Aus Anlass des 1150-jährigen Bestehens berichten Bewohner, wie sich Gurtweil im 20.¦Jahrhundert entwickelt hat und welche Themen die Menschen beschäftigt haben. Werner Jäger (86 Jahre) erinnert sich an die Entwicklung der Landwirtschaft und des elterlichen Betriebs, der einst am Gurtweiler Schloss war und heute ein eigener Weiler ist.
Schon als Bub hatte er Freude an der Landwirtschaft, sagt Werner Jäger. Der 86-jährige Landwirt blickt auf ein intensives Arbeitsleben mit wenig Freizeit, die er dem Musikverein widmete, zurück.
Am 22. Februar 1938 wurde er in Gurtweil geboren und wuchs zusammen mit zwei Brüdern auf dem einstigen Bauernhof des Gurtweiler Schlosses auf. Seine Vorfahren erwarben den Hof im Jahre 1873 für 4100 Gulden.
Das Hofgelände war „sehr eingepfercht“, erinnert sich Jäger. Und das ließ sich nur schwer mit den Vorstellungen des jungen Landwirtes vereinbaren, der schon immer geschaut hat, „dass wir größer werden“. Aber vorerst hatte noch sein Vater Alfons Jäger das Sagen, der den Hof bis 1968 weiterbetrieb und dann aus dem Ortskern aussiedelte.

Der Verkaufserlös für das inzwischen abgerissene Marstallgebäude bildete dann den Grundstock für den inzwischen zu einem Weiler angewachsenen Brühlhof mit seinen etwa 400 Tieren (Milchkühe, Kälber und Rinder) südlich von Gurtweil.
1971 übernimmt Werner Jäger den Hof
1961 heiratete er seine Frau Thea und übernahm mit ihr dann 1971 offiziell den Brühlhof in Eigenregie. Die Anfänge seien sehr mühsam gewesen, aber die stete Weiterentwicklung lohnte das hohe Berufsengagement. Nach dem Bau des Wohnhauses, der Stallungen und der Geräte- und Vorratsschuppen im nassen und schwer zu erschließenden Gelände habe ein Gurtweiler Landwirt mal zu ihm gesagt: „Ojeh, deinen Stall bringst du ja nie voll.“
Aber schon bald standen 22 Kühe, 28 Jungvieh und sechs Kälber auf dem Aussiedlerhof. In Gurtweil gab es zum Vergleich damals noch knapp 60 Nebenerwerbslandwirte, die jeweils zwei bis vier Kühe im Stall hatten.
Der landwirtschaftliche Alltag der einst jungen Familie bestand in der Futterversorgung und im Melken für die Tiere. Aber ganzjährig mussten die anfangs zwölf bis 13 Hektar Landwirtschaftsfläche bewirtschaftet werden und das mit nur dem Traktor „Normag“, der lediglich eine Leistung von 17 PS hatte. Heute stehen auf dem Brühlhof fünf teils sehr große Traktoren mit insgesamt annähernd 1000 PS für die Bewirtschaftung der über 200 Hektar großen Nutzfläche.

Doch wieder zurück zur Arbeit auf dem Hof. Beide erinnern sich lachend daran, wie sie neben der Arbeit im Stall mit ihren vier Söhnen gelernt haben, ihnen das Rechnen beibrachten, sie in Deutsch unterrichteten, von Ländern erzählten und sie ergänzen beide zufrieden: „Wir hatten es doch schön.“ Zwar ging die Arbeit nie aus, alle mussten auch an Wochenenden mithelfen und Ferien gab es anfangs nicht.
Früher war es einfach, heute dominiert die Technik
Werner Jäger erinnert sich auch daran, wie er einst mit einem kleinen Güllefass aus Holz auf die Felder fuhr, heute aber ein hochtechnischer Jauchetank mit 16.000 Liter Inhalt eingesetzt wird. Die paar Liter Milch brachte er damals mit dem Auto zum „Gurtwieler Milchhüsli“, heute aber kommt zweimal täglich der Tanklastwagen direkt auf den Hof und holt Tausende Liter Milch ab.
Der Landwirt erzählt aber auch davon, dass in den 70er Jahren der Milchabsatz stark zurückgegangen sei, was den Hof, der inzwischen von seinem Sohn Martin betrieben wird, zur Schweinezucht wechseln ließ. Doch auch das ist zwischenzeitlich wieder Geschichte, denn mit dem Bau des riesigen Kuhstall (200 Kühe) 2015 wurde wieder die Milchwirtschaft zum Kernbetrieb.
Daneben verfügt der Brühlhof bereits seit 1998 über eine große Biogasanlage, von der aus auch ein Teil der Wärme in das Gurtweiler Schloss fließt. Somit wäre der Kreislauf vom Schloss zum Aussiedlerhof (1968) und vom Aussiedlerhof zum Schloss (1998) wieder geschlossen. Heute, so Werner Jäger, bereite die zunehmende Bürokratisierung den Landwirten immer mehr Probleme.
Musik als zweite Leidenschaft
Werner Häger ist auch ein engagierter Musiker. Seit seinem 14. Lebensjahr gehörte er als Bassist dem Musikverein Gurtweil an und 14 Jahre dessen Vorsitzender. Gerne erinnert er sich an die vielen Garten- und Waldfeste, an die Fahnenweihe 1950 und an die Rheinischen Festtage mit der Mainzer Hofkapelle 1963 und 1966.

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