Konzertiert sitzt Rudolf Weidele (61) vor seinem Computer, überprüft Zahlen, während er telefoniert und geduldig Fragen zu einem Vorgang beantwortet. Der Alltag des Verwaltungsfachangestellten ist ausgefüllt, nie langweilig, wie er betont. Seit mehr als vier Jahrzehnten sitzt er im Rechnungsamt der Stadt Stühlingen. In dieser Zeit haben ihn andere Aufgaben nicht gereizt – selbst dann nicht, als er vor 20 Jahren heiratete und seinen Lebensmittelpunkt nach Singen am Hohentwiel verlegte.
Mehr als Bürojob
„Für mich ist diese Tätigkeit mehr als irgendein Bürojob“, erklärt Rudolf Weidele die Verbundenheit zu seiner Heimatstadt. Die ging so weit, dass er als Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr oft so lange arbeitete, bis der Probeabend begann. Er der Bauernsohn, hatte nie vor, den elterlichen Hof auf dem Kalvarienberg zu übernehmen: „Aus mir wäre kein richtiger Landwirt geworden!“ Nach dem Realschulabschluss bewarb er sich erfolgreich bei der Stadt. Sein erster Arbeitstag war der 1. August 1977. Im Eiltempo musste er sich knapp zwei Jahre später auf die Prüfung in Karlsruhe vorbereiten: „Der Andrang an Absolventen war so groß, dass ich früher als geplant den Abschluss machen konnte. Dafür musste ich richtig Gas geben“, sagt Rudolf Weidele. Die Praxis im Rechnungsamt kam erst danach, hier er bekam er auch eine neu geschaffene Stelle angeboten. Bis 1996, als die Felder verpachtet wurden, konnte er nebenbei seinen Eltern im Sommer halbtags bei der Ernte helfen.
Amtsleiter war damals Helmut Schweikert. Dessen Nachfolger wurde Edgar Kehl, ein technikaffiner Mann, der Bürgermeister Ernst Rees überzeugen konnte, Computer und Nadeldrucker anzuschaffen. „Das war einer mit MS-DOS-System von Digital-Kienzle Computersysteme“, erinnert sich Rudolf Weidele. Tabellenkalkulationen und Briefe konnten nun einfacher erstellt werden – alles ohne Internet versteht sich. Die Dateien wurden mit dem Taxi nach Freiburg gebracht, später wurden die Bänder im Wutöschinger Rathaus eingelesen. „Wenn wir einen Datensatz erstellen wollten, starteten wir das Programm vor der Mittagspause, als wir wiederkamen, war er fertig. Heute geht alles mit einem Mausklick“, erzählt Weidele.
Weidele erlebte viele Neuerungen, auch die Umstellung von der Kameralistik zur Doppik. In Corona-Zeiten lernte er die Arbeit im Homeoffice kennen. „Es ist hier eine interessante Tätigkeit, die mir immer noch Spaß macht, auch wenn vieles komplizierter geworden ist. In unserem Rathaus kann vieles auf dem kleinen Dienstweg über den Flur erledigt werden“, sagt er. „Bei uns stehen die Bürger im Büro, in großen Verwaltungen ist diese Hemmschwelle größer!“