Wenn Hubert Rossa sie am Himmel stolz ihre Kreise ziehen sieht und sie dabei Kraft und gleichzeitig Eleganz ausstrahlen, ist er immer wieder aufs Neue fasziniert. Greifvögel sind für ihn nicht nur die Könige der Lüfte, sondern auch Symbol für Freiheit, Schnelligkeit und mutiges Draufgängertum. Und dies nicht erst seit er vor zehn Jahren als Angestellter des Vereins Wildgehege Waldshut die Betreuung des Waldshuter Wildgeheges übernommen hat.
Schon in seiner Kindheit und Jugend fühlte sich der heute 64-Jährige zu Vögeln, besonders zu Greifvögeln, hingezogen. Ein Schlüsselerlebnis nennt er einen Spaziergang, den er als 14- oder 15-Jähriger mit seinem Vater an der Wutach machte. Die Beiden trafen auf einen Turmfalken, der nicht wegflog und offensichtlich zahm war. Hubert Rossa stieg auf den Baum, auf dem er saß, und konnte ihn ohne größere Probleme greifen. Nachdem der Besitzer ausfindig gemacht worden war und sie ihm zu seiner großen Freude den Vogel zurückgebracht hatten, durfte er den Falken in seiner Voliere auf der Hand füttern. Dieses Erlebnis ließ ihn nicht mehr los und gab seiner Liebe zu Vögeln zusätzlich Auftrieb.
Er machte eine Ausbildung als Beringer an der Max Planck Forschungsstelle an der Vogelwarte Radolfzell. Rund 30 Jahre lang hat er neben einem Büro-Erwerbsjob durch das Einfangen und Beringen von Vögeln ehrenamtlich die Wildvogelforschung unterstützt. Zusätzlich richtete er vor rund 35 Jahren in seinem Wohnhaus in Unteralpfen eine private Pflege- und Aufzuchtstation für Greifvögel ein. Unzählige verletzte oder entkräftete Greifvögel, die ihm Privatleute, Förster, Jäger oder Mitarbeiter von Tierheimen gebracht haben, hat Hubert Rossa schon über die Runden gebracht.
Auch wenn Greifvögel kaum natürliche Feinde haben, sind sie vielen Gefahren ausgesetzt. Häufige Verletzungs- und Todesursache ist nach Aussage von Rossa die Verdrahtung der Landschaft, Gifte wie Insektizide, die in de Nahrungskette, beispielsweise in Mäuse, gelangen, und vor allem der Straßen- und auch Zugverkehr. Besonders im Winter würden freie Straßen gern von Mäusen überquert. Fixiert auf ihre Beute, stürzten sich die Vögel dann blindlings auf sie. "Außerdem hat sich die Natur verändert, Lebens- und Nahrungsräume der Tiere werden allgemein immer mehr beschnitten", ergänzt Rossa.
Seit er täglich im Waldshuter Wildgehege tätig ist, sind in seiner privaten Station in Unteralpfen nur noch Vögel untergebracht, denen es schon wieder so gut geht, dass sie alleingelassen werden können. Vögel, die noch nicht über den Berg sind und ständig versorgt und gepflegt werden müssen, sind in einer Station im Wildgehege. Die vergangenen Tage mit Schnee und Dauerfrost haben besonders den Greifvögeln die Suche nach Nahrung schwer gemacht. Dies hat Rossa einige zusätzliche Schützlinge beschert. Nicht alle von ihnen haben es geschafft: "Zwei Mäusebussarde, die total ausgehungert und ausgetrocknet waren, konnten wir nicht durchbringen."
Bessere Chancen hat ein Waldkauz, der zunächst zwangsernährt werden musste, weil er die ihm vorgelegten Küken und Mäuse – das Wildgehege hat eine eigene Mäusezucht – nicht anrührte. Vor Kurzem hat der Waldkauz aber angefangen, selbstständig zu fressen. Nicht mehr ausgewildert werden kann ein Turmfalke, dem nach einer Verletzung ein Teil seines Flügels amputiert werden musste. Hubert Rossa hat bereits Kontakt zu einer Falknerin, die einen guten Platz für ihn in Aussicht hat. Ein Ex-Sorgenkind ist der prominenteste Bewohner des Waldshuter Wildgeheges: Steinadler Artus. Nach einer schweren Flügelverletzung konnte er zwar durchgebracht werden, ist aber seitdem nur noch eingeschränkt flugfähig und deshalb auf die Unterstützung des Menschen angewiesen. "Er ruft, balzt, tanzt, wenn ich mit dem Futter komme, er hat seine Welt akzeptiert und fühlt sich wohl", beschreibt Hubert Rossa die Verfassung des Steinadlers.
