Seit knapp drei Wochen tobt der russische Angriffskrieg auf die Ukraine. Auch abseits der unter Beschuss bestehenden Regionen ist vielerorts Hilfe nötig. In der Stadt Iwano-Frankiwsk, die etwa 150 Kilometer südöstlich von Lemberg liegt, gibt es ein Krankenhaus, das auf die Versorgung von Neugeborene und Frühgeborene spezialisiert ist.

Das könnte Sie auch interessieren

„Wegen der russischen Militärmaßnahmen gibt es nun ständig tägliche Stromunterbrechungen von acht bis zehn Stunden“, berichtet Stepan Feduniw, der aus Iwano-Frankiwsk stammt. Der 26-jährige promovierte Mediziner arbeitet seit einem Jahr als Assistenzarzt in der gynäkologischen Abteilung des Klinikums Hochrhein in Waldshut. Er erklärt, welche Auswirkungen die Stromausfälle auf den Betrieb des Krankenhauses und die kleinen Patienten hat.

Brutkästen ohne Strom

„Sämtliche Systeme, Inkubatoren und andere Überwachungsgeräte funktionieren nicht ohne Strom. Diese Geräte sind absolut notwendig für das Überleben der Neugeborenen und besonders der Frühgeborenen“, berichtet Feduniw. In der direkten Nähe gebe es kein so großes Krankenhaus und auch keine Möglichkeit, die Kinder zu verlegen. „Die gewohnte Infrastruktur der Ukraine funktioniert wegen der ständigen Bombenattacken fast nicht, und andere Krankenhäuser haben ähnliche Schwierigkeiten“, fügt er hinzu.

Perinatalzentrum steht in kyrillischen Buchstaben am Eingang des Krankenhauses in Iwano-Frankiwsk. Hier werden Früh- und Neugeborene ...
Perinatalzentrum steht in kyrillischen Buchstaben am Eingang des Krankenhauses in Iwano-Frankiwsk. Hier werden Früh- und Neugeborene versorgt. Das Foto entstand vor Ausbruch des Ukraine-Krieges. | Bild: privat/Krankenhaus

Um dem Krankenhaus in seiner Heimatstadt zu helfen, bittet Stepan Feduniw um finanzielle Unterstützung. „Damit möchte ich einen Diesel-Stromgenerator mit mindestens 250-Kilovolt-Leistung kaufen, um die Pausen in der Stromlieferung zu minimieren und eine humanitäre Katastrophe zu verhindern“, erläutert er seinen Plan. Die Liste mit aktuell notwendigen und benötigten Geräten sei zwar viel länger, aber ohne diesen Generator und Strom seien sie sowieso nicht einsatzbereit.

„Jeden Tag sind in der Ukraine harmlose Zivilisten unter Beschuss, ohne Essen, Strom und in ständiger Angst vor dem nächsten Tag. Es kommt viel humanitäre Hilfe aus den ganzen Welt, aber diese wird an die am meisten betroffenen Städte geliefert.“
Stepan Feduniw, Assistenzarzt am Klinikum Hochrhein
Stepan Feduniw stammt aus der Ukraine und arbeitet seit einem Jahr als Assistenzarzt am Klinikum Hochrhein in Waldshut.
Stepan Feduniw stammt aus der Ukraine und arbeitet seit einem Jahr als Assistenzarzt am Klinikum Hochrhein in Waldshut. | Bild: privat/Lidia Skuza

Stepan Feduniw beabsichtigt, den Transport über Deutschland, Polen und die Ukraine selbst zu organisieren. „Aber es ist ganz wichtig, möglichst schnell den Generator zu organisieren und das Leben von Kindern zu retten“, betont der junge Arzt, der sich auch um seine eigenen Angehörigen sorgt. Frauen und Kinder aus seiner Familie seien mit seinen Eltern in der polnischen Hauptstadt Warschau in Sicherheit, doch seine männlichen Verwandten befinden sich in Kiew und Lemberg, wie er dieser Zeitung erzählt.

Das könnte Sie auch interessieren

Verein „Zukunft für Ritschow“ sammelt Spenden ein

Unterstützung bei seinem Vorhaben bekommt Feduniw nicht nur von der Stadtverwaltung und den Stadtwerken Waldshut-Tiengen sowie seiner Chefin Dr. Eleonore Gisy, Chefärztin der Gynäkologie am Klinikum Hochrhein, sondern auch von Hedi Müller, der Vorsitzenden des Albbrucker Vereins „Zukunft für Ritschow“. Die Birndorferin hatte 2007 mit Gleichgesinnten den Verein gegründet, der sich um Menschen in der Region um Tschernobyl, das heute im Norden der Ukraine liegt, kümmert. Der gemeinnützige Verein hat eigens seine Statuten geändert, um die Geldspenden für das Krankenhaus in Iwano-Frankiwsk entgegennehmen zu dürfen.

Chefärztin Eleonore Gisy hatte Oberbürgermeister Philipp Frank vergangene Woche von dem ukrainischen Krankenhaus, in dem dringend ein Notstromgenerator benötigt wird, erzählt, woraufhin er sie spontan in eine Koordinationsrunde mit dem Ukraine-Helferkreis eingeladen habe. „Hier laufen viele Informationen zusammen und es werden konkrete Lösungen entwickelt. Das Thema hat uns alle sehr bewegt, sodass sofort klar war, hier helfen zu wollen“, erklärt Frank gegenüber dieser Zeitung.

Sammeln gemeinsam Spenden für einen Notstromgenerator für ein Krankenhaus in der Ukraine (von links): Alexander Müller und Hedi Müller ...
Sammeln gemeinsam Spenden für einen Notstromgenerator für ein Krankenhaus in der Ukraine (von links): Alexander Müller und Hedi Müller vom Verein „Zukunft für Ritschow“, Assistenzarzt Stepan Feduniw und Chefärztin Eleonore Gisy. | Bild: privat

20.000 Euro innerhalb weniger Stunden

Im Rahmen der Spendenakquise für den benötigten Stromgenerator habe der OB auch persönlich ganz gezielt mögliche Spender angesprochen, wodurch binnen weniger Stunden mehr als 20.000 Euro zusammengekommen seien. „Mich hier persönlich einzubringen, ist für mich eine Selbstverständlichkeit, denn Solidarität braucht auch aktives Handeln. Im Moment ist in der Ukraine sicher an allen Ecken und Enden Hilfe vonnöten, sodass man mit jeder Hilfe richtig liegt. Ein konkretes Projekt zu unterstützen, macht es für potenzielle Spender aber möglicherweise einfacher, weil man sich etwas darunter vorstellen kann“, berichtet Frank.

Der Oberbürgermeister zeigt sich beeindruckt von der großen Hilfsbereitschaft, die die Menschen in und aus der Ukraine in Waldshut-Tiengen erfahren. „Das zeigt mir, dass unsere Gesellschaft zusammensteht, wenn es darauf ankommt.“

Das könnte Sie auch interessieren