Herr Schmitt, am Sonntag wurden Sie von den Grünen-Mitgliedern einstimmig zum Direktkandidaten Ihrer Partei für die Bundestagswahl 2026 gewählt. Am selben Abend gab es die herbe Wahlniederlage der Grünen bei der Landtagswahl in Brandenburg, in deren Folge auch die beiden Bundesvorsitzenden zurückgetreten sind. Wie haben Sie persönlich diese Woche erlebt?

Ziemlich aufwühlend – eine Woche mit vielen Gesprächen, wenig Schlaf und einigen Überraschungen. Die Wahlniederlage in Brandenburg kam nicht aus heiterem Himmel, die Umfragen haben es ja erahnen lassen. Der Rücktritt unserer Bundesvorsitzenden hat mich deutlich mehr überrascht und persönlich, beruflich, aber vor allem emotional mehr berührt.

Sie sind Referent im Bundesvorstand der Grünen für Finanz- und Haushaltspolitik und haben die „grünen Chaostage“ quasi hautnah erlebt. Wieviel Zeit verbringen Sie derzeit in Sitzungen?

Tatsächlich genauso viel wie sonst. Es ist Sitzungswoche im Bundestag und der parlamentarische Betrieb läuft wie gewohnt weiter, auch wenn die Vorsitzenden einer Partei zurücktreten. Ich habe das Ganze übrigens sehr geordnet erlebt, Omid und Ricarda haben den Rücktritt sehr sauber und mit beeindruckender Souveränität vollzogen. Die beiden gehören zu den klügsten Köpfen, die ich kennengelernt habe – und zu den menschlich größten Politikern. Sie ermöglichen den Grünen damit einen Neustart auf unserem Bundesparteitag im November. Für die Grüne Partei ist das eine große Chance. Jetzt liegt es an allen – Mitgliedern und Funktionären – sie nicht zu verspielen.

Der nächste Paukenschlag war der Rücktritt des Bundesvorstands der grünen Jugend – inklusive Parteiaustritt. Verlieren die Grünen nun die Jugend?

Ganz im Gegenteil. Die Grüne Jugend hat es nicht mehr geschafft, die Sorgen junger Menschen wie Rente, bezahlbares Wohnen, aber auch Klima glaubwürdig zu adressieren. Stattdessen haben sie sich in abstrakter Systemkritik, Klassenkampf-Parolen und dystopischem Weltschmerz verloren. So gewinnt man keine jungen Menschen, die doch etwas aus ihrem Leben machen wollen. Bei der Europawahl gab es die Quittung dafür: Unter den 16- bis 24-Jährigen wurden fast zwei Drittel der Stimmen im Vergleich zu 2019 verloren. Ich sehe in den Parteiaustritten die große Chance, dass die Grüne Jugend sich wieder auf das besinnen kann, was sie inhaltlich erfolgreich gemacht hat: Die Probleme der jungen Menschen klar adressieren, mit realistischen Lösungen und echtem Veränderungswillen.

Sie zählen selbst zu den Gründern der Grünen Jugend in Waldshut. Wie beurteilen Sie das Verhalten des Bundesvorstands?

Die Bundesspitze der Grünen Jugend hat sich schon länger nicht mehr als Jugendorganisation der Grünen Partei gesehen. Wer alles, was die Partei macht, doof findet, sollte sich die Frage stellen, ob es die richtige politische Heimat ist. Der Vorstand der Grünen Jugend hat das getan und insofern ist der Austritt folgerichtig. Mich stört allerdings, dass der scheidende Vorstand nun versucht, den Verband, den andere über Jahrzehnte aufgebaut haben, für ihr persönliches Prestigeprojekt auszuhöhlen. Das sagt viel über den Politikstil. Ich bin froh, dass die allermeisten Mitglieder der Grünen Jugend da nicht mitgespielt haben und die Aktion total kollabiert ist. Die Bahn ist jetzt frei für neue Gesichter, die sich mit grünen Zielen wie sozial gerechtem Klimaschutz oder Chancengleichheit wieder identifizieren können.

Zurück zu Ihrer Nominierung für den Bundestag: Vor drei Jahren lagen Sie mit 15,3 Prozent der Erststimmen auf Platz drei – hinter Felix Schreiner (CDU) und Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD). Sehen Sie gegen diese beiden tatsächlich die Chance auf ein besseres Ergebnis als 2021?

Würden Parteien, die in den Umfragen nicht vorne liegen, keine Direktkandidaten aufstellen, stünde es schlecht um unsere Demokratie. Ich sehe meine Aufgabe darin, Vertrauen in unsere politischen Konzepte zu schaffen und zu zeigen, dass wir Grüne als Regierungspartei in Land und Bund auch in Orten, die keine Hochburgen sind, Kandidierende aufstellen, die man nicht verstecken muss. Die 15,3 Prozent waren übrigens das historisch beste Erststimmenergebnis für Grüne in Waldshut, aber ich denke, das hatte mit mir als Kandidat nicht viel zu tun. Denn der Einfluss von Wahlkreiskandidaten ist empirisch betrachtet sehr begrenzt – der Bundestrend überlagert den persönlichen Spielraum deutlich.

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Um sich einen aussichtsreichen Platz auf der Landesliste zu sichern, müssten sie einige amtierende Abgeordnete hinter sich lassen. Haben Sie dafür schon genügend Rückendeckung im Land?

Stellen Sie sich vor, Sie sind Mitglied eines Fußballclubs. Letzte Saison ist der Club aufgestiegen, aber die Saison selbst lief dann eher durchwachsen. Würden Sie in die Qualifikationsspiele für die nächste Saison mit der exakt selben Team-Aufstellung starten wollen? Wir Grüne sind eine basisdemokratische Partei, die Parteispitze legt keine Liste vor. Jeder Platz wird bei uns einzeln von Delegierten abgestimmt, die immer neu gewählt werden und aus ganz Baden-Württemberg kommen. Ich hoffe natürlich, dass ich die Chance bekomme, mich mit frischen Ideen und Ansätzen im Bundestag einzubringen.