In der Auffangstation im Wildgehege finden auch andere in Not geratene Tiere und Vögel Hilfe. Wie kürzlich zwei Graureiher, die so entkräftet von Jägern gefunden wurden, dass sie nicht mehr fliegen konnten. Sie werden aufgepäppelt und sobald sie wieder bei Kräften sind, in die Freiheit entlassen. Wiederauswilderung ist laut Rossa immer das erste Ziel, aber eben nicht immer möglich. Die Vögel, die im Wildgehege leben, wie etwa Mäusebussardweibchen Maxi, Rabenkrähen, ein Eichelhäher und neuerdings auch eine Möwe, sind alles Sorgenkinder, die aufgrund eines Handicaps nicht mehr in die Freiheit entlassen werden können.
Rund 15 Vögel leben derzeit im Wildgehege Waldshut. Darunter sind auch zwei Uhu- und ein Schleiereulen-Pärchen. Schleiereulen sind das Spezialgebiet von Hubert Rossa. Früher hat er in seiner Station in Unteralpfen Schleiereulen gezüchtet und ausgewildert. Mehr als 100 hat er in Unteralpfen und Umgebung wieder angesiedelt. Mit Unterstützung des BUND hat er Nistkästen aufgestellt, besonders auch auf einem Hof nahe seines Hauses. Dieser Hof bietet mit seiner offenen Scheune ideale Bedingungen für Eulen.
2001 bekam Hubert Rossa für die Wiederansiedlung der Schleiereule den ersten Umweltpreis des Landkreises Waldshut. Seit einiger Zeit sind aber die Nistkästen wieder verwaist. Der Schleiereulenbestand ist nach Aussage von Rossa rapide zurückgegangen. Den Grund dafür kennt niemand. Hubert Rossa setzt jetzt seine Hoffnung auf das Schleiereulen-Pärchen im Wildgehege: "Ich hoffe, es gibt Nachwuchs, damit ich die Züchtung und Auswilderung der Schleiereule wieder in Angriff nehmen kann."
Die Greifvögel und ihre Besonderheiten
In unserer Region leben die Taggreifvögel Rot- und Schwarzmilan (Spannweite bis zu 1,40 Metern und damit der größte einheimische Greifvogel), Mäusebussard, Wespenbussard (ernährt sich von Wespenlarven), Raufußbussard (als Wintergast), Turm-, Wander- und Baumfalke sowie verschiedene Habichtarten wie Weihen und Sperber. Zu den einheimischen Nachtgreifvögeln zählen der Uhu und verschiedene Kauz- und Eulenarten.
- Strenger Schutz:In den 1960/70er Jahren waren Greifvögel in Deutschland fast ausgerottet. Ihre Bestände haben sich in den vergangenen Jahrzehnten wieder erholt, dank strenger Schutzbestimmungen sowie Zucht- und Auswilderungsprojekten. Alle Greifvögel sind ganzjährig geschützt, sie dürfen nicht bejagt oder in ihren Aktivitäten gestört werden.
- Allgemeines Charakteristikum: Greifvögel sind bis auf wenige Ausnahmen – wie der Wespenbussard – Jäger. Ihre bevorzugte Beute sind Insekten, Mäuse, kleine bis mittelgroße Vögel, Kleintiere wie Feldhasen und Rebhühner sowie Fische. Sehr große Greifvögel, wie der im Gebirge lebende Steinadler, sind sogar in der Lage, Steinböcke und Gämsen – meist Jungtiere, kranke oder schwache Tiere – zu erlegen oder zum Absturz zu bringen. Alle Greifvögel haben scharfe Augen, einen nach unten gebogenen Hakenschnabel und kräftige Beine mit scharfen Krallen an den Füßen.
- Fütterung: Besonders bei längerem Frost und Schnee haben es Greifvögel schwer, genügend Nahrung zu finden. Tipps, wie Greifvogelfreunde den Tieren helfen können, sind beispielsweise im Internet auf der Seite www.greifvogelhilfe.de zu finden. Örtliche Pflege- und Auffangstationen geben ebenfalls Auskunft.
- Die Falknerei: Darunter versteht man die Jagd mithilfe von abgerichteten Greifvögeln und die damit verbundene Haltung der Tiere. Der Namensgeber, der Falke, gehört zu den schnellsten und geschicktesten Greifvögeln. Falkner benötigen für die Haltung und Abrichtung von Greifvögeln eine Ausbildung und müssen die sogenannte Falknerprüfung ablegen. Die Greifvogelhaltung durch den Menschen ist etwa 4000 Jahre alt. Früher wurden die Greifvögel in der Natur gefangen, dies ist schon länger verboten. Die zur Jagd abgerichteten Tiere der Falkner sind gezüchtet. Ende des Jahres 2016 wurde die Falknerei in die Unesco-Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen. Unumstritten ist die Falknerei dennoch nicht. Kritik kommt vorrangig von Tier- und Naturschützern.