Sira Huwiler

Es ist der Montag nach Aschermittwoch. Während bei uns in der Region die Narren dem Ende der schwäbisch-alemannischen Fasnacht noch nachtrauern und Larve und Häs längst im Schrank verstaut sind, geht nur wenige Kilometer von der deutschen Grenze entfernt die Fasnacht erst richtig los. Um Punkt 4 Uhr morgens ist es auf einen Schlag „zappeduschter“ (stockfinster) in der Basler Innenstadt. Aus den engen Gassen strömen Piccoloflöten- und dumpf-rasselnde Trommel-Klänge. Cliquen ziehen mit großen, bis zu vier Meter hohen leuchtenden Laternen durch die Gässle. Die komplett abgedunkelte Altstadt wird so von dem warmen Licht der Laternen, die aus allen Ecken und Enden über die Plätze der Stadt ziehen, wieder erhellt. Auf den großen Laternen finden sich „Sujets“ (französisch: Themen) – mit kritischen Botschaften. Vieles, was im vergangenen Jahr in Politik, Kultur oder Gesellschaft schief lief, wird aufs Korn genommen.

Eigentlich tragen die meisten Basler Fasnachtscliquen wie die deutschen Zünfte einheitliche Kostüme – aber zum Morgenstraich nicht. Nur an der kleinen Kopflaterne, die das Haupt jedes Mitglieds schmückt und der großen Zuglaterne nachempfunden ist, sind sie als Gruppe zu erkennen. Rund 100 000 Zuschauer kommen jedes Jahr. „Es ist magisch, dunkel und doch friedlich“, sagt die Basler Brauchtums-Autorin Edith Schweizer-Völker (77). „Der Morgenstraich ist der heilige Moment der Basler Fasnacht – eine Mischung aus Lebensfreude und Melancholie.“ Der Glockenschlag am Montagmorgen läutet seit 1835 traditionell „die drey scheenschte Däg“ in Basel ein. Die meisten Restaurants und Kneipen haben von nun an die 72 Fasnachtsstunden durchgehend geöffnet. Bei gebrannter Mehlsuppe, süß-fettigen Fasnachtskiechli, Käs- und Zwiebelwähe kann man sich stärken und aufwärmen.

„Aber Achtung“, sagt Edith Schweizer-Völker. „Für schwäbisch-alemannische Narren stehen in Basel ein paar Fettnäpfchen parat, in die sie tappen könnten.“ Zünfte sind hier Cliquen, geschminkte Gesichter der Zuschauer werden nicht gerne gesehen, „genau so wenig wie lärmende Betrunkene“, sagt Schweizer-Völker. „Sie würden die besondere Atmosphäre stören.“ Und wehe einer nennt die bunten Papierfetzen, die beim Cortège (montags und mittwochs ab circa 13.30 Uhr) in die Menge flattern, Konfetti: „Die heißen in Basel Räppli“, weiß Schweizer-Völker. Auch der Umzug durch Klein- und Großbasel wird nicht gerne Umzug genannt, „sondern eben einfach Cortège“. „Da sind die Basler eigen. Das hat viel mit ihrer Fasnachts-Identität zu tun, die sich über Jahrzehnte und Jahrhunderte gebildet hat.“

Und mit dem Umzug, der keiner sein will, beginnt ab Montagnachmittag die Straßenfasnacht. „Dann wird es lauter und närrischer und die rund 20 000 aktiven Fasnächtler bringen Leben in die Stadt“, sagt Schweizer-Völker. Guggenmusiken und Wagen mischen sich unter die Cliquen. Markenzeichen der Basler Cliquen sind überdimensionale große Kopfmasken aus Pappmaché, die hier Larven heißen. Am bekanntesten sind die Waggis mit ihren mächtigen Perücken und großen Nasen – eine Persiflage auf die benachbarten Elsässer Bauern. Sie verteilen Blumen und Früchte an nette Zaungäste. „Wer murrt, keine Plakette trägt oder geschminkt ist, wird mit Räppli überhäuft“, weiß die Expertin. Papierberge säumen oft zentimeterhoch die Straßen der Innenstadt.

Abends beginnt quasi die ganzen drei Tage über draußen das „Gässlen“. Die bunt kostümierten Cliquen ziehen trommelnd und pfeifend durch die Altstadtgassen. In den Wirtschaften geben am Montag- und Mittwochabend Schnitzelbänkler in tiefstem Baseldütsch und musikalisch begleitet kritisch-amüsante Verse mit witziger Pointe zum aktuellen Geschehen zum Besten.

