Die Schlangen vor den Arztpraxen sind noch bestens in Erinnerung. Bei Wind und Wetter warteten Patienten unter freiem Himmel auf das Corona-Testergebnis. Die Hausarztpraxen kamen in den Hochzeiten der Pandemie nicht mehr hinterher. Ohnehin sind sie am Anschlag – zu wenig Ärztinnen und Ärzte für zu viele Patienten.

Wenn dann noch ein Hausarzt die Praxis schließt, verschärft sich die Situation. So geschehen Ende des vergangenen Jahres in Grießen, als die Allgemeinmedizinerin Daniela Hera überraschend ihre Praxis in der Schaffhauserstraße schloss.

Die Grießener Hausarztpraxis Hera ist seit Jahresanfang verwaist. Ein Nachfolger ist nicht in Sicht.
Die Grießener Hausarztpraxis Hera ist seit Jahresanfang verwaist. Ein Nachfolger ist nicht in Sicht. | Bild: Eva Baumgartner

Über die Gründe der Schließung ist nichts bekannt. Auch die Klettgauer Gemeindeverwaltung traf die Nachricht über die Praxisaufgabe aus heiterem Himmel. Wie Bürgermeister Ozan Topcuogullari auf Nachfrage erklärte, habe es lediglich einen Anruf des Vermieters gegeben, der mitteilte, dass zum 31. Dezember 2021 die Praxisräume in Grießen frei werden.

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Zahlreiche Patienten, vor allem chronisch Kranke und ältere Menschen, die regelmäßig die Praxis aufsuchen mussten, mussten schnell einen neuen Hausarzt finden. Die beiden Praxen in Klettgau, die Praxis Nowizki in Grießen und die Erzinger Praxis Bastians, wurden mit Anfragen überrannt. Dies in Pandemiezeiten, in denen die beiden Hausärzte ohnehin am Limit waren.

Die Grießener Praxis, eine Nebenstelle der Hohentengener Praxis Nowizki, hat viele Hera-Pateinten aufgenommen, könne aber keine weiteren Patienten mehr aufnehmen, wie die dortige medizinische Fachangestellte schon vor Wochen bestätigte. Die Erzinger Praxis Bastians ließ eine Anfrage des SÜDKURIER unbeantwortet.

Der Ärztemangel ist landauf und landab ein großes Thema und treibt vor allem die ländlichen Gemeinden wie Klettgau um. Für rund 7500 Einwohner zwei ohnehin schon überlastete Hausarztpraxen?

Dazu sagt Bürgermeister Ozan Topcuogullari: „In den vergangenen Wochen und Monaten waren wir in Kontakt mit der Kassenärztlichen Vereinigung (KVBW) zur Verbesserung der Ärzteversorgung in Klettgau insgesamt.“

Selbst mit der Unterstützung der Gemeinde sei es für die Kassenärztlichen Vereinigung schwierig, Ärzte für den ländlichen Raum zu gewinnen. „Es gibt diverse Förderprogramme, mit denen die KV Ärzte in die Fläche bringen will. Leider haben diese Programme noch nicht den gewünschten Erfolg gebracht“, bedauert der Bürgermeister.

Aber man wolle als Kommune nicht darauf warten, dass sich Ärzte von sich aus für Klettgau entscheiden, macht der Bürgermeister deutlich. Deswegen werde aktuell geprüft, welche Möglichkeiten bestehen, aktiv Ärzte für Klettgau zu gewinnen.

Ärztehaus oder MVZ in Klettgau

„Wir strecken unsere Fühler in alle Richtungen aus, also der Aufbau eines Ärztehauses beziehungsweise Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) oder die Bereitstellung von ausgestatteten Räumlichkeiten sowie die verschiedenen Optionen der Trägerschaft.“

Und wie bewertet die Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) die medizinischen Unterversorgung in Klettgau?

Pressesprecher Kai Sonntag erklärt auf Anfrage: „Wir betrachten die hausärztliche Versorgung nicht auf Gemeindeebene, sondern auf Ebene des Mittelbereichs. Mittelbereiche sind Untereinheiten eines Landkreises. Die Gemeinde Klettgau gehört zum Mittelbereich Waldshut. Aktuell könnten sich dort bis zur rechnerisch ausreichenden Versorgung etwa sieben Ärztinnen und Ärzte in Vollzeit niederlassen.“

Anders ausgedrückt: Im östlichen Mittelbereich Waldshut fehlen sieben Mediziner. Eine Patentlösung könne auch die KV nicht aus dem Ärmel schütteln, sieht aber verschiedene Lösungsansätze, wie die Stärkung der Allgemeinmedizin, mehr Möglichkeiten für Mediziner im Angestelltenverhältnis sowie im Teilzeit arbeiten zu können. Auch die Digitalisierung böte Möglichkeiten, erklärt Pressesprecher Kai Sonntag.

Vor Kurzem gab Bürgermeister Ozan Topcuogullari in der Gemeinderatssitzung bekannt, dass die Gemeinde derzeit die Möglichkeiten überprüfe, ein Medizinisches Versorgungszentrum in Klettgau zu betreiben.

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