Fast wäre sie verloren gegangen, die uralte Weinbautradition in Hohentengen. Der Familie Netzhammer ist es zu verdanken, dass die Gemeinde heute wieder Weinbauort ist. 1986 übernahmen sie die 20 Hektar neu angepflanzte Rebfläche zwischen Hohentengen und Lienheim und bauten den Engelhof zu einem florierenden, überregional bekannten Weinbaubetrieb auf.
1983 wurde am Oelberg auf Bestreben von Professor Anton Miller aus Düsseldorf die Umwandlung von einer Obstbauanlage zu einem Rebberg vollzogen. Noch vor der ersten Weinlese übernahm am 1. Juli 1986 die Familie Netzhammer aus Singen das Weingut.
Georg Netzhammer jun., der damals noch im schweizerischen Wädenswil Weinbau studierte und seit 1990 den Weinbaubetrieb zusammen mit seiner Frau Andrea leitet, erinnert sich noch genau an die Jungfernlese. „Am 1. Juli hatten wir den Betrieb übernommen und mussten noch alles einrichten. Während der Lese sind die Tanks, einen Tag bevor sie befüllt werden mussten, angeliefert worden. Wir mussten mit einfachsten Mitteln und viel Manpower arbeiten.“ Lohn waren 130.000 Liter Wein der Rebsorten Spätburgunder, Müller-Thurgau, Weiß- und Grauburgunder, Gutedel und Traminer.
Einiges hat sich seitdem verändert, gleich geblieben ist die Anbaufläche und der schonende säurereduzierte Ausbau zu trockenen Weinen. Gleich im zweiten Jahr wurde eine Umstrukturierung im Rebberg vorgenommen, um mehr auf Qualität statt Menge zu setzen. Durchschnittlich werden heute 7000 Liter pro Hektar ausgebaut.
Der Engelhof im Wandel


Georg Netzhammer ist ein Freund pilzwiderstandsfähiger Sorten, so wachsen heute auch Johanniter, Solaris, Muscaris und Regent auf zwei Hektar Fläche. Der Riesling hat Einzug gehalten, auch Chardonnay und Cabernet Mitos, Sorten, die aufgrund der Klimaerwärmung heute hier gedeihen können. Sie ist auch der Grund, dass die Lese gut 14 Tage früher bereits Anfang September beginnt.
War es anfangs ausschließlich Wein, der hier gekeltert wurde, hat sich die Produktpalette umfassend erweitert. Winzersekte und Secco sind seit 1990 sehr nachgefragt. Mit der neuen Brennerei kamen 2005 Tresterbrand, Weinbrand und Gin dazu. Und auch einen Winzeressig gibt es vom Engelhof.
Was sich ebenso gewandelt hat, ist die Stilistik der Weine. „Mit der leichten Küche kam die Nachfrage nach filigranen, fruchtbetonten Weinen“, führt Georg Netzhammer aus. Die kräftigen, alkoholreichen Sorten der 80er Jahre sind nicht mehr gefragt. Um das zu erreichen wurde immer wieder in neue Technik im Keller investiert. Mit dem modernen Anbau des Weinforums wurde 2004 ein ansprechender Präsentationsraum geschaffen, Wein als Gesamterlebnis, verbunden mit kulturellen Veranstaltungen.

Heute wird das Weingut von dem Viererteam Andrea und Georg Netzhammer zusammen mit Kellermeister Schira und Winzermeister Adrian Häfner geleitet. Acht Festangestellte und 15 Aushilfskräfte sind auf dem Weingut tätig. „Nach Jahren der Aufbauarbeit und des Experimentierens weiß man heute Lage und Böden einzuschätzen“, sagt Georg Netzhammer. „Die Lese erfolgt gezielter, man achtet mehr auf den Gesundheitszustand der Trauben und sie werden schneller verarbeitet.“
Die Vermarktungswege sind stabil und konstant, das Weingut ist in Fachkreisen anerkannt und vielfach ausgezeichnet worden. Und die Geschichte wird weitergehen: Eine Nichte von Andrea (54) und Georg Netzhammer (56) absolviert gerade ihre Winzerlehre bei Franz Keller, will Weinbau studieren und möchte gerne auf dem Engelhof einsteigen.