Zu den Gewinnern von Corona gehört die Heimtierbranche. Viele Menschen kauften sich Hunde und Katzen und griffen tiefer in die Tasche, um ihre Lieblinge zu verwöhnen. Der Umsatz der Branche sei 2020 um fünf Prozent auf 5,5 Milliarden Euro gestiegen, meldeten die Stuttgarter Nachrichten im März.

Bei Isabel Höntzsch, mit der „Barf Lounge“ in Murg auf artgerechte Ernährung für Hunde und Katzen spezialisiert, müsste also die Kasse klingeln. Das Gegenteil war der Fall, zum 30. Juni schließt die Barf Lounge in der Hauptstraße.

Ein wahr gewordener Traum

„2020 war der Horror“, blickt Isabel Höntzsch zurück und erzählt von schlaflosen Nächten und Existenzangst.

Dabei hatte alles so gut angefangen: Vor acht Jahren ließ die gelernte Arzthelferin ihren Traum Wirklichkeit werden und eröffnete die Barf Lounge, einen Fachhandel für artgerechte Ernährung. Anfangs in Oberhof, wechselt Höntzsch schon bald nach Laufenburg und ist seit 2017 in der Murger Hauptstraße.

„Es sind tolle Freundschaften entstanden“

Die Barf Lounge ist, wie sie selbst sagt, ihr „Herzstück“. Mit viel Liebe eingerichtet und geführt. Höntzsch, die parallel eine Ausbildung zur zertifizierten Ernährungsberaterin für Hunde und Katzen absolvierte, inzwischen auch Tierheilpraktikerin ist, schätzt die Gespräche mit ihren Kunden und erlebte die Entwicklung so manchen Welpens bis zum ausgewachsenen Hund mit. „Es sind tolle Freundschaften entstanden“, sagt Höntzsch.

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Noch vor dem Corona-Lockdown beginnen die Arbeiten in der Hauptstraße, und die Ortsdurchfahrt wird gesperrt. „Das war für mich das kleinere Problem. Ich hab vor allem Stammkunden, und die kamen trotzdem. Es gab Anrufe, wie der Laden am besten zu erreichen ist, und das regelte sich dann“, erklärt Höntzsch.

Das Ende kam mit zweitem Lockdown

Bald darauf kommt der erste Lockdown. Als Fachgeschäft für Tiernahrung durfte die Barf Lounge zwar weiter geöffnet haben, aber: „Der Großteil meiner Kunden sind Schweizer. Und das war mit der Grenzschließung vorbei“, erzählt Höntzsch. Auch sie beantragt schließlich die Überbrückungshilfe 1 und löst damit unfreiwillig sogar einen Polizeieinsatz aus.

Denn nach der Abgabe aller Unterlagen geht erst einmal gar nichts mehr. Warten, warten, warten, während sich die Schulden häufen. Auch die Nachfragen bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) helfen nicht weiter.

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Ihr Fall sei nicht eindeutig, sie müsse abwarten, zitiert Höntzsch die Auskunft der IHK. Warum nicht eindeutig , konnte ihr niemand sagen, und Höntzsch weiß es bis heute nicht: „Ich vermute, dass es damit zusammenhängt, dass ich geschlossen hatte, obwohl ich ja eigentlich hätte aufmachen können. Das ich wegen fehlender Schweizer Kunden zumachte, hatte ich erklärt“, so Höntzsch.

Hilfe beantragen: Selbst Steuerberater war vieles unklar

Irgendwann machte Höntzsch ihrem Frust auf der Facebookseite von Ministerpräsident Winfried Kretschmann Luft. Kurz darauf kam auch die Überbrückungshilfe bei ihr an.

Von Juni bis zum zweiten Lockdown im Dezember hatte die Barf-Lounge noch geöffnet. „Die Kunden kamen verhaltener, aber es ging“, meint Höntzsch. Für das Überbrückungsgeld 2 erfüllte die Barf Lounge die Voraussetzungen nicht, und auf das Überbrückungsgeld 3 verzichtete Höntzsch schließlich: „Das war so unendlich kompliziert, selbst der Steuerberater hatte seine Probleme. Vieles war auch unklar.“

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Mit dem zweiten Lockdown fiel dann Anfang diesen Jahres die Entscheidung: „Ich mache zu. Ich will keine Insolvenz“, so Höntzsch. Zum 30. Juni ist Schluss. Geschlossen ist schon jetzt. Kunden können aber auf Bestellung hin an zwei Tagen die Woche zu bestimmten Öffnungszeiten ihre Ware abholen.

Ihren Online-Shop mit Kauartikeln und Leckerlis für Hund und Katz wird Höntzsch noch weiterbetreiben. Sie selbst arbeitet seit März wieder in ihrem früheren Beruf als Arzthelferin und ist bei aller Traurigkeit über das Aus ihrer Barf Lounge doch auch etwas erleichtert: „Jetzt kommt jeden Monat sicheres Geld“, so die alleinerziehende Mutter.

Anders übrigens die Situation der Barf-Kollegen im Norden Deutschlands: „Dort boomt das Geschäft. Hier ist die hochwertige Ware vielen zu teuer“, weiß Höntzsch und verweist auf Kollegen in Konstanz, die ebenfalls schließen.