Am Weihnachtsmarkt in Waldshut hockt Fabian auf dem Boden. Eingepackt in Decke, Jacke und Kapuze sitzt er unter einem bunten Regenschirm an einer Orientierungsstehle auf der Kaiserstraße. Den Schirm nennt er seine Dacherweiterung. Jemand hat ihn wohl auf dem Weihnachtsmarkt vergessen. Für Fabian ein Glücksfall. Der 25-Jährige lebt seit zwei Monaten auf der Straße, erzählt er. Es ist schon das zweite Mal. Seinen Nachnamen nennt er nicht.

Den bunten Schirm über seinem Kopf nennt Fabian seine Dacherweiterung.
Den bunten Schirm über seinem Kopf nennt Fabian seine Dacherweiterung. | Bild: Rasmus Peters

Auf seinem Schoß sitzt Spike. Den Jack Russell-Beagle-Mischling hat er seit zwei Jahren. „Ich habe ihn über ein Kleinanzeigen-Portal im Internet gefunden“, schildert Fabian.

Fabians Hund Spike. Den Jack Russell-Beagle-Mischling hat er vor zwei Jahren in einem Kleinanzeigen-Portal im Internet gefunden.
Fabians Hund Spike. Den Jack Russell-Beagle-Mischling hat er vor zwei Jahren in einem Kleinanzeigen-Portal im Internet gefunden. | Bild: Rasmus Peters

Er liebt seinen Hund. „Leider hindert er mich oft daran, in die Notunterkünfte zu kommen, weil dort oft keine Hunde erlaubt sind“, sagt er. Etwa in der Schmitzinger Straße, wo er aktuell nächtigt. Deshalb muss er Nacht für Nacht mit Spike improvisieren.

Als junger Mensch ist es einfacher auf der Straße

Fast im Vorbeigehen schenkt ihm jemand einen heißen Kaffee und eine Tüte gebrannte Mandeln. Immer wieder werfen Passanten Geld in seine Blechdose.

„Als junger Mensch ist das Leben auf der Straße etwas angenehmer, als wenn du alt bist“, sagt er. Den Menschen, die ihm etwas spenden, wünscht er schöne Weihnachten.

Keine Arbeit, kein Zuhause

Er selbst wird Weihnachten voraussichtlich alleine verbringen, sagt er. Wie die vergangenen Jahre auch. „Ich kenne es nicht anders.“ Sein Vater habe ihn vor die Tür gesetzt, nachdem sein Sohn seine Arbeit verloren hat, berichtet der Obdachlose.

Auch seine Mutter habe keinen Platz für ihn, weil ihn ihr neuer Partner nicht leiden könne, so Fabians Vermutung. „Als ich mit 19 das erste Mal obdachlos wurde, haben mich noch beide Eltern rausgeworfen“, schildert er. Zu seinen Fehlern steht er: Er vernachlässigte die Schule und kiffte viel, probierte harte Drogen. Damals ließen sich seine Eltern scheiden.

An Heiligabend ins Restaurant

„Ich werde für Heiligabend Geld sparen und in ein Restaurant gehen“, beschreibt er seinen Plan. Lammkeule oder Kaninchen für ihn und einen dicken Knochen für Spike soll es geben. „Einmal im Jahr muss man sich etwas gönnen, wenn man sonst nichts hat“, meint der 25-Jährige. „Zu Weihnachten und zum Geburtstag“, ergänzt er und lacht.

Weihnachten wird eher weggedrückt

„Allgemein wird die Weihnachtszeit unter Wohnungslosen schon wahrgenommen, aber eher weggedrückt“, sagt Berthold Fahrner. Er leitet das Haus Benedikt im Ortsteil Schmitzingen. Es ist eine Anlaufstelle für wohnungslose Menschen. „Manche sagen, sie sind froh, wenn die Tage wieder vorbei sind“, schildert er aus seinen Erfahrungen.

„Die Weihnachtszeit wird unter Wohnungslosen eher weggedrückt“, sagt Berthold Fahrner. Er leitet die Obdachlosen-Unterkunft ...
„Die Weihnachtszeit wird unter Wohnungslosen eher weggedrückt“, sagt Berthold Fahrner. Er leitet die Obdachlosen-Unterkunft Haus Benedikt in Schmitzingen. | Bild: Rasmus Peters

Im Haus Benedikt wohnt Sylvie Kombo. Sie freut sich auf den Weihnachtsbaum, der in der Cafeteria aufgestellt werden soll, mehr noch freut sie sich darauf, ihn zu schmücken. Seit einem Zeckenbiss und zu spät erkannter Borreliose kann sie nicht mehr richtig gehen. Deshalb kann sie nicht zum Weihnachtsmarkt, wo sie so gerne eine Feuerzangenbowle trinken würde. „Und ich träume vom Weihnachtsmarkt in Braunschweig, wo ich aufgewachsen bin“, erzählt sie.

Die Wohnungslose Sylvie Kombo freut sich auf Weihnachten. Sie ist seit März 2023 im Haus Benedikt untergebracht.
Die Wohnungslose Sylvie Kombo freut sich auf Weihnachten. Sie ist seit März 2023 im Haus Benedikt untergebracht. | Bild: Rasmus Peters

Doch sie weiß sich zu helfen: Sie hat die anderen in der Unterkunft gefragt, ob jeder einen Euro ausgibt, damit für die Gruppe Glühwein besorgt wird.

Weihnachtsfeier im Obdachlosenheim

Für zusätzliche Weihnachtsstimmung ist am 21. Dezember eine Weihnachtsfeier im Haus geplant. Dazu serviert Hauswirtschafterin Nastasia Geng Rehgulasch mit Spätzle und Rotkraut und zum Nachtisch Mousse au Chocolat.

Hauswirtschafterin Nastasia Geng bereitet den Obdachlosen im Haus Benedikt das Weihnachtsessen zu. Auf diesem Bild arbeitet sie an einem ...
Hauswirtschafterin Nastasia Geng bereitet den Obdachlosen im Haus Benedikt das Weihnachtsessen zu. Auf diesem Bild arbeitet sie an einem Mittagessen am 15. Dezember 2023. | Bild: Margit Löschner

Am ersten Weihnachtsfeiertag, dem 25. Dezember, wird gemeinsam gekocht. Dann soll es Kassler geben, Linzer Torte und einen Spielenachmittag. „Weihnachten ist das Fest der Liebenden, da sollte niemand alleine sein“, sagt Geng. Also kommt sie, wie jedes Jahr, und verbringt ein paar Stunden bei ihrer „zweiten Familie“, wie sie sagt.

Keine heile Welt

Die Regel ist das nicht. Einrichtungsleiter Berthold Fahrner sagt: „Zum Bild der Weihnachtstage gehört eine heile Welt, Wohnungslose haben jedoch keine heile Welt.“

„Es ist schon traurig zu sehen, dass es so viele Menschen gibt, wo der Familienzusammenhalt da ist“, sagt Fabian, den Blick auf den Weihnachtsmarkt gerichtet. Eine feste Bleibe hat er wohl erst wieder, wenn er die gerichtlich angesetzte Entzugstherapie antritt, wie er sagt. Der Antrag sei gestellt. Ob Spike dorthin mitkommen kann? Das ist unklar.

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