Sie gelten als gut ausgebildet und fleißig: Die Flüchtlinge aus der Ukraine, die seit vergangenem Jahr aufgrund des Kriegs in großer Zahl auch an den Hochrhein gekommen sind. Schon früh wurden seitens Kommunen und Vertretern der Wirtschaft Hoffnungen geäußert, dass hier binnen kurzer Zeit ein wichtiger Hebel gegen den gerade in der Grenzregion drastisch sichtbaren Fachkräftemangel zur Verfügung stehen könnte – insbesondere in den Bereichen Kinderbetreuung und Pflege. Wie fällt die Bilanz aus?

Wie passen Erwartungen und Wirklichkeit zusammen?

Um es vorwegzunehmen: „Die Erwartungen, dass Ankommende aus der Ukraine in der Pflege oder bei Kitas bei der Bewältigung von Fachkräfteengpässen eine Schlüsselrolle einnehmen könnten, haben sich innerhalb des Jobcenters Waldshut bisher nur in geringem Maße erfüllt“, erklärt Landratsamtssprecherin Susanna Heim auf Nachfrage unserer Zeitung.

Gleiches gilt auch für das Schulwesen: Vereinzelt seien unter den ukrainischen Staatsbürgern Lehrkräfte gewesen. Diese seien aber dahingehend beraten worden, sich über den Online-Vertretungspool des Landes zu registrieren, was die Vereinbarung von Vorstellungsgesprächen mit Schulleitern erleichtert habe: „Einige von ihnen wurden als Lehrkräfte befristet in den Schulen eingestellt, allerdings nur zur Betreuung der ukrainischen Schüler“, so Heim.

In welchen Bereichen sind Ukrainer in besonders großer Zahl untergekommen?

Der überwiegende Teil der vermittelten ukrainischen Staatsbürger und Staatsbürgerinnen wurde in der Gastronomie, dem Hotelbereich (Raumpflegerin) sowie in der Produktion vermittelt.

Wie Melanie Payer, Sprecherin der Arbeitsagentur Lörrach, auf Nachfrage mitteilt, habe sich die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten mit ukrainischer Staatsbürgerschaft im Landkreis Waldshut binnen eines Jahres von 56 auf 214 vervierfacht. Die allermeisten seien aber in Industrie, im Handwerk, Handel und Dienstleistungssektor untergekommen, so Payer weiter.

Gemäß Landratsamt Waldshut konnten 14 Menschen in den Pflegebereich vermittelt werden, „da bereits entsprechende gute Vorkenntnisse der deutschen Sprache, wie auch berufliche Kenntnisse vorhanden waren“, so Heim. Häufig hätten aber fehlende Kinderbetreuungsmöglichkeiten dazu geführt, dass sich Beschäftigungsverhältnisse nur im geringfügigen Bereich abspielen.

Das könnte Sie auch interessieren

Was sind Hürden bei der Jobvermittlung?

Größtes Problem, gerade wenn es um verantwortungsvolle Aufgaben in der Pflege oder bei der Kinderbetreuung geht, seien laut Erkenntnissen des Jobcenters Waldshut die mangelnden Deutschkenntnisse.

Hinzu kommen erhebliche Diskrepanzen bei Qualifikationen. So seien ukrainische Bildungsabschlüsse oder die Berufsausbildung mit dem deutschen Ausbildungssystem schwer vergleichbar, schildert Heim: „Vieles, wofür es in der Ukraine einen universitären Abschluss braucht, wird bei uns in der betrieblichen Ausbildung vermittelt.“ Die Anerkennungsberatungen seien aktuell überlastet, weswegen das Prozedere, bis eine Qualifikation anerkannt ist, länger dauert als gewöhnlich.

Nicht zu unterschätzen sei aber auch, dass es sich bei den Flüchtlingen aus der Ukraine vor allem um Frauen und Kinder handle. Die Möglichkeiten zur Teilhabe am Arbeitsmarkt hänge bei diesen besonders von den Betreuungsmöglichkeiten an den Kitas und Schulen ab.

Welche Schwierigkeiten gibt es bei den Behörden?

Generell seien deutlich zu wenige Integrations- und Sprachkurse verfügbar gewesen, räumt Susanna Heim ein. Das habe auch mit einem Personalmangel bei den Anbietern zu tun. Das Jobcenter Waldshut habe daher, wie schon während der Flüchtlingswelle 2015/16, bei der gemeinnützigen GWA eine Maßnahme aufgelegt, um die Wartezeit auf einen Integrations- und Sprachkurs zu überbrücken.

Aus den Erfahrungen der Flüchtlingswelle aus Syrien sei aber klar, „dass eine schnelle und auf die Bedürfnisse der ukrainischen Flüchtlinge zugeschnittene Sprachförderung ein wichtiger Erfolgsfaktor für die wirkungsvolle Teilhabe ist“. Allerdings: Auch hier schlägt der Fachkräftemangel massiv ins Kontor: Es wären deutlich mehr Dolmetscher für die Kurse nötig als vorhanden seien, so Heim.

Das könnte Sie auch interessieren

Wie steht es um Aus- und Weiterbildungsangebote?

An möglichen Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten mangele es nicht, betont Heim. Wiederum komme der Beherrschung der deutschen Sprache eine Schlüsselrolle zu. Denn um die Aus- und Weiterbildungsangebote nutzen zu können, sei mindestens ein Sprachniveau von B2 notwendig.

Das könnte Sie auch interessieren