Große Sorgen, viel Frust und Skepsis haben die Landwirte aus Stühlingen, Blumberg und Wutach bei einer Infoveranstaltung über die geplante Erweiterung des Wasserschutzgebietes gezeigt. Der Stühlinger Bürgermeister Joachim Burger und die Vertreter des Umweltschutz- und Landwirtschaftsamt Waldshut erhielten bei ihren Vorträgen viel Gegenwind von den Besuchern.
Was soll sich ändern?
Die Stadt möchte das Wasserschutzgebiet (WSG) für die Quellen Oberletzquellen 1 und 2 sowie die Nussbachquellen 3 bis 5 erweitern. Zu diesem Thema gab es in der Ehrenbachhalle in Weizen eine Informationsveranstaltung, bei der Vertreter des Landwirtschaftsamts Waldshut und des Amts für Umweltschutz Waldshut sowie ein Experte des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches e.V. (DVGW) Technologiezentrum Wasser aus Karlsruhe Vorträge hielten.
Besucht wurde die Veranstaltung von rund 45 Bürgern, größtenteils betroffene Landwirte. 1989 wurde ein Gutachten des Geologischen Landesamts erstellt, das dazu führte, dass 1992 das bestehende WSG festgesetzt wurde. Infoveranstaltungen zur Erweiterung des Wasserschutzgebiets gab es in Stühlingen zuletzt in den Jahren 2007, 2010 und 2016.
Warum soll das Gebiet erweitert werden?
In einer Einleitung schilderte Bürgermeister Joachim Burger die bisherige Lage der Wasserversorgung der Stadt Stühlingen, aber auch die immer weiter zunehmende Wasserknappheit weltweit. Seit 2002 gab es keine umfangreichen Neubildungsjahre für die Grundwasserstände mehr, das heißt, das Grundwasser erholt sich nicht mehr.
Zwar würden die Oberletz- und Nussbachquellen momentan nicht für die Wasserversorgung gebraucht, doch möchte die Stadt ein Standbein für die Zukunft absichern. Allein die Nussbachquellen 3 bis 5 sollen mit einer Ausschüttung von etwa zehn Litern pro Sekunde große Teile des Stadtgebiets mit Wasser versorgen können, bei denen bislang nur die Spießbergquellen zur Verfügung stehe.

Die Erweiterung des Schutzgebiets ist laut Diplom-Geoökologe Sebastian Sturm vom DVGW nötig, um die Nitratwerte der Quellen zu senken. Der deutsche Nitrat-Grenzwert liegt bei 50 Milligramm pro Liter. Die ertragsreicheren Nussbachquellen liegen mit rund 70 Milligramm pro Liter weit über diesem Wert. Aktuelle Messungen zeigen den Trend zur weiteren Steigung der Nitratwerte.
Die Oberletzquellen liegen zwar unter der Grenze der 50 Milligramm pro Liter, sind jedoch auch stetig am Steigen. Die betroffene Fläche besteht aus Muschelkalk, dessen oberste Schicht als Hauptgrundwasserleiter fungiert. Das Gebiet hat laut Sturm ein geringes Nitratabbaupotential, was einer der Gründe für die weiter steigenden Nitratwerte sei. Ebenso wie ein durch die Beschaffenheit des Untergrunds vergrößertes unterirdisches Einzugsgebiet.
Wer ist von der Erweiterung betroffen und was bedeutet das für die Betroffenen?
Die bestehende Schutzzone beläuft sich auf 155,1 Hektar Fläche in der Stadt Stühlingen. Neu hinzukommen würden 344,5 Hektar, die die Kommunen Stühlingen (168,9 Hektar), Wutach (139,2 Hektar) und Blumberg (36,4 Hektar) betreffen. Die Eigentümer der Flächen, die Teil des erweiterten WSG werden sollen, müssen zur Senkung der Nitratwerte verschiedene Auflagen erfüllen.

Die Schutzgebiets- und Ausgleichsverordnung (SchALVO) schreibt vor, dass zum Beispiel keine Pflanzenschutzmittel genutzt werden dürfen, die das Herbizid Terbuthylazin oder das Fungizid Tolylfluanid enthalten. Ebenso besteht ein Umbruchsverbot für Dauergrünlandflächen. Das Land bietet pauschale Ausgleichsleistungen von 120 Euro pro Hektar, beziehungsweise 45 Euro, falls die Fläche schon als Nitrat-Sanierungsgebiet gilt.
Wie reagieren die Landwirte?
In der Diskussions- und Fragerunde wurde die allgemeine Stimmung der betroffenen Landwirte klar. Zwar zeigten sich alle Anwesenden willig, den Nitratgehalt zu senken, jedoch zeigten viele der Zuhörer Skepsis, ob die Vergrößerung des Wasserschutzgebiet wirklich effektiv sei und ob die Grenze von 50 Milligramm pro Liter für diese Quellen überhaupt realistisch sei.
Das Bedürfnis nach einer langfristigen Planung für Auflagen wie diese wurde auch angesprochen, da viele Betriebe die Arbeit für die Umsetzungen dieser Verordnung nicht investieren möchten, wenn in wenigen Jahren weitere Auflagen hinzukommen. Das fehlende Miteinbeziehen der Landwirte in die Entwicklung und Ausführung von Vorgaben wie diesen wurde bemängelt und offenere Kommunikation mit der Kommune und dem Landratsamt gefordert.
„Heute fehlt der Input der Landwirte“, so die Meinung eines Zuhörers. Viele Betriebe müssten schon verschiedenste Auflagen und Dokumentationsvorgaben erfüllen und vermissen eine Fachberatung für das erfolgreiche Umsetzen der Auflagen. Es gab auch einige Zweifel, was für einen Betrieb übrigbliebe, der all diesen Auflagen nachkomme. Die Landwirte fühlen sich „geknebelt“, beschrieb einer von ihnen.
Bürgermeister Burger zeigte sich verständnisvoll für die Emotionalität des Themas und den Ärger der Landwirte, die „alles jetzt ausbaden“ müssten. Aber er erwähnte auch die große Verantwortung, die die Stadt Stühlingen gegenüber seinen Einwohnern gerade bei dieser Angelegenheit hat.
Was sagt der Verband?
Der Badische Landwirtschaftliche Hauptverband kritisiert das geplante Vorgehen scharf. Der Verband sieht das Problem nicht unbedingt nur bei den Landwirten, da diese ja schon in der Vergangenheit entsprechende Maßnahmen ergriffen hätten und auch die Viehzahlen in den betroffenen Gemeinden seit Jahrzehnten rückläufig seien.
Viel mehr liege das Problem im Untergrund des Einzugsgebiet der Quellen. Die Tatsache, dass die Stadt Stühlingen keine Alternative in Betracht zieht als belastete Quellen sei tragisch und die vorhergesehenen Entschädigungssätze seien nicht ausreichend für die immensen Bewirtschaftungseinschränkungen. „Der Stadt würde es gut stehen, wenn sie die Landwirte finanziell nicht im Regen stehen lässt“, so Patrik Heizmanns, Referent der BLHV-Hauptgeschäftsstelle Freiburg.
Wie geht es jetzt weiter?
Der Verfahrensablauf sieht vor, dass es nach der Fertigstellung des Rechtsverordnungsentwurfs zur öffentlichen Auslage im Rathaus kommen soll. Dieser liege noch vor, muss aber noch aktualisiert werden, so das Landratsamt. Geplant sei das Auslegen der Pläne für das Frühjahr 2023, so dass Mitte 2023 ein Erörterungstermin stattfinden soll. Für die Bewirtung der Fläche soll es für das kommende Jahr keine Änderungen geben.