Ursula Freudig

Es war der Aufreger schlechthin, es war das Thema in der Doppelstadt, das quer durch die Lager zu heißen Diskussionen führte, das Gräben aufriss, aber auch Menschen zusammenschweißte für ein Ziel: Der Erhalt des Waldshuter Freibads.

Der Gemeinderat Waldshut-Tiengen hat sich vor knapp fünf Jahren aus finanziellen Gründen erstmals offiziell für die Schließung des maroden Waldshuter Freibads ausgesprochen, nur das Tiengener Freibad sollte saniert werden. Um die Schließung zu verhindern, gründeten rund 50 engagierte Bürger am 30. Januar 2017 den Verein Pro Freibad Waldshut.

Größter Verein der Doppelstadt

Der Verein wuchs schnell, aktuell hat er mehr als 1800 Mitglieder. Die Mitglieder gingen in ihren hellblauen Pro Freibad-T-Shirts aktiv und kreativ an die Öffentlichkeit. Beim Chilbi-Wunschkonzert der Florianer im August 2017 zum Beispiel war Pro Freibad bereits in aller Munde und hatte mit musikalischen Eigenproduktionen – einem Marsch und umgedichteten Zeilen des „Badnerlieds“ – einen durchschlagenden Erfolg.

An der Chilbi 2017, beim Wunschkonzert der Florianer im Festzelt, singen Mitglieder von Pro Freibad das „Badnerlied“ mit ...
An der Chilbi 2017, beim Wunschkonzert der Florianer im Festzelt, singen Mitglieder von Pro Freibad das „Badnerlied“ mit einzelnen, umgedichtetem Zeilen wie „das Bad ist schön, das Bad darf niemals untergeh‘n“. | Bild: Ursula Freudig

Damals ahnte noch niemand, wie lang und nervenaufreibend der Weg zum Ziel noch sein würde. Höhepunkt war der von Pro Freibad erzwungene Bürgerentscheid, der im Herbst 2018 ein klares Votum für den Erhalt des Bads brachte mit – wie bisher auch – den Stadtwerken Waldshut-Tiengen als Betreiber.

Es war der erste Bürgerentscheid überhaupt in der Doppelstadt. Er geht ebenso in die Stadtgeschichte Waldshut-Tiengens ein wie eine Großspende. Rund drei Monate nach der Gründung von Pro Freibad stellte ein anonymer Spender eine Million Euro auf einem Treuhandkonto für die Sanierung und den Betrieb des Waldshuter Freibads unter der Regie der Stadtwerke bereit.

Der Freude von Pro Freibad stand die Skepsis von Gemeinderäten und von Oberbürgermeister Philipp Frank gegenüber. Teilweise fühlte sich der Gemeinderat durch die Millionenspende unter Druck gesetzt, sogar der Ausdruck „unmoralisches Angebot“ fiel. Unabhängig davon war der Bürgerentscheid rechtlich bindend. Die Stadt musste die Sanierung des Freibads in Angriff nehmen: Kostenrahmen rund 3,2 Millionen, mit Sanierung der Umkleiden und des Badcafés rund 3,5 Millionen Euro. Die Stadt kann dabei auf großzügige Fördermittel zurückgreifen.

Bei einem Treffen in der Herrenstube im „Wilden Mann“ im November 2017 stellt der Verein Pro Freibad aktuellen und ...
Bei einem Treffen in der Herrenstube im „Wilden Mann“ im November 2017 stellt der Verein Pro Freibad aktuellen und ehemaligen Gemeinderäten sein Sanierungskonzept vor. | Bild: Ursula Freudig

Von der gespendeten Million hat sie bereits 750.000 Euro erhalten, die aus steuerrechtlichen Gründen nicht direkt in die Badsanierung fließen, sondern in ein gemeinnütziges Bauprojekt. Im Moment ist das Freibad noch eine Baustelle, aber im Frühjahr, rechtzeitig zum Beginn der Badesaison, sollen die Arbeiten abgeschlossen sein.

Durch Pro Freibad geht die Geschichte des in den 50er Jahren gebauten Waldshuter Freibads weiter. Es gehört für viele einfach zu Waldshut dazu und ist bei den Älteren mit vielen Kindheitserinnerungen verbunden. Da Corona am fünften Jahrestag des Vereins keine Geburtstagsparty zugelassen hat, wird aktuell mit einer Ausstellung vor Ort gefeiert.

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Mitglieder und Freunde von Pro Freibad haben die bisherige Vereinsgeschichte in Form von Bild- und Texttafeln an den Drahtzaun gehängt, der die Baustelle umgibt. Sie zeichnen einen von großen Emotionen geprägten Weg nach. „Das Thema Freibad hat kaum jemanden kalt gelassen, auch Rentner nicht, die als Kind das Bad besucht haben“, sagt Thomas Scheibel, stellvertretender Vorsitzender von Pro Freibad.

Der erste Spatenstich für die Sanierung des Freibads in Waldshut am 15. März 2021 (von links): Hans-Jörg Meier (Geschäftsführer ...
Der erste Spatenstich für die Sanierung des Freibads in Waldshut am 15. März 2021 (von links): Hans-Jörg Meier (Geschäftsführer Hunziker Betatech), Thomas Scheibel (Stellvertretender Vorsitzender Pro Freibad), Siegfried Pflüger (Geschäftsführer Stadtwerke Waldshut-Tiengen), Felix Schreiner (Bundestagsabgeordneter CDU), Oberbürgermeister Philipp Frank und Rita Schwarze­lühr-Sutter (Parlamentarische Staatssekretärin SPD). | Bild: Ursula Freudig

Grundpfeiler für den erfolgreichen Bürgerentscheid ist für Scheibel neben der Millionenspende und dem großen Einