Frau Schirmaier, was machen Sie in den Lauchringer Gemeindeteams alles?
Wir koordinieren das kirchliche Leben vor Ort, organisieren Gemeindefeste mit wie Patrozinien, halten Wortgottesfeiern, übernehmen Mesnerdienste und sind Kommunionhelfer und Lektorinnen. Ohne uns Frauen würde in jeder Pfarrei der Seelsorgeeinheit ganz viel wegfallen. Der emeritierte Kardinal Kasper hat kürzlich gesagt, ohne Frauen wäre jede Pfarrei morgen tot. Rund drei Viertel aller Ehrenamtlichen in der katholischen Kirche sind Frauen.
Für die Arbeit an der Basis sind Frauen der Kirche gut genug, nicht aber für höhere Ämter, kann man es überspitzt so formulieren?
Ja, wir Frauen machen so viel, haben aber wenig zu sagen. Gemeinde- und Pastoralreferentinnen und Religionslehrerinnen dürfen wir noch werden, aber Weiheämter, also Diakon, Priester und Bischof, sind uns verschlossen. Ich wäre sehr gerne Pfarrerin geworden. Die fehlende Gleichberechtigung in der katholischen Kirche wollen wir uns nicht länger gefallen lassen und streiken deshalb ab 13. Mai 14 Tage. Wir betreten in dieser Zeit keine Kirche, lassen unsere Ehrenämter ruhen und machen mit Aktionen auf unser Anliegen aufmerksam.
Was hat Ihr Aufbegehren ausgelöst?
Jemand hat mir von der Initiative Maria 2.0 erzählt, mit der Frauen in Münster den Missbrauch, den Zölibat und die Rolle von Mann und Frau in der katholischen Kirche thematisieren. Ich habe mir gedacht, dass wir hier auch was machen können und mit Gertrud Bernauer-Eckert und Karin Höhl schnell zwei Mitstreiterinnen gefunden. Wir beschränken uns aber auf das Thema Gleichberechtigung und den Zugang von Frauen zu allen Weiheämtern, um so über zukünftige Belange der katholischen Kirche mitentscheiden zu können.
Was war Ihr erster Schritt?
Wir haben einen Brief aufgesetzt und darin erklärt, worum es uns geht und was wir fordern. Dieser Brief ging mit der Bitte um Weiterleitung per E-Mail an Pfarrgemeinderäte und Pfarrsekretärinnen in unserer und neun weiteren Seelsorgeeinheiten. Wir haben sehr viele unterstützende Antworten bekommen, nur einige wenige waren ablehnend im Sinne von „habt ihr nichts Besseres zu tun“.
Mit welcher Begründung verwehrt die katholische Kirche eigentlich Frauen den Zugang zu Weiheämtern?
Sie beruft sich auf das Kirchenrecht, das man als ihr Grundgesetz bezeichnen kann. Es könnte geändert werden, aber die Männer wollen ihre Privilegien und ihre Macht behalten. Manchmal könnte man denken, dass wir Frauen so gut sind, dass die Männer Angst vor uns haben. Die Kirche argumentiert, dass die zwölf Apostel, denen Jesus den Auftrag gegeben hat, sein Wort zu verkünden, alle Männer waren. Das ist ein schwaches Argument. Es ist nicht bewiesen, dass es nur Männer waren. Es gab in der Urkirche Frauen, die das frühe Christentum geprägt haben. Wie Maria Magdalena. Ihr, nicht einem Mann, hat sich Jesus nach der Auferstehung zuerst gezeigt. Sie ist die erste und wichtigste Zeugin der Auferstehung und wurde 2016 per Dekret von Papst Franziskus in den Stand der ersten Apostolin erhoben. Jesus selbst hat Frauen immer auf Augenhöhe behandelt. Würde die katholische Kirche das Evangelium in den Mittelpunkt stellen, müsste sie offen für Frauen sein. Jesus steht für eine Gesellschaft, in der niemand ausgegrenzt wird.
Ich kann mir vorstellen, dass Männer in der Kirche Ihre Anliegen als Konfrontation empfinden.
Möglich, aber wir wollen keine Konfrontation und wir wollen den Männern auch nichts wegnehmen. Wir wollen einfach auf Augenhöhe gemeinsam mit ihnen die Zukunft der Kirche gestalten. Wenn sie eine haben will, muss sie in neue Richtungen denken. Bis 2030 will die Erzdiözese Freiburg die bestehenden 224 Seelsorgeeinheiten auf 40 reduzieren. Priester fehlen. Die Zahl der Austritte ist gewaltig. Hinzu kommt der demografische Wandel.
Die katholische Kirche muss sich von Grund auf erneuern?
Ja, die Kirche muss sich für Frauen öffnen, sie muss sich beim Zölibat bewegen, die Missbrauchsfälle aufdecken und die Täter, die sie geschützt hat, zur Rechenschaft ziehen und den Opfern Recht verschaffen. Sie muss transparent werden, nur dann ist ein Neuanfang möglich. Sie ist irgendwo im Mittelalter stehen geblieben, die Menschen fühlen sich von ihr nicht mehr abgeholt.
Nochmals zu Ihrem Streik, welche Aktionen kommen und wie können Menschen Ihr Anliegen unterstützen?
Am kommenden Mittwoch um 18.30 Uhr ist eine Wort-Gottes-Feier mit hauptamtlichen Frauen der Seelsorgeeinheit im Pfarrheim Oberlauchringen mit Apéro und Diskussion. Am Sonntag, 19. Mai, ist um 11 Uhr vor der katholischen Kirche Unterlauchringen eine Protestaktion, eine weitere am Sonntag, 26. Mai, um 18.30 Uhr vor der katholischen Kirche Waldshut. Unterstützen kann man uns, indem man diese Veranstaltungen besucht, für unser Anliegen betet und ganz wichtig, unsere Online-Petition (www.kirche-frauen-zukunft.de) unterschreibt. Die Unterschriften werden wir persönlich an den Erzbischof unserer Erzdiözese weitergeben.
Zur Person
Die gebürtige Waldshuterin Ulrika Schirmaier ist in Unteralpfen aufgewachsen, wohnt in Unterlauchringen, ist verheiratet und hat drei Kinder. Sie arbeitet als Verwaltungsfachangestellte bei der Stadt Waldshut-Tiengen und unterrichtet zusätzlich an der Waldshuter Heinrich-Hansjakob Schule Religion (Theologie-Fernstudium). Sie engagiert sich ehrenamtlich im katholischen Gemeindeteam Unterlauchringen und ist Pfarrgemeinderätin. Zusammen mit Karin Höhl (Pfarrgemeinderätin und Mitglied des Gemeindeteams Oberlauchringen) und Gertrud Bernauer-Eckert (Sprecherin des katholischen Gemeindeteams Oberlauchringen), setzt sich Ulrika Schirmaier seit einigen Wochen öffentlich für die Gleichberechtigung von Mann und Frau in der katholischen Kirche ein. Ab 13. Mai sind die drei überzeugten Christinnen im Kirchenstreik, um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen.