Verena Wehrle, Kai Oldenburg, Horatio Gollin

Zum 23. Dezember ist in Baden-Württemberg eine neue Corona-Verordnung Einreise-Quarantäne in Kraft getreten. Darin wird geregelt, dass Einreisende aus der Schweiz und Frankreich sich in Quarantäne begeben müssen. Die Regelung gilt für Deutsche, Schweizer und Franzosen gleichermaßen und eine Befreiung von der Quarantänepflicht wird nur bei Grenzübertritten aus triftigem Grund gewährt. Solche Gründe sind etwa Arbeit, Ausbildung, medizinische Behandlungen und familiäre Besuche.

Verunsicherung bei Kunden und Händlern

Einkaufen oder touristische Ausflüge fallen nicht darunter. Die kurzfristig erlassene Verordnung löste Verunsicherung bei Metzgereien und deutschen Paketdiensten sowie bei ihren Schweizer Kunden aus, die für das Weihnachtsfest noch Geschenke erwarteten oder Bestellung für das Festessen gemacht hatten. Allerdings macht die Verordnung die Ausnahme, dass Ware und Lebensmittel, die vor dem 22. Dezember bestellt wurden, noch ohne Quarantänepflicht abgeholt werden dürfen.

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Dass die Schweizer Kunden doch noch ihre für die Feiertage bestellten Waren in den deutschen Geschäften abholen können, freut Martin Schmidt, Geschäftsführer der Schmidt's Märkte mit Sitz in Rickenbach. Der Handelsverband habe ihn gleich am Mittwochmorgen über diese Ausnahmeregelung informiert. Und seit dem Morgen übergeben die Mitarbeiter der Schmidts Märkte die bestellten Waren an die Kunden. Die meisten der Kunden seien am Dienstag schon gekommen, alle anderen am Mittwoch oder Donnerstag.

Ordnungsamt kontrolliert Einkäufer

Dass diese Ausnahme für bestellte Waren nun als Freifahrtschein für den Einkaufstourismus gesehen wird, sieht Schmidt nicht. Denn: Schon seit dem frühen Morgen kontrollieren laut Martin Schmidt zwei Mitarbeiter des Ordnungsamts auf dem Parkplatz des großen Marktes in Bad Säckingen die Kunden. Was der Kaufmann generell von den neuen Quarantäne-Regeln hält? Im Schnitt kommen 30 Prozent seiner Kunden aus der Schweiz. „Natürlich ist es schwierig, wenn die Schweizer Kundschaft fehlt, aber wir verstehen es und wollen zum allgemeinen Wohl beitragen“, sagt Martin Schmidt.

Schwer mache es allerdings die Kurzfristigkeit, so Schmidt. Denn in den Bad Säckinger Märkten sei auch von allen nicht bestellten Waren viel zu viel im Lager. Und so musste eine Menge an die anderen Standorte verteilt werden, sodass diese ihre Bestellungen ausgesetzt haben und die Ware aus Bad Säckingen nutzen. „Wir wollen ja nichts wegschmeißen.“

Erleichterung beim Handelsverband

Dass die Schweizer ihr bestelltes Weihnachtsessen abholen dürfen, freut auch Elisabeth Vogt, Vorsitzende des Handelsverbands von Pro Bad Säckingen. „Das finde ich sehr wichtig für unseren Handel. Wäre das nicht gegangen, wäre es ein wirtschaftliches Desaster gewesen“, sagt sie. Schließlich handle es sich bei bestellten Waren meist um hochwertigere Produkte, das sei dann ein herber Verlust. Schätzungsweise ein Drittel der Bad Säckinger Kunden kämen aus der Schweiz, die dann mit der neuen Quarantäneverordnung dem Handel fehlen werden.

