Eine in ihrer Deutlichkeit bislang einmalige Form des Eklats erlebten die zahlreichen Besucher der jüngsten Gemeinderatssitzung in Waldshut-Tiengen. Aus Anlass der Krankmeldung der Ersten Beigeordneten Petra Dorfmeister brachte das Gremium in einer gemeinsamen Stellungnahme seine Betroffenheit und Verärgerung über die aktuellen Entwicklungen zum Ausdruck. Von Oberbürgermeister Philipp Frank forderten die Ratsmitglieder eine Rückbesinnung auf die von ihm in seinem Amtseid geleisteten Werte.

Oberbürgermeister Frank konterte die Kritik, sprach sogar von „Rufmord“ an seiner Person und langjährigen Verwaltungsmitarbeitern, der passgenau auf den Auftakt der Bewerbungsfrist zur OB-Wahl gefallen sei. In einer mehrseitigen Stellungnahme wies Frank alle zurück, konfrontierte den Gemeinderat seinerseits mit Kritik.

Gemeinderat ist „fassungslos“ über jüngste Entwicklungen

Einhellig erhoben sich die Gemeinderatsmitglieder aller Fraktionen in der jüngsten Sitzung von ihren Plätzen als sichtbares Zeichen des Protests, während Bürgermeisterstellvertreter Peter Kaiser (CDU) im Namen aller Anwesenden die Erklärung des Gremiums verlas.

Darin monierte das Gremium, dass das Ansehen der Stadt unter ‚den erneuten Konflikten‘ zwischen OB und der Beigeordneten leide. Das Ganze werfe ein schlechtes Licht auf die gesamte Verwaltung und auch auf den Gemeinderat. „Wir sind fassungslos, weil es schon die 3. Person im Amt des Beigeordneten ist, die auf Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit mit dem Oberbürgermeister trifft“, heißt es in der Stellungnahme, die unserer Zeitung vorliegt, weiter.

„Mangelnde Führungskompetenz und unzureichende Kommunikation“

Dass es „zwischen der Führungsspitze und in der Zusammenarbeit mit weiteren Führungskräften erkennbare Defizite gibt“, sei in der vorangegangenen Sitzung offensichtlich geworden: „Unserer Auffassung nach liegt das an einer mangelnden Führungskompetenz und einer unzureichenden Kommunikation des Oberbürgermeisters“, betonen die Stadträte.

Das Gremium „kann diese Situation so nicht mehr hinnehmen“. Die „Art der Verwaltungsführung“ sei nicht mehr tragbar, trotz mehrfacher Forderungen nach Verbesserungen aus dem Ratsrund seien diese nicht feststellbar. Und dennoch haben die Ratsmitglieder die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass sich das Steuer noch herumreißen lasse.

Zwei deutliche Forderungen geben die Ratsmitglieder laut ihrer Stellungnahme dem OB mit auf den Weg: Er solle seinem gesetzlichen Auftrag nachkommen und „Schaden von der Verwaltung und auch innerhalb der Verwaltung“ abwenden. Darüber hinaus solle er den Konflikt „zwischen allen Beteiligten“ umgehend lösen, sobald die Beigeordnete wieder im Dienst sei.

OB: „Vorwürfe haben überrascht und sind unbegründet“

Scharf fiel die Reaktion des Oberbürgermeisters aus. Das Verhalten des Gremiums geißelte er generell als schädlich für die Stadt und ihre Verwaltung, mithin auch für das Gremium selbst. Denn der „eigentliche Skandal“ aus Sicht des Rathaus-Chefs sei, dass aus nichtöffentlicher Sitzung Informationen an die Öffentlichkeit bewusst herausgegeben worden seien, obwohl es klare gesetzliche Vorgaben gebe. Noch dazu wertete er die Informationen als „so schwammig, dass Spekulationen Tür und Tor“ geöffnet worden seien. Einzelheiten, die zur Beseitigung von angeblichen Unklarheiten beitragen könnten, blieb Frank allerdings schuldig.

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Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe wies er jedoch als „unbegründet“ zurück. Vielmehr sei er davon überrascht worden. Insbesondere wisse er nichts von einem Konflikt mit der Beigeordneten, „der ein solches Auftreten des Gemeinderats rechtfertigt“, so Frank weiter. Auch sei es ihm bislang nicht gelungen, mit Dorfmeister in Kontakt zu treten, um mit ihr über die in Rede stehenden Vorkommnisse zu sprechen.

Scharfe Kritik an der Haltung des Gemeinderats

Dass der Gemeinderat diese Gesetze offenbar nicht wertschätze. Dass „kein einziger Gemeinderat“ sich über einen „solchen Regelbruch“ empört habe. Dass er mit einer Stellungnahme voller „Verurteilungen“ konfrontiert werde, ohne dass überhaupt ein Stadtrat vorab mit ihm das Gespräch gesucht habe. All das wertet Frank als „bezeichnend“ und weit schädlicher für die Verwaltung, für die Stadt als Arbeitgeber und politisches Zentrum im Landkreis, als alles andere.

Sachliche Vorschläge zur Verbesserung der Lage könne er in der Stellungnahme nicht erkennen. Mehr noch habe er sich in den vergangenen Tagen auch aus dem Gemeinderat heraus mit Vorwürfen konfrontiert gesehen, die ihn an „Merkel muss weg“-Parolen aus der Hochphase der Corona-Pandemie gewahrten. „Es geht hier nicht um die Sache, sondern um Anfeindungen. Man gewinnt den Eindruck, dass es hier vor allem um die OB-Wahl geht“, so Franks Einschätzung. Er selbst stufe das Ganze als „Rufmord-Geschichte“ ein, „der man leider nichts entgegensetzen kann.“

Franks Empfehlung an das Gremium lautete letztlich: „Wenden Sie sich an die Rechtsaufsicht im Regierungspräsidium, wenn Sie etwas zu beanstanden haben.“ Einer etwaigen Untersuchung aller Vorwürfe könne er „entspannt“ entgegensehen. Einstweilen lade er das Gremium zu einer sachlichen Kooperation ein.

Weitere Wortmeldungen aus dem Gremium ließ Frank in seiner Funktion als Sitzungsleiter allerdings nicht zu.

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