Ursula Freudig

Herr Jockers, was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie auf 50 Jahre Wildgehege zurückblicken?

Es waren 50 Jahre voller Aufbruchstimmung, Bewegungen, Entwicklungen mit täglich neuen Herausforderungen. Es erfüllt mich und uns Vereinsmitglieder mit Freude und etwas Stolz, dass das Wildgehege sich so erfolgreich entwickelt hat, es sich solch großer Beliebtheit bei Jung und Alt erfreut und die Besucher von weit her zu uns kommen. So waren an einem sonnigen Sonntag vor Kurzem geschätzt rund 1000 Besucher da. Das Wildgehege ist eine Erfolgsgeschichte, deshalb haben wir auch allen Grund, dieses Jahr im Juli seinen 50. Geburtstag zusammen mit der Bevölkerung zu feiern. Durch die Pandemie bedingt, mussten wir unser bereits für das letzte Jahr geplante Fest um ein Jahr verschieben.

Wer hatte die Idee für das Wildgehege und wie wurde sie umgesetzt?

Die Idee hatte Eduard Plasa, der damalige Förster der Stadt Waldshut. Das betreffende Waldgebiet auf dem Mühleberg war mit Hochspannungsleitungen überspannt und konnte waldwirtschaftlich nicht genutzt werden. Plasa fand schnell Mitstreiter für sein Vorhaben. Das waren der Bauunternehmer Karl Schleith, der Stadtkämmerer Hans Single und ich als Tierarzt. Es gelang uns rasch, den damaligen Waldshuter Bürgermeister Friedrich Wilhelm Utsch und den Gemeinderat von unserer Idee zu über-zeugen. Bereits am 5. April 1971 stimmte der Gemeinderat der Errichtung eines Wildgeheges auf dem Mühleberg auf Basis eines Vereins einstimmig zu. Ende Mai 1971 fand dann die Gründungsversammlung unseres Vereines statt. Karl Schleith wurde Vorsitzender, ich stellvertretender Vorsitzender, Hans Single übernahm die Finanzen, Eduard Plasa wurde Wildwart, Andreas Bader Schriftführer und Alex Gröber und Josef Eckert wurden Beisitzer. Wir hatten alle verschiedene Berufe, was uns sehr wichtig war, denn jeder sollte von seiner Warte aus Ideen einbringen. Von uns Gründungsmitgliedern sind noch zwei am Leben.

Was steht in der Satzung Ihres Vereins als Vereinsziel?

Das Wildgehege sollte ein Anziehungspunkt werden für die Bevölkerung, eine Oase der Ruhe sollte entstehen und was uns besonders wichtig war und ist: ein Ort des Lernens für die Jugend. Wir wollen der Jugend die heimische Tierwelt näher bringen und ihnen Zusammenhänge in der Natur erklären, was in der heutigen Zeit wichtiger ist denn je.

Woher hatte der Verein das Geld für das Projekt?

Das Startkapital für unser Vorhaben kam vom Badenwerk, das auf der betreffenden Fläche bislang die Starkstromleitungen von Bewuchs freizuhalten hatte. Wir verpflichteten uns, dies zukünftig zu übernehmen und erhielten hierfür als einmalige Zahlung 25.000 D-Mark. Damit konnten wir starten. Die Baumaschinen der Firma Schleith rückten an. Vermessungen begannen, umfangreiche Erdarbeiten waren nötig, für Wasserzufuhr wurde gesorgt, es wurden Zäune gezogen und ein Kiosk errichtet.

Welches waren die ersten Tiere im Wildgehege?

Als erstes kam eine Bache mit ihren Frischlingen ins neue Gehege. Als wir sie am 19. Juni 1971 im Wildgehege aussetzten, war das ein richtiges kleines Volksfest. Auch die Presse war gekommen. Bereits im Dezember kamen weitere Tiere. Durch Vermittlung von Manfred Kirchgässner, dem damaligen Stadtrat und Begründer der Städtepartnerschaft Waldshut-Blois, bekam das Waldshuter Wildgehege einen Rothirsch und eine Hirschkuh aus dem Wildpark Chambord geschenkt. Sie wurden auf den Namen Manfred und Andrée getauft als Ausdruck des Dankes an Kirchgässner und Andrée Pigeon, damaliger Direktor der Landwirtschaftskammer Blois. Anfang Juni 1973 war die offizielle Eröffnung des Wildgeheges. In sieben Gehegen lebten zu diesem Zeitpunkt bereits rund 90 Tiere.

