Julia Becker

Entstanden durch einen Zufall, erst seit zwei Jahrzehnten offiziell geschützt und lange wenig geschätzt – das nur elf Hektar große Naturschutzgebiet Wehrabucht hat eine bewegte Geschichte. Heute ist das Feuchtgebiet eines der wichtigsten Naherholungsbereiche Wehrs und soll im Rahmen des Projekts „Rheinuferweg extended“ mit einem neuen Aussichtspunkt verschönert werden.

Andenken: Der schlichte Stein wurde vor 13 Jahren auf Anregung der Familie Helmut Masurats errichtet.
Andenken: Der schlichte Stein wurde vor 13 Jahren auf Anregung der Familie Helmut Masurats errichtet.

Entstanden ist das heutige Feuchtgebiet erst 1930 durch den Bau des Kraftwerks Ryburg-Schwörstadt. Durch den Rückstau des Rheins entstand an der Wehramündung eine kleine Auenlandschaft. Viele Wehrer erinnern sich noch gerne an die Zeit zurück, als man auf den kleinen zugefrorenen Seen Schlittschuh laufen konnte. Mit der Aufschüttung des Abraums vom Bau des Kavernenkraftwerks Säckingen 1968 änderte sich diese Landschaft dann grundlegend. Durch den neuen Damm wurde der westliche Teil von Wehra und Rhein getrennt, ein See entstand. Die so entstandene Kombination unterschiedlichster Lebensräume in diesem eher kleinen Bereich lockte dann eine Vielfalt an Arten an die Wehrabucht, die ihres Gleichen sucht.

Farbenfroh: 128 Vogelarten wurden bei der letzten offiziellen Zählung 2005 entdeckt. Vor allem seltene Singvögel leben hier, Wasservögel ...
Farbenfroh: 128 Vogelarten wurden bei der letzten offiziellen Zählung 2005 entdeckt. Vor allem seltene Singvögel leben hier, Wasservögel nutzen das Gebiet als Winterquartier, andere als Rastplatz auf dem Weg in den Süden. Bild: privat

Rund 130 Vogelarten sind hier beheimatet, 60 davon stehen auf der Roten Liste. Dazu kommen Biber, Prachtlibellen, Fledermäuse oder auch seltene Frosch- und Krötenarten. Ein Bewusstsein für dieses Kleinod stellte sich aber erst später ein. So sollte Anfang der siebziger Jahre hier die neue Kläranlage gebaut werden. Erst nach langem Streit mit dem Regierungspräsidium wurde für dieses Vorhaben dann doch die aufgeschüttete Abraumfläche neben dem See gewählt, ein Glücksfall für das artenreiche Feuchtgebiet.

Seltenheitswert: Der extrem seltene Fischadler wurde bisher nur auf der Durchreise gesichtet. An der Wehrabucht teilt er sich den Platz ...
Seltenheitswert: Der extrem seltene Fischadler wurde bisher nur auf der Durchreise gesichtet. An der Wehrabucht teilt er sich den Platz mit 45 verschiedene Arten von Wasservögel, fast 70 Singvogelarten, Spechte und Tauben sowie 14 unterschiedliche Greifvögel. BILD: PRIVAT

Auf Initiative des Ornithologen Hartmut Masurats wurde die Wehrabucht 1997 schließlich zum Naturschutzgebiet erklärt. Auch von Seiten der Stadt hat man die Bedeutung des kleinen Naturschutzgebietes erkannt. Im Rahmen des Interreg-Projekt „Rheinufer-Rundweg extended“ zur Internationalen Bauausstellung (IBA) Basel 2020 soll auch ein Aussichtspunkt am Ostufer der Wehrabucht aufgeschüttet werden, eventuell sogar ergänzt durch einen Aussichtsturm. So soll die Naturschutzgebiet zum Aushängeschild der Stadt werden, sogar das Ende des Wanderweges Schluchtensteigs könne hierher verlegt werden, heißt es von Seiten der Stadt.

Ein Denkmal für einen Naturfreund

Bei einem Spaziergang am Rhein entlang der Wehrabucht steht er ganz unauffällig an der Rheinseite des Weges: ein einfacher Findling mit schlichter Metallplatte erinnert an den Mann, ohne den es heute vermutlich kein Naturschutzgebiet Wehramündung geben würde. Zeit seines Lebens hatte sich der Ornithologe und Lehrer Hartmut Masurat für den Schutz der Natur und der Vogelwelt eingesetzt. Geboren 1936 im ostpreußischen Allenstein, studierte der junge Mann in Freiburg Biologie und Mathematik auf Lehramt. Später zog der Realschullehrer mit seiner Familie nach Dossenbach. Neben seiner Lehrtätigkeit studierte er Biologie mit Fachrichtung Ornithologie im Fernstudium, publizierte eine Vielzahl an Fachartikeln und war als ehrenamtlicher Naturschutzwart in Wyhlen tätig.

Mit Unterstützung der BUND-Ortsgruppe engagierte er sich zudem dafür, dass aus dem Mündungsgebiet der Wehra ein Naturschutzgebiet werden solle. Von seitens der damaligen Stadtverwaltung sah man wenig Bedarf an einem Schutzgebiet: "Wegen dene paar Vögele macht man doch kein Aufhebens", so der damalige Bürgermeister zu dem Vorhaben. Doch die Beharrlichkeit Masurats zahlte sich aus: Drei Jahre vor seinem frühen Tod wurde 1997 die Wehramündung, eines der wichtigsten Biotope am Hochrhein, endgültig unter Naturschutz gestellt. Genauso bescheiden wie der Mann, dem er gewidmet ist, fällt heute auch der Gedenkstein aus. Heute erinnert er Spaziergänger daran, wem sie dieses Kleinod am Rhein zu verdanken haben. Wie es einst Hartmut Masurat selbst gesagt hat: "Wenn ich einmal gestorben bin, geht an die Wehrabucht, dort werde ich dann sein."