„Am Dienstag ist Kinder- und Familienfasnacht“, sagt Schweizer-Völker. Oft ziehen befreundete Familien mit ihren Wägen und einheitlichen Sujets durch die Straßen. „Es ist der Tag der freien Straßenfasnacht – für mich der schönste und bunteste Tag in Basel“, schwärmt Schweizer-Völker, die von klein auf dem Basler Fasnachtsfieber verfallen ist. Abends dröhnen von Bühnen am Clara-, Markt- und Barfüßerplatz Guggenmusik-Klänge durch die Altstadt. Vorher ziehen sie in einem lautstarken Umzug vom Messeplatz über die mittlere Rheinbrücke nach Großbasel.

„Die Basler Fasnacht ist die vielseitigste und größte der Schweiz“, sagt die Autorin. Und: Sie ist die einzige protestantische Fasnacht der Schweiz. „Da waren die Basler beharrlich“, sagt sie. „Immer wieder wurde die Fasnacht verboten. Die Bevölkerung hat es sich aber nicht verbieten lassen und trotzdem gefeiert.“

Die letzte Nacht nennt sich Endstraich. Ein letztes Mal hüllen sich die Gebäude in das Laternenlicht. Mit dem Glockenschlag um 4 Uhr am Donnerstagmorgen verstummen die Piccoloflöten und Trommeln, „die drey scheenschte Däg“ sind vorbei. „Bis zum nächsten Jahr“, sagt Edith Schweizer-Völker. „Denn Vorfreude ist die schönste Freude.“

 

Darum geht die alemannische Buurefasnacht erst nach Aschermittwoch richtig los

Mystische Bräuche und Traditionen werden bei der Bauernfasnacht im Dreiländereck wiederbelebt. Gefeiert wird ab Aschermittwoch – wenn die schwäbisch-alemannische Fasnacht vorbei ist. Der Grund geht auf eine kirchliche Synode zurück, aber auch etwas Rebellisches steckt dahinter.
Mystische Bräuche und Traditionen werden bei der Bauernfasnacht im Dreiländereck wiederbelebt. Gefeiert wird ab Aschermittwoch – wenn die schwäbisch-alemannische Fasnacht vorbei ist.

Ursprung: Zur gleichen Zeit wie die Basler Fasnacht findet die Bauernfasnacht in südbadischen Orten wie Weil am Rhein, Hasel, Lörrach-Hauingen, Schopfheim-Wiechs und im Wiesental statt. Diese Orte feiern zum traditionellen Termin der alten Fasnacht. Schon im Jahr 1091 wurde der Termin der Fasnacht von der katholischen Synode von Benevent durch den Entscheid, dass die Sonntage vom Fastengebot von nun an ausgenommen sind, um diese sieben (Sonn-)Tage vorverlegt, um die 40 Fastentage bis Ostern weiterhin einhalten zu können.„Einige wenige blieben rebellisch“, sagt Ralf Renckly (52), Zeremonienmeister der Fasnachtsgesellschaft Buurefasnacht Hauingen. „Manche behaupten, der Buurefasnachts-Termin sei tatsächlich für die Bauern beibehalten worden, weil diese während der eigentlichen Fasnacht bedienen mussten und so natürlich keine Gelegenheit hatten, ihre Fasnacht zu feiern“, so Renckly. „Historisch wahrscheinlicher ist, dass besonders evangelische Gemeinden damit gegen die von den Katholiken auferlegte Fastenzeit demonstrierten“, sagt Ralf Renckly. Nach dem Zweiten Weltkrieg, Ende der 1950er Jahre, belebte man vielerorts die traditionelle Buurefasnacht wieder.

Traditionen:
Das Ende der Bauernfasnacht wird vielerorts am Sonntag nach Aschermittwoch, dem Funkensonntag, mit Schiibefüür gefeiert. Glühende Holzscheiben fliegen an langen Stöcken wie Sternschnuppen ins Tal hinab. Nach dem Motto „Schibi, schibo, wäm soll die Schiebe go?“ (Wem soll die Scheibe gelten?) ist jede der hölzernen Sternschnuppen mit einem Wunsch fürs nächste Jahr verbunden. Auch bei der Bauernfasnacht gibt es beispielsweise in Lörrach-Hauingen wie in Basel Schnitzelbanksänger. Jeder Ort hat seine eigenen Traditionen. Oft vermischen sich auf deutscher Seite Bräuche der schwäbisch-alemannischen und der Bauernfasnacht.