Aber das war lange noch nicht das Ende...

Nein, es kam ein Gehege zum anderen mit immer weiteren Wildarten. Heute leben im Wildgehege Rot-, Dam-, Sika- und Muffelwild, Steinböcke und Wildschweine. Wir wollen der Bevölkerung gezielt nur Tierarten aus der Region zeigen. Neben den Wildtieren haben wir auch Vögel, die in der Regel verletzt zu uns gebracht wurden oder aus menschlicher Obhut nicht mehr ausgewildert werden können. Wir sind auch Auffangstation geworden, besonders für verletzte Greifvögel, die wir nach ihrer Heilung möglichst wieder in die Freiheit entlassen. Nicht vergessen dürfen wir unsere Zwergziegen mit ihrem Nachwuchs und die Kaninchen und Meerschweinchen, die die besonderen Lieblinge der Kinder sind.

Nochmals zum Geld: Mit den 25.000 D-Mark sind Sie doch sicher nicht allzu weit gekommen, oder?

Wir haben schon sehr früh aus der Bevölkerung Spenden bekommen. In kürzester Zeit hatten wir ein kleines Vermögen von 50.000 D-Mark zusammen und konnten so den weiteren Fortgang finanzieren. Die Vereinsmitglieder arbeiten alle von Anfang an ehrenamtlich und die Stadt übernimmt die Lohnkosten für die beiden fest angestellten Mitarbeiter, das sind Andreas Armbruster und Hubert Rossa. Der Verein selbst muss jährlich zur Deckung der Kosten rund 60.000 Euro erwirtschaften. Dies geschieht durch die freiwillig bezahlten Eintrittsgelder, durch Wildverkauf, durch Abgabe der Futterpäckchen aus den Automaten, durch die Verpachtung des Kioskes und der rustikalen Hütte zu vielerlei Anlässen und durch Spenden. Daneben bewirtschaften wir selbst angepachtete Flächen zur Grünfutter- und Heugewinnung. In den vergangenen 50 Jahren sind wir immer ganz gut über die Runden gekommen.

Gibt es in dieser 50-jährigen Erfolgsgeschichte auch Vorkommnisse, an die Sie sich nicht gerne erinnern?

Ja, das sind die zahlreichen Stürme und Unwetter, die immer häufiger auftreten. Oft richten auf Hütten und Zäune umstürzende Bäume große Zerstörungen an. Der Sturm „Lothar“ zum Beispiel hat uns rund 80.000 D-Mark gekostet. Ungern denke ich auch an ein Feuer, bedingt durch Brandstiftung, wodurch die komplette Hirschfütterung mit der Beobachtungstribüne abbrannte. Unschön ist die Erinnerung an wiederholte Einbrüche mit viel Zerstörung im Kiosk. Dieser ist jetzt durch eine Alarmanlage abgesichert. Es passieren immer wieder unvorhersehbare Dinge, für die wir ein finanzielles Polster brauchen.

Sehen Sie die Zukunft des Wildgeheges als gesichert an?

Ja, es ist fest im Bewusstsein der Bevölkerung verankert und die Stadt ist sehr daran interessiert, das Wildgehege als Naherholungseinrichtung zu erhalten. Wir als Verein fühlen uns als Sachwalter, das Gehege ist eine Einrichtung für uns alle, jeder Besucher sollte sich dessen bewusst sein.

Wissen Sie schon, wann und wie Sie 50 Jahre Wildgehege feiern?

Wenn die Pandemie es erlaubt, werden wir am Sonntag, 10. Juli, mit der ganzen Bevölkerung feiern. Es soll ein Fest werden mit Programm, auch für die Jugend. Wir haben für die Vorbereitung einen Arbeitskreis gegründet. Der Aufwand ist groß, doch wir sind mit Freude an der Arbeit. Beginnen werden wir mit einem ökumenischen Gottesdienst, danach möchten wir ein abwechslungsreiches Programm anbieten und natürlich wird auch für das leibliche Wohl gesorgt sein.

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