Groß waren die Ambitionen, die beim Projektstart an das Klettgau-Carré geknüpft wurden. Ein repräsentatives Geschäftshaus sollte entstehen, mit Magnet- und Vorbildfunktion. Sieben Jahre sind seither ins Land gezogen. Die Euphorie ist längst verflogen – bei der Stadt ebenso wie beim Investor. Stattdessen herrscht bei allen Beteiligten ein gerütteltes Maß an Frust, Ernüchterung und Verärgerung. Inzwischen ist es sogar ungewiss, wie es mit dem millionenschweren Großprojekt weitergeht – denn der Berg an Herausforderungen scheint nur immer weiter anzuwachsen.
Start mit großer Euphorie
„Wir sind vielleicht zu enthusiastisch gewesen.“ So blickt Investor Claus Schleith heute auf die Anfangszeit des Projekts im Jahr 2015 zurück. Bei einer Bürgerversammlung wurden die Pläne erstmals vorgestellt, die Reaktionen auf allen Seiten hätten den Investor und seine Mannschaft bestärkt, das Vorhaben anzugehen. Ein Jahr später wurde der Kaufvertrag mit der Stadt abgeschlossen.
Die Euphorie sei damals bei allen Beteiligten groß gewesen – und sie schien begründet: Gemeinsam, so die Zielsetzung, war man dabei, am südlichen Ausläufer der Tiengener Altstadt etwas Großes zu schaffen, ein Projekt mit Magnetwirkung, architektonisch wie auch von der Belegung ein Vorhaben mit Strahlkraft, noch dazu eingebettet in den Kontext des Sanierungsprogramms „Tiengen Innenstadt-Süd“.
Einzelhandel, ein Hotel, Büroräume und eine Sparkassenfiliale, dazu reichlich Parkfläche auf zwei Tiefgaragengeschossen sollte entstehen – und das nach den Wünschen des Investors Schleith möglichst schnell: „Natürlich kam es uns darauf an, zügig starten zu können. Bis 2020 wollten wir eigentlich fertig sein.“

Millionen an zusätzlichen Investitionen zur Beseitigung von Hindernissen
Groß sei daher auch die Bereitschaft gewesen, die etwaigen Hindernisse und Probleme aus dem Weg zu schaffen – ungeachtet aller zusätzlich entstehenden Kosten, wie Schleith darstellt. „Das Hauptproblem in der Anfangszeit war die verkehrliche Erschließung des Klettgau-Carrés“, so der Investor weiter. Mit der Stadt sei vereinbart worden, den Sulzerring zu sperren und in einen öffentlichen Platz umzuwandeln. Folglich sollte der Verkehr zur Tiefgarage über die Weihermattstraße fließen.
Um nichts anbrennen zu lassen, kaufte Schleith in den Jahren 2017 und 2018 die beiden Grundstücke westlich des Areals, auf dem das Klettgau-Carré entstehen soll. „Wir haben mehr als fünf Millionen Euro zusätzlich investiert, um alles zu ermöglichen“, betont Schleith. Eines der wesentlichen Ziele sei dabei gewesen, der Stadt die nötige Fläche für den Bau eines Gehwegs entlang der Weihermattstraße zu beschaffen, nachdem es der Verwaltung nicht gelungen sei, mit dem Grundstücksbesitzer einig zu werden.

Miteinander mit der Stadt sei schnell ins Stocken geraten
Ein ähnlich lösungsorientierte Vorgehen seitens der Stadt habe er unterdessen schnell vermisst, wie Schleith unumwunden darstellt. Er berichtet von mangelndem Entgegenkommen, Prinzipienreiterei und Bürokratismus, die immer wieder in massiven Verzögerungen und Mehrkosten gemündet hätten.
Allein die Vorbereitungen für den Städtebaulichen Vertrag hätten sich über annähernd zwei Jahre hingezogen und seien mit erheblichen Nachbesserungsforderungen verknüpft worden. Eines der Ergebnisse sei mithin gewesen, dass aus dem Sulzerring doch kein öffentlicher Platz werden soll, weil die damit einhergehenden Verpflichtungen in Bereichen wie Unterhalt und Verkehrssicherungspflicht für die Stadt zu hoch würden. „Entgegen vorhergehender Absprachen hat die Stadt uns ein Jahr später informiert, dass sie auch die Kosten für die Entsorgung des dortigen kontaminierten Erdreichs nicht übernehmen werde.“
Stadt lässt Kritik nicht unwidersprochen
Waldshut-Tiengens Oberbürgermeister Philipp Frank reagiert mit Unverständnis auf die Kritik. Genau genommen liege nämlich seit vergangenem Herbst die baurechtliche Genehmigung für das Klettgau-Carré vor, gebaut werde aber immer noch nicht. Immer wieder habe die Verwaltung in den vergangenen Jahren den Eindruck gewonnen, dass man immer wieder mit Terminen vertröstet werde, die dann aber nicht eingehalten werden, so Frank.
