Fast zwei Jahre lang hat auch die Waldshuter Gastronomie und Hotellerie unter den Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie gelitten. Viele Wirte und Hoteliers hatten Sorge, dass ihr Betrieb die Krise nicht überstehen wird. Doch wie sieht die Lage in Waldshut-Tiengen nun aus?
Hat das befürchtete Gastro-Sterben eingesetzt?
Wer durch Waldshut oder Tiengen läuft, stellt fest, dass es fast alle Gastronomie-Betriebe auch nach der Krise noch gibt. Hier und da gab es zwar einen Besitzerwechsel, in den meisten Fällen aber unabhängig von der Corona-Pandemie.
So wie im Fall von Beyazit Sarikaya aus Tiengen. Er hat seit dem 1. Januar 2022 sein Bistro Essbahn am Tiengener Bahnhof abgegeben. „Für mich hat sich die Möglichkeit ergeben, ein eigenes Gebäude mit Gastrobetrieb in Waldshut zu erwerben. Deshalb habe ich mein Geschäft in Tiengen abgegeben, das hat aber nicht mit der Corona-Pandemie zu tun. Gerade die staatlichen Hilfen haben wirklich sehr geholfen und das Überleben gesichert.“
Betriebe überstehen Corona, aber die nächste Krise hat schon begonnen
Auch Joachim Wagner, der als Betreiber des Getränkefachmarktes Wagner in Tiengen zahlreiche Betriebe in der Stadt beliefert, sagt: „Mir ist kein einziger Fall bekannt, bei dem ein Betrieb die Krise nicht geschafft hat. Aber auch, wenn bisher niemand schließen musste, gibt es jetzt andere, teils dramatische, Probleme.“

Wagner spricht damit die Personalsituation an. „Schon während der Krise hat sich ein Teil der Mitarbeiter im Gastgewerbe umorientiert, weil sie spätestens im zweiten Lockdown keine Zukunft in der Branche mehr gesehen hätten.
„Und jetzt fehlen vielen Betrieben die Mitarbeiter, sodass sie die Öffnungszeiten und Schließtage anpassen mussten. Manche haben anstelle von einem Schließtag nun plötzlich zwei“, beschreibt Wagner die Lage. „Auch an liquiden Mitteln fehlt es, weil viele Gastronomen in der Krise ihre Rücklagen aufgebraucht haben.“
Dehoga sieht weitere große Herausforderung
Diese Situation bestätigt auch der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) Baden-Württemberg.
Daniel Ohl, Geschäftsführer Kommunikation beim Dehoga Baden-Württemberg, sagt: „Trotz der insgesamt neun-monatigen Schließung und hoher Umsatzeinbußen konnten die meisten Betriebe eine große Pleitewelle abwenden. Wir schätzen, dass rund zehn bis zwölf Prozent der Betriebe in Baden-Württemberg aufgrund der Corona-Pandemie aufgeben mussten.“
Dass es nicht mehr seien, führt er vor allem auf die staatlichen Unterstützungen wie Soforthilfe oder den Überbrückungshilfen zurück. Ohl: „Der Staat hat das Gastgewerbe nicht im Stich gelassen.“
Dennoch stünden einige Betriebe vor einem Liquiditätsproblem, aber vor allem auch vor einem Mitarbeitermangel. „Zwar steigen die Mitarbeiterzahlen wieder leicht an, sind aber noch lange nicht auf dem Niveau von vor der Krise.“
Auch die Preissteigerungen, von der auch die Gastronomiebranche betroffen ist, seien ohne eine Preisanpassung der Wirte kaum stemmbar. „Wir schätzen, dass die gastgewerblichen Betriebe Kostensteigerung im hohen zweistelligen Prozentbereich haben“, sagt Ohl.
„Es sind ja nicht nur Waren wie Fleisch, Fisch, Obst und Gemüse betroffen, sondern auch Energie und Personalkosten.“ Und weiter: „Wer seine Karten nicht anpasst, dem bleibt oft kein Gewinn mehr.“
Perspektiven für Flüchtlinge aus Ukraine
Immer wieder wird derzeit darüber gesprochen, dass die Menschen aus der Ukraine auch die Personalprobleme in der Gastro-Branche lösen könnten.
Daniel Ohl: „Unserer Branche geht es aber nicht darum, Personalprobleme auf diese Weise zu lösen. Wir sind eine weltoffene Branche, rund 40 Prozent der Mitarbeiter haben keinen deutschen Pass, und sicherlich bietet die Gastronomie vielen Menschen gute Möglichleiten, hier einzusteigen, allerdings benötigen sie natürlich Sprach- und Fachkenntnisse. Aber die Hilfsbereitschaft in der Branche ist enorm.“
Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten: „Viele Ukrainer suchen bereits Arbeit“
Claus-Peter Wolf, Geschäftsführer der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) Region Baden-Württemberg-Süd verweist, betont dabei, dass aber die Bezahlung stimmen muss. „Denn wer vor dem Krieg flieht und bei uns Schutz sucht, darf nicht ausgenutzt werden. Viele suchen bereits nach Arbeit.“
Laut NGG zählte das Gastgewerbe im Landkreis Waldshut im April 186 offene Stellen – mehr als doppelt so viele wie noch vor einem Jahr. „Wichtig ist, dass die ukrainischen Bildungsabschlüsse unkompliziert anerkannt werden. Und es muss einen vereinfachten Zugang zu Sprachkursen geben. Denn die Sprache ist der Schlüssel, um zurechtzukommen“, so Wolf.