Pater Jordan, viele Leser sind durch Ihre bevorstehende Seligsprechung auf Sie, den Ordensgründer der Salvatorianer und Salvatorianerinnen, aufmerksam geworden. Wenn Sie, der unter den Erschütterungen in der katholischen Kirche des 19. Jahrhunderts gelitten hat, heute auf die katholische Kirche schauen, was bewegt Sie und was sind Ihre Empfehlungen?

Mein Traum war und ist es, dass an der Verkündigung der lebensspendenden Botschaft von Jesus Christus, dem Heiland der Welt, nicht nur einige „Spezialisten“ tätig sind, sondern Frauen und Männer, Kinder und Jugendliche aktiv in die Glaubensvermittlung eingebunden werden. Mit ihren unterschiedlichen Begabungen (Charismen) sollen sie wie die Apostel Gottes bedingungslose Liebe glaubwürdig verkünden und das heilende Wirken Jesu heute fortsetzen. Und gerade in Zeiten der Entsolidarisierung und der Vereinzelung, wo Fäden eine Gemeinschaft nicht mehr verbinden, sondern die Gesellschaft zerrissen und zerklüftet ist, braucht es Menschen, die in der Nachfolge von Jesus Christus das Evangelium und die lebensspendende Frohbotschaft verkünden.

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Pater Jordan, Sie haben mit Ihrem zukunftsorientierten Weitblick bereits vor 140 Jahren gespürt, dass Gläubige effektiver sind, wenn sie ihre vielfältigen Gaben und Kräfte bündeln und sich gemeinsam für das Heil der Menschen einsetzen.

Ja, meine Vision war es, dass durch unsere Salvatorianischen Gemeinschaften von der Kirche ein neuer erfrischender Hauch ausgeht und das katholische (allumfassende universale) Bewusstsein erneuert wird. Laien, Priester, Ordensfrauen und Ordensmänner, alle sollen zusammenwirken, dass Jesus Christus gekannt und geliebt wird und Menschen durch ihn Glück und Heil erfahren.

Inzwischen gibt es weltweit etwa 3000 Salvatorianer, Salvatorianerinnen, Salvatorianische Laien und viele Freunde des Salvatorianischen Lebens, die von Ihrem Auftrag begeistert sind, darin Sinn finden und ihr Leben dafür einsetzen. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?

Nun, das ist eine große Freude zu wissen, dass so viele Menschen meiner Vision gefolgt sind. Eine seligmachende Freude wäre es für mich, wenn sich durch meine Seligsprechung noch mehr Menschen weltweit und vor allem in diesen tiefgründigen Umbruchzeiten dem salvatorianischen Grundgedanken anschließen könnten. Das bedeutet, dass Männer und Frauen aus unterschiedlichen Kulturen und Lebensräumen gemeinsam Seite an Seite die Frohe Botschaft Gottes verkündigen und sichtbare Zeugnisse geben. Das fördert Vertrauen und Respekt füreinander, sodass jede und jeder für ihr Leben und für ihre Sendung einen Beitrag zu leisten vermag.

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Im Jahr 2007 wurde durch die gemeinsam geschriebene „Charta der Salvatorianischen Familie“ ein Meilenstein gesetzt. Sind Sie, Pater Jordan, von diesem Meilenstein überzeugt?

Das war gut und richtig, denn es wird helfen, das Salvatorianische Charisma gemeinsam zu reflektieren. Vieles, was bereits gelebt wurde, ist in neue Worte gefasst, die der Gemeinschaft helfen, sich immer wieder neu vom Geist Gottes inspirieren zu lassen.

Pater Jordan, Sie bezeugten die Güte und Menschenfreundlichkeit Gottes sowohl in ihrer Sendung als auch in der Art und Weise, wie Sie den sinnsuchenden Menschen beistanden und sie begleiteten, vor allem im Gebet. Wie bewerten Sie die Wirkung des Gebets für die Menschen?

Das Gebet ist die größte Weltmacht, es ist die Münze, die im Himmel geprägt wird. Deshalb meine dringende Empfehlung: werdet Menschen des Gebetes! Also beten, und wiederum beten, und nochmals beten! Ich wiederhole: Orate sine intermissione! (Beten Sie ohne Unterlass!). Die Zeit ist nicht verloren, die zum Gebet verwendet wird.

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Pater Jordan, wie sehen Sie die Rolle der Frau in der Kirche?

Für mich war es immer klar, dass nur Männer und Frauen gemeinsam erfolgreich evangelisieren können. Dreimal habe ich mich um die Mitarbeit einer Frauengemeinschaft bemüht. Die dritte Gründung, die heutigen Salvatorianerinnen, haben seit 1888 mit der ersten Generaloberin Therese von Wüllenweber, der Seligen Maria von den Aposteln, weltweit ihren unverzichtbaren Beitrag geleistet.

Therese von Wüllenweber mit 35 Jahren auf Schloss Myllendonk 1868, sie war die erste Generaloberin der Salvatorianerinnen.
Therese von Wüllenweber mit 35 Jahren auf Schloss Myllendonk 1868, sie war die erste Generaloberin der Salvatorianerinnen. | Bild: SDS-Archiv

Würden Sie heute wieder genauso vorgehen, wenn es um die Ordensgründung geht?

Ich wollte eigentlich keinen Orden gründen, sondern alle Menschen guten Willens einbeziehen in ein weltweites Institut, damals Katholische Lehrgesellschaft genannt. Alle sollten nach Möglichkeit mitwirken können, dass Jesus Christus als der Heiland der Welt bekannt gemacht wird. Die kirchenrechtlichen Umstände erlaubten dies damals nicht. Nach dem II. Vatikanischen Konzil konnten die Salvatorianischen Laiengemeinschaften wieder aufleben.

Was würden Sie in der heutigen Zeit unternehmen, um mehr Menschen aktiv an der Arbeit der Kirche teilhaben zu lassen?

Wir tun, was möglich ist. Diese Frage müsste der Amtskirche in Rom gestellt werden, die um eine zeitgemäße Struktur ringt, um die bessere Beteiligung aller zu gestatten.

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Wie würden Sie mit Missbrauch in der Kirche umgehen?

Er dürfte gar nicht stattfinden. Das ist ein leidvolles Thema, das viel zu lange vertuscht wurde. Transparenz – Ausbildung – Weiterbildung – Selbstbewusstsein stärken – Strukturen anpassen. Es geschieht viel, es muss weiter daran gearbeitet werden.

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Was sehen Sie für Gründe, dass die Ordensgemeinschaften immer weniger Mitglieder bekommen, Orden sogar aussterben?

Das Thema der Berufungen zieht sich rund um den Globus. Im 19. Jahrhundert gingen die Initiativen von Europa aus. Es ist wie die Vierfelderwirtschaft früher oder wie die Jahreszeiten. Es gibt Brachland und Winterruhe. Weltweit gibt es mehr Ordensgemeinschaften und Ordensleute. Derzeit wächst die Kirche in anderen Erdteilen. Wenn eine Ordensgemeinschaft wie eine Firma verwaltet wird, verliert sie an Strahlkraft. Ich war immer überzeugt, andere werden kommen, sie werden unserer Leiden eingedenk sein und weiterarbeiten. Diese anderen kommen jetzt, wir müssen sie demütig annehmen wie sie sind, unterstützen und mit ihnen neuen Schwung aufnehmen. Gott beruft immer, es braucht Menschen, die den Ruf hören und ihm folgen und geeignete Landeplätze für die Berufenen.