Was bringt junge Menschen in Zeiten von Handys und Tablets dazu, einen handgeschriebenen Brief an fremde Menschen zu verfassen? „In Coronazeiten wurde diese Idee an der Alemannenschule geboren, den Senioren im Pflegeheim Briefe zu schreiben. Und die Kinder machen das gerne“ erzählt Lernbegleiterin Kerstin Helling.

Kurz vor Weihnachten 2020 standen Schüler, die an der Alemannenschule Lernpartner heißen, erstmals vor dem Eingang des Pflegeheims in Wutöschingen. Die 50 Briefe mussten wegen der strengen Corona-Verordnungen vor der Einrichtung abgeben werden. Persönlich getroffen haben sich Schüler und Senioren aus diesem Grund bisher nicht. Das war in diesem Jahr anders. Schüler und Senioren haten Gelegenheit, sie persönlich auszutauschen. Sichtlich gerührt nahmen die Betagten die Schriftstücke entgegen.
Kinder und Jugendliche der Klassen fünf bis zehn schrieben wieder auf freiwilliger Basis Weihnachtsbriefe an die Senioren. Manche sind kleine Kunstwerke, verziert mit liebevoll gestalteten Zeichnungen. Inhaltlich gibt es keine Vorgaben, erzählt Kerstin Helling.

Ein paar Anregungen gibt sie aber schon. Natürlich sei es etwas anderes, wenn man einen Brief an einen Menschen schreibt, den man kenne. Dennoch geben die Schüler ihren Zeilen eine persönliche Note. Meistens beschreiben sie ihren Alltag, erzählen davon, wie Weihnachten in ihrer Familie gefeiert wird oder berichten, was sie in der Schule machen.
Senioren einen Blick nach außen gönnen
„Mit diesen Geschichten und Gedichten möchten wir den Senioren einen Blick nach draußen ermöglichen und die Kinder tun mit diesen Briefen etwas für die Gesellschaft“, erzählt die Lernbegleiterin.


Diese individuellen Schreiben sind gerade in dieser besinnlichen Zeit für die Senioren im Pflegeheim eine kleine Ermunterung in einsamen Stunden und sie bringen etwas Freude in das Leben älterer Menschen. Weihnachten im Kreise der Familie ist für manche Bewohner eher die Ausnahme geworden.
Manche Bewohner schreiben den Schülern auch zurück
Dass die Schüler der Gemeinschaftsschule mit ihren Worten ein Lächeln in die Gesichter der Senioren zaubern, zeigen emotionale Reaktionen auf die Briefe der Schüler. Manche Bewohner des Pflegeheims Sonnengarten greifen nämlich zu Papier und Stift, schreiben an die Schüler, bedanken sich für die Zeilen und den Kontakt zur Außenwelt, den sie oft nicht mehr haben.

Achtklässlerin Louisa aus Eggingen glaubt deshalb, dass sich die Betagten über ihre Geschichten, die sie aufgeschrieben hat, freuen. Im vergangenen Jahr hat sie sogar zwei Briefe an Senioren im Pflegeheim geschrieben. „Wenn ich älter wäre, würde ich mich jedenfalls über Briefe von jungen Menschen freuen“, sagt sie.
Und sie erzählt, dass sie zwei Brieffreunde hat, die sie sogar schon getroffen habe. „Briefe auf Papier zu schrieben ist überhaupt nicht altmodisch“, versichert sie. Sie gehört zu denen, die sich nicht allein mit Worten zufriedengeben. Sie malt auch gerne, verziert ihre Briefe mit Zeichnungen und schreibt ein Gedicht dazu.

Die gleichaltrige Jule aus Lauchringen hat Antworten auf ihre Briefe aus dem Seniorenzentrum bekommen und sich sehr darüber gefreut. Einmal hat eine Bewohnerin selbst zu Papier und Stift gegriffen, beim anderen musste eine Betreuerin dabei helfen, erzählt sie. Zum ersten Mal beteiligt sich Melissa aus Untermettingen an dieser Aktion.
„Es ist doch schön, wenn die älteren Menschen erfahren, wie es bei den Jugendlichen heute ist, was sie so machen.“ Handgeschriebene Zeilen sind auch für sie nicht aus der Zeit gefallen. „Ein Freund schreibt mir immer in den Ferien Briefe!“
Bis zu vier Generationen werden mit den Briefen überbrückt
Welch große Freude die Jugendlichen mit dieser Aktion bei den Senioren auslösen, war bei der Übergabe der Weihnachtspost fast greifbar. Einige Briefe las Betreuerin Gertrud Dietsch auszugsweise vor, die Senioren wollten gleich wissen, wer diese Zeilen geschrieben hatte. 18 Briefschreiber waren mitgekommen, andere hatten Unterricht. „Wir gehen mit der Kiste voller Briefe auf die Wohnebenen und lesen die Weihnachtsbriefe vor, einige können die Briefe noch selbst lesen“, erzählt Betreuerin Gertrud Dietsch.
Magdalena Volp, mit ihren 103 Jahren älteste Bewohnerin der Einrichtung, nahm mit einem Lächeln den Brief der 14-jährigen Nina entgegen. Eine berührender Moment war, als Senioren und Schüler an diesem besonderen Tag gemeinsam Weihnachtslieder sangen.