An Kooperationsbereitschaft seitens der Verwaltung habe es jedenfalls nie gemangelt, betont Frank auf Nachfrage: „Die Stadt hat das Projekt von Anfang an wohlwollend und engmaschig begleitet, mit Dutzenden Besprechungen.“ Frank macht aber auch keinen Hehl daraus, dass sich das ganze Vorhaben auch aus städtischer Sicht viel zu lange hinziehe – „bei leider zunehmender Entfernung von der städtebaulichen Grundidee, nämlich einen Einkaufs- und damit Publikumsmagneten für die Tiengener Innenstadt zu schaffen.“
Inzwischen stehe gar zu befürchten, dass der Stadt Schäden entstehen, weil der Förderzeitraum für das Sanierungsgebiet „Tiengen Innenstadt-Süd“ ablaufe und das Projekt noch immer nicht realisiert werde.
Natürlich, so Frank, hätten verfahrenstechnische Aspekte jeweils Zeit beansprucht, denn es gelte immer verschiedene Aspekte abzuwiegen, nicht nur die des Investors. Dennoch hätten auch diverse Umplanung seitens des Investors zur Verzögerung des Ganzen beigetragen.
Rahmenbedingungen haben sich massiv verschlechtert
Unterdessen bekam es die Firma Schleith mit erheblichen weiteren Problemen zu tun. Aufgrund geänderter wirtschaftlicher Vorzeichen und der langen Dauer des Projekts, musste das Klettgau-Carré mehrfach umgeplant werden. Im Frühjahr 2020 wurde zunächst auf eines der Obergeschosse verzichtet, im Jahr darauf platzten aufgrund der unabsehbaren Dauer der Corona-Pandemie die Pläne für ein Hotel. Stattdessen sollen hier nun Wohnungen entstehen.
„Wir haben immer versucht, auf die Rückschläge adäquat zu reagieren“, schildert Florian Schmidt, zuständiger Projektentwickler der Firma Schleith für das Klettgau-Carré. „Dass wir immer wieder wie Bittsteller hingehalten wurden, ist natürlich in der Gesamtschau sehr ärgerlich“, ergänzt Schleith.
Denn mit den Jahren sind die Preise erheblich angestiegen. Corona und aktuell die internationalen Konflikte, vor allem der Ukraine-Krieg, hätten zu extremen Steigerungen auf der Kostenseite geführt, schildert Schleith.
Streitpunkt Parkhaus
Vor diesem Hintergrund erwuchs der Plan des Investors, auf dem westlich der Weihermattstraße gelegenen Grundstück ein Parkhaus zu bauen – als Alternative zur zweigeschossigen Tiefgarage im Klettgau-Carré. Denn aufgrund der problematischen geologischen Situation und der Grundwasser-Problematik, die ein solches Bauwerk nur mit größtem Aufwand umsetzbar machen, lasse sich die Planung so nicht mehr wirtschaftlich realisieren, wie der Investor darstellt.
An diesem Thema verbunden mit der Debatte über eine mögliche Stellplatzförderung für die entstehenden Parkplätze entspann sich in den vergangenen Monaten eine Auseinandersetzung zwischen Verwaltung und Investor, der auch in einigen Schriftwechseln, etwa an den Gemeinderat, ihren Ausdruck findet, die auch unserer Zeitung vorliegen.
Es geht um 15.000 Euro pro Parkplatz – 6000 davon würde die Stadt übernehmen müssen, 9000 kämen vom Land. Auch hier sieht Schleith eine Blockadehaltung bei der Stadt. Denn: „Um die Anzahl der förderfähigen Stellplätze feststellen und entsprechende Anträge stellen zu können, wäre ein städtisches Gutachten notwendig. Das steht aber seit Jahren aus“, so Schleith.
Stadt pocht auf Einhaltung bestehender Verträge
OB Frank wiederum wendet ein, dass es nicht darum gehe, ein Parkhaus auf einem Nachbargrundstück zu verhindern, sondern um den Umstand, dass der Investor „seine sich aus dem Kaufvertrag ergebenden Pflichten – gerade auch in Bezug auf die beiden zugesicherten Tiefgaragenuntergeschosse – nicht erfüllen möchte.“ Hiermit müsse sich die Stadt primär befassen. Das betreffende Grundstück sei nämlich weder Bestandteil des Bebauungsplans noch des städtebaulichen Vertrags,
Darüber hinaus habe der Investor bislang noch keine konkreten Pläne für ein Parkhaus vorgelegt, sondern knüpfe den Bau an die Gewährung der Stellplatzförderung, so Frank. Dafür gehe es indes weder eine vertragliche Grundlage, noch einen Rechtsanspruch. Die Stadt könne aber ohne konkrete Pläne, Zahlen oder auch nur eine Erhebung des Ist-Zustands kein weitergehendes Verfahren anstreben.
Und wie geht es weiter?
Laut Oberbürgermeister gebe es bislang keine angepassten Pläne für das Projekt mit nur einem Tiefgaragengeschoss, und auch nicht für ein Parkhaus. „Dessen ungeachtet bereiten wir den Projekt-Status quo gerade verwaltungsintern auf, um dem Gemeinderat in einer der nächsten Sitzungen einen Sachstandsbericht geben zu können – mit Optionen für das weitere Vorgehen.“
Nicht minder vielsagend fällt auch die Einschätzung des Investors zur Zukunft des Vorhabens aus. Es fehle aktuell noch ein Interessent für die erste Etage, gleichzeitig „explodieren die Kosten“ bei den Baustoffen, bilanziert Schleith. Aktuell gebe es noch Gespräche. Klar sei aber auch: „Irgendwann muss eine Grundsatzentscheidung getroffen werden, wie auch immer diese dann ausfällt“, bringt es Projektleiter Schmidt auf den Punkt.