessen“, betont Wehrle im Gespräch mit dieser Zeitung.

Das könnte Sie auch interessieren

Der frühere Amtsleiter erklärt in seiner Stellungnahme auch, wie es zu dem Eintrag „kein Ansatz“ gekommen sei. Und zwar habe Oberbürgermeister Philipp Frank im Dezember 2018, nachdem die Kostenschätzung mit dem Ansatz in Höhe von 300.000 Euro für die Ausstattung die Summe von acht Millionen Euro für das Gesamtprojekt überstieg, ihm gegenüber angeordnet, „dass aus politischen Gründen keinesfalls eine Acht vorne stehen dürfe und ich sie niedriger ansetzen müsse“, erinnert sich Wehrle an das Gespräch mit dem OB.

Das könnte Sie auch interessieren

Als er sich laut eigener Aussage gegen dieses Vorgehen zur Wehr setzte, habe man sich auf einen Kompromiss geeinigt und in der Kostenübersicht die betreffende Stelle mit „kein Ansatz“ kenntlich gemacht.

Das könnte Sie auch interessieren

Dass Lorenz Wehrle nun von Seiten der Stadtverwaltung unterstellt wird, er habe seinerzeit die Kosten für die Küche vergessen und sei dadurch unter anderem verantwortlich für einen Anstieg der Gesamtsumme, will er nicht auf sich sitzen lassen. Der Freiburger fragt sich außerdem, wieso bei der aktuellen Kostenberechnung für das Feuerwehrhaus, die der von der Stadtverwaltung beauftragte Controller Holger Hasse in der jüngsten Gemeinderatssitzung mit zehn Millionen Euro bezifferte, ein Puffer in Höhe von einer Million Euro eingebaut sei. In einer vom ihm aufgestellten Kalkulation, die er den Fraktionsvorsitzenden zukommen ließ und die der Redaktion vorliegt, kommt Wehrle auf eine Gesamtsumme von knapp unter neun Millionen Euro.

Das könnte Sie auch interessieren

Das sagt der Oberbürgermeister

„Nachdem mir die damalige Kostenentwicklung des Projekts vorgetragen worden war, habe ich den Auftrag erteilt, nach sinnvollen Einsparmöglichkeiten zu suchen – so, wie wir das bei allen Maßnahmen tun, die sich kostenmäßig davon entwickeln“, sagt Oberbürgermeister Philipp Frank. Und weiter: „Was die Irritation des ehemaligen Amtsleiters und sein Schreiben angeht, hätte ich mir gewünscht, dass er sich damit direkt an mich und seinen ehemaligen direkten Vorgesetzten, Bürgermeister Joachim Baumert, wendet, statt den Weg über Dritte – die Fraktionsvorsitzenden und die Presse – zu wählen. Das Schreiben liegt mir übrigens bis heute nicht offiziell vor.“

Das sagt Controller Holger Hasse

Auf Nachfrage erklärt Holger Hasse von Steybe Controlling in Kirchzarten, dass bei seinen Kostenberechnungen mitnichten ein Puffer in Höhe von einer Millionen Euro versteckt sei. Vielmehr lägen die tatsächlichen Kosten für das Feuerwehrhaus mit Kita bei aktuell knapp 9,7 Million Euro. Die vom ihm errechnete Zahl habe ihm das Architekturbüro BächleMeid am 23. Februar 2021 mit 9,69 Millionen bestätigt. Und Hasse betont, „dass wir uns anstrengen müssen, die zehn Millionen Euro zu halten“. Aktuell liege der Puffer bei 300.000 Euro. Hasse: „Diesen Restpuffer von drei Prozent auf eine Kostenprognose, die wir Anfang September 2020 erstellt haben, würde ich persönlich als nicht sehr üppig bezeichnen.“

Das sagen die Fraktionen

Die Redaktion hat alle fünf im Gemeinderat vertretenden Fraktionen um eine Stellungnahme zu den Vorwürfen des früheren Waldshut-Tiengener Hochbauamtsleiters gebeten. „Ich halte die Aussagen von Lorenz Wehrle für glaubhaft“, sagt der Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler, Harald Würtenberger, im Gespräch mit dieser Zeitung. Er bezeichnet den Umgang von Oberbürgermeister Philipp Frank mit Mitarbeitern der Verwaltung als dessen „Masche“. Würtenberger kritisiert: „Erst werden neue Leute über den grünen Klee gelobt, dann macht man sie mürbe, bis sie wieder gehen, und hinterher haut man auf sie drauf.“

Das könnte Sie auch interessieren

Als „schmerzlich“ bezeichnet Philipp Studinger, Fraktionsvorsitzender der CDU im Gemeinderat, in einer Stellungnahme die Kostensteigerungen der vergangenen zwei Jahre für das Feuerwehrgerätehaus mit Kindertagesstätte auf dem Dach. Er schreibt aber auch: „Wir müssen damit umgehen.“ Einsparpotentiale seien in den vergangenen Gemeinderatssitzungen durch die Verwaltung vorgeschlagen und auch vom Gemeinderat unterstützt worden. Die Fraktion der SPD, Grünen und FDP wollten sich auf Nachfrage dieser Zeitung nicht öffentlich zu Lorenz Wehrles Schreiben äußern.