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Frust und Verluste bei den Metzgern

Metzgermeister Wolfgang Ebner von der gleichnamigen Metzgerei aus Waldshut-Tiengen bezeichnet die aktuellen Entwicklungen schlicht und einfach als „katastrophal“. Kaum sei am Dienstag die Nachricht des faktischen Einreiseverbots für Schweizer nach Deutschland bekannt geworden, hätten viele Kunden von jenseits des Rheins ihre Vorbestellungen für die Weihnachtstage storniert. Ebner: „Für uns bedeutet dies große Verluste.“ Denn das Fleisch könne er so nicht eins-zu-eins weiterverkaufen. Wenn überhaupt, dann oft nur zu deutlich geringeren Preisen. Vereinzelt hätten Schweizer Kunden noch versucht, am Dienstagabend ihre Bestellungen abzuholen.

Bei den Metzgern im Kreis Waldshut bleibt in diesem Jahr ein Großteil der vorbestellten Ware in der Theke liegen.
Bei den Metzgern im Kreis Waldshut bleibt in diesem Jahr ein Großteil der vorbestellten Ware in der Theke liegen. | Bild: Völk, Melanie

Ganz ähnlich stellt sich die Situation bei seinem Kollegen Alexander Honegg von der Metzgerei Mühlhaupt in Waldshut dar. Er hat am Dienstagabend kurzerhand die Öffnungszeiten verlängert, um seinen Kunden doch noch die Möglichkeit zu geben, die bestellte Weihnachtsware abzuholen. „Einige haben dies auch in Anspruch genommen.“ Am Mittwoch hat er – oft vergeblich – versucht, jene Kunden zu erreichen, die tags zuvor telefonisch ihre Bestellungen storniert haben. Die kurzfristigen Entscheidungen von dieser Woche „kann ich nicht mehr nachvollziehen“, erklärt Alexander Honegg im Gespräch mit dieser Zeitung.

Andrang auf die Paketshops

Überrascht, dass die Verordnung so schnell in Kraft trat, war auch Maik Gregl vom Rheinfelder Paketshop PaketStopGo. Die Ausnahme war ihm zunächst nicht bekannt und deshalb wurden am 22. Dezember alle Schweizer Kunden abtelefoniert, dass sie kurzfristig noch ihre Sendung bis 20 Uhr abholen kommen. In der Folge war der Laden ein bisschen überrannt, manche Kunden kamen aber auch erst am Folgetag. Gregl erzählt, dass viele Kunden wütend über die Verordnung waren, manche sogar Tränen in den Augen hatten. „Natürlich muss man Corona ernst nehmen, aber durch dieses hin und her macht man die Leute doch psychisch krank“, kritisiert er die deutsche Politik.

Maik Gregl vom Paketshop PaketStopGo in Rheinfelden bei Annahme einer neuen Anlieferung. Am Dienstag gab es einen Ansturm auf sein ...
Maik Gregl vom Paketshop PaketStopGo in Rheinfelden bei Annahme einer neuen Anlieferung. Am Dienstag gab es einen Ansturm auf sein Geschäft, die Schweizer Kunden wollten noch schnell ihre Pakete abholen. | Bild: Horatio Gollin

99 Prozent seiner Kunden sind in der Schweiz wohnhaft und täglich kommen 500 Pakete bei ihm an. Aufgrund des Ansturms am Vortag ist das Lager ungewöhnlich leer. Gregl ist einerseits erleichtert, dass die Kunden bestellte Waren auch nach dem 22. Dezember noch abholen können, andererseits erachtet er die Angelegenheit als sehr ärgerlich. Eine Kundin aus Baselland holte Bestellung für ihre Dienststelle ab. „Das sind dringende Waren“, meinte die Kundin. „Ich finde das ein bisschen krass, als ich heute gelesen habe, dass man in Quarantäne muss.“ Sie wunderte sich auch, wie die baden-württembergische Landesregierung für Schweizer Bürger eine Quarantäne anordnen könne. „So kann man alles kaputt machen“, meinte sie.

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