Frau Baumann, Sie haben das Lerncenter Kumon in Küssaberg vor 17 Jahren gegründet. Sie stammen aus Bulgarien und wollten in Deutschland eigentlich als Lehrerin arbeiten, aber sie durften nicht. Warum?

Ich bin in Bulgarien geboren, habe dort Philologie studiert, also Sprach- und Literaturwissenschaften, und als Gymnasiallehrerin gearbeitet. Ich habe versucht, auch in Deutschland in diesem Beruf Fuß zu fassen, allerdings wurde mein Studium hier nicht anerkannt. Deshalb habe ich vor fast 17 Jahren das Kumon-Lerncenter gegründet. Heute darf ich – anders als vor 20 Jahren – zumindest als Vertretungslehrerin arbeiten, was ich auch seit Februar 2015 tue. Leider wird mein Master-Abschluss immer noch nicht adäquat in Deutschland anerkannt, obwohl ich ihn an einer europäischen Universität absolviert habe.

Das heißt, Sie arbeiten heute zum einen als Lehrerin und zum anderen als Kumon-Instruktorin?

Genau, Lehrerin zu sein ist mein Beruf, aber als Kumon-Instruktor habe ich meine Berufung gefunden – ich widme mich beiden mit großer Freude und Leidenschaft.

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Was genau ist Kumon?

Kumon ist eine aus Japan stammende Methode der individuellen Lernförderung für Kinder. Diese begeistert mich nun schon 17 Jahre lang immer wieder aufs Neue, weil Kumon nicht einfach Mathe-Nachhilfe ist, sondern ein Programm, das die richtige Einstellung zum Lernen fördert und dies mit dem ultimativen Ziel, das eigene Potenzial zu entdecken und vollends zu entfalten. Viele meiner Schüler starten mit dem Programm, weil sie das eine oder andere versäumte Thema in der Schule nachholen möchten/müssen oder, weil ihre Schulnoten in diesen Fächern nicht besonders gut sind. Erstaunt entdecken sie dabei die eigenen Fähigkeiten in diesen Fächern und wollen mehr – sie möchten für sich, aus eigenem Antrieb weiterkommen. Meine Schüler überraschen mich immer wieder mit ihren Leistungen, viele liegen weit über den Erwartungen für ihr Alter, so rechnet zum Beispiel ein Viertklässler sicher und mit Freude mit Brüchen. Alle Kinder sind unterschiedlich, so auch ihre Begabungen und Fähigkeiten. Kumon ist so durchdacht, dass es wissbegierige Kinder früh fördert und weiterbringt und den verängstigten die Angst vor dem Fach nimmt. Individualität steht bei diesem Programm im Vordergrund.

Redakteurin Susann Duygu-D‘Souza im Gespräch mit Rossitza Baumann.
Redakteurin Susann Duygu-D‘Souza im Gespräch mit Rossitza Baumann. | Bild: Osman Duygu

Welche Fächer gibt es?

Mathe und Englisch.

Wie sind Sie auf Kumon aufmerksam geworden?

Über eine Freundin aus England. Ich bin dann zu meinem 40. Geburtstag zu ihr gefahren und habe mir vor Ort ein Bild der Einrichtung gemacht. Dann habe ich beschlossen: Das mache ich auch. Ich habe dann Fort- und Weiterbildungen absolviert, bevor ich 2005 damit begonnen habe. Allerdings habe ich auch Bedenken gehabt: Wir waren hier neu hergezogen, und ich dachte mir, dass es schwierig werden kann, weil ich niemanden kenne, dazu aus einem fremden Land stamme.

Aber Ihre Ängste waren unbegründet?

Richtig! Ganz im Gegenteil. Ich habe die großzügigen Räume im Evangelischen Gemeindehaus im Küssaberg bekommen und viele Familien haben mir und der Methode vertraut. Es war großartig. Ich fühlte mich endlich in Deutschland angekommen.

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Wie viele Kinder haben Sie schon unterrichtet?

Das kann ich nicht genau sagen, aber zu Höchstzeiten hatte ich um die 100 Kinder pro Monat, wobei viele Kinder über etliche Jahre bleiben. Leider hat Corona die Situation erschwert. Selbstverständlich verfolgen wir ein gründliches Hygienekonzept inklusive Abstandsregeln, um maximale Sicherheit zu gewährleisten. Die Schüler können vor Ort und/oder per Online-Unterricht am Lerncenteralltag teilnehmen. Bei einem Lockdown geht das Lernen selbstverständlich auch weiter, ähnlich wie in der Schule. Von zu Hause aus werden weiterhin Aufgabenblätter bearbeitet und der Unterricht wird online getätigt. Neue Materialen werden abgeholt oder zugesendet.

Was war das Schönste, das Sie in Ihrer Kumon-Zeit erlebt haben?

Ich freue mich immer, wenn Eltern oder Schüler berichten, dass die Noten besser geworden sind und ihre Erwartungen übertroffen wurden. Und Aussagen wie: „Mein Kind ist in der Schule viel selbstbewusster und glücklicher“ oder „Ich liebe Mathe“ machen mich glücklich und bestätigen mir immer wieder aufs Neue, dass die individuelle Förderung das Erfolgsgeheimnis von Kumon ist. Es ist toll zu wissen, dass man geholfen hat.

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Sie sind aus Bulgarien nach Deutschland gezogen. Der Liebe wegen?

Eigentlich schon. Meine Schwester hat in Deutschland gelebt und ich bin immer wieder in den Ferien hierher gekommen, um Geld zu verdienen und so mein Studium in Bulgarien finanzieren zu können. So habe ich meinen heutigen Mann kennengelernt, denn er war der Nachbarn meiner Schwester.

Und dann stand gleich fest, Sie ziehen nach Deutschland?

Nein, das war eine einfache Entscheidung, zumal ich damals dann schon als Lehrerin in Bulgarien gearbeitet hatte und wusste, dass ich in Deutschland kaum eine Chance dazu habe, da ich die Sprache (noch) nicht gut beherrscht habe. Außerdem hatte ich schon einen Sohn. Heute – 26 Jahre später – sind wir immer noch glücklich verheiratet. Wir haben zwei tolle, erfolgreiche Kinder und mein Mann unterstützt mich weiterhin bei allen meinen Vorhaben.

Wie haben Sie eigentlich Deutsch gelernt?

Na ja, damals gab es keine Integrationskurse. Ich bin einfach in die Sprache eingetaucht. Meinen Akzent und die Fehlerrechen merkt man bis heute aber (lacht). Für mich war aber sehr wichtig, dass ich Deutsch lerne und mich nicht ausgegrenzt und fremd fühle. Ich wollte Bücher lesen und genießen können, Musiktexte verstehen, mich am Spielplatz mit den anderen Mamis unterhalten können, Freundschaften schließen. Auch beruflich Fuß fassen, um in meinem Beruf als Lehrerin arbeiten zu können. Anders gesagt: Ich wollte mich integrieren und in Deutschland Zuhause fühlen.

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