Kaum waren die ersten Teile des neue Seeuferwegs zwischen Schmugglerbucht und Hörnle in Konstanz eröffnet, gab es Debatten darüber, ob sie für Radfahrer gesperrt werden sollten. Mehr als 100 Bürger kamen im Juli 1986 zur damaligen Sommerredaktion des SÜDKURIER, um genau dies zu diskutieren.

Clarissa von Platen aus der Neuhauser Straße brachte sogar ein selbst gebasteltes Kurvenlineal mit, um zu unterstreichen, dass die Furt am Ufer nicht schnurgerade geplant werden dürfe. 2020 sagte die damals 76-Jährige dem SÜDKURIER: „Die haben das wunderbar gelöst.“

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Für die frühere Journalistin, die spezialisiert war auf die Themen Surfen und Kultur, gehörten Uferweg und Seestraße lange Zeit zu den Strecken, auf denen sie Erholung fand. Inzwischen sei dies nur noch bedingt der Fall. „Unsere Gesellschaft hat sich verändert, und damit auch das Seeufer. Es ist lauter geworden und unruhiger.“ Zu viele würden hier feiern und Dreck hinterlassen.

1982: Zeitzeugin Clarissa von Platen in ihrer aktiven Zeit als Journalistin. Sie liebte früher die Spaziergänge auf dem Seeuferweg.
1982: Zeitzeugin Clarissa von Platen in ihrer aktiven Zeit als Journalistin. Sie liebte früher die Spaziergänge auf dem Seeuferweg. | Bild: Privat
Im Jahr 2020 ist Clarissa von Platen 76 Jahre alt – und ihr ist am Ufer oft zu viel Trubel.
Im Jahr 2020 ist Clarissa von Platen 76 Jahre alt – und ihr ist am Ufer oft zu viel Trubel. | Bild: Claudia Rindt

Clarissa von Platen kennt das Seeufer noch ohne den Weg davor. In den frühen 80er-Jahren sei sie einmal Gast in einer der Villen gewesen, deren Grundstücke damals bis ans Wasser gingen. Auf ein Gartenfest dort sei sie im Ruderboot gekommen, gekleidet wie eine Lady aus dem 19. Jahrhundert. „Da kam man ja sonst nicht hin.“

Einige Jahre später habe sie zu den ersten Nutzern des neuen Seeuferwegs gehört. Einmal habe sie sich auf Höhe der Therme ein Plätzchen zum Baden und Sonnen gesucht: „Wie ich da lag, habe ich gedacht: wie in Italien. Super gemacht.“

1981: Auf dem Luftbild von vor 39 Jahren ist noch kein durchgängiger Uferweg zu erkennen; die Lücken wurden erst ab Mitte der 80er ...
1981: Auf dem Luftbild von vor 39 Jahren ist noch kein durchgängiger Uferweg zu erkennen; die Lücken wurden erst ab Mitte der 80er geschlossen. Links die Rosenau. | Bild: Günther Sokolowskí

Einfach Land aufgeschüttet

Dabei sei sie anfangs noch skeptisch gewesen. „Ich war überrascht, dass so was möglich sein sollte.“ Die Grundstücke gehörten doch den Eigentümern. Doch Konstanz hatte mit einem Trick Erfolg: Die Stadt schüttete das Land für den Weg vor den privaten Anwesen einfach neu auf. Damals wurde dies wasserrechtlich genehmigt, und alle rechtlichen Klagen abgewiesen.

Einen ersten Vorstoß hatte Konstanz schon im Herbst 1975 unternommen, als die Stadt das Ufer vor der Villa Scholz großflächig aufschütten ließ. Das Freiburger Verwaltungsgericht sah keinen Eingriff ins Eigentum einer damals klagenden Anliegerin.

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Zuvor hatte der Gewerkschaftssekrektär und SPD-Stadtrat Erwin Reisacher Furore gemacht, als er am 1. Mai 1975 die Forderung nach einem frei zugänglichen Ufer durch eine demonstrative Begehung der privaten Anliegergrundstücke über die Mauern und Zäune organisierte. Er kassierte dafür eine Geldstrafe wegen Hausfriedensbruchs.

1983 war es dann so weit. Der Gemeinderat fasste mit großer Mehrheit den Grundsatzbeschluss zum Bau des Seeuferwegs. Die Grünen lehnten ihn damals aus Gründen des Seeschutzes ab.

1986: Ein weiteres Stück des Seeuferwegs, der von der Schmugglerbucht bis zum Hörnle führen sollte, ist im Bau. Er verläuft hier auf der ...
1986: Ein weiteres Stück des Seeuferwegs, der von der Schmugglerbucht bis zum Hörnle führen sollte, ist im Bau. Er verläuft hier auf der Mauer vor dem ehemaligen Torkelgebäude. | Bild: Hella Wolff-Seybold
2020: Der Seeuferweg zeichnet Konstanz aus. Keine Stadt oder Gemeinde am Bodensee hat so viel frei für jedermann zugängliches Ufer ...
2020: Der Seeuferweg zeichnet Konstanz aus. Keine Stadt oder Gemeinde am Bodensee hat so viel frei für jedermann zugängliches Ufer – und das auch noch durchgängig | Bild: Claudia Rindt

Wie der Weg gestaltet und genehmigt werden sollte, war aber noch unklar. Reisacher kommentierte den damaligen Beschluss laut SÜDKURIER-Bericht wie folgt: Das Mandat für den Bau bestehe schon seit 22 Jahren, doch aus Angst vor großen Namen sei es bis dahin nicht umgesetzt worden.

Ab 1985 wurde in mehreren Abschnitten der Weg von der Schmugglerbucht bis zum Hörnle angelegt. Er sei sofort von der Bürgerschaft angenommen worden, erinnert sich Clarissa von Platen. Inzwischen meide sie ihn an Wochenenden, sagt die einstige Journalistin 2020 dem SÜDKURIER. Es sei einfach zu viel los.

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Sie würde sich Schutz und Ruhe vor Radfahrern wünschen. Denn viele seien trotz Verbot und Sperren dort unterwegs. Dieses Anliegen hatte einst auch Anneliese Hüseken: Sie wird im Juli 1986 im SÜDKURIER mit der Frage zitiert, ob es nicht möglich wäre, den Weg so zu gestalten, dass dort alte Menschen und junge Frauen mit Kindern ungestört spazieren gehen können.

Anmerkung der Redaktion

Dieser Artikel erschien erstmals im Jahr 2020 im Rahmen der SÜDKURIER-Serie „Gedächtnis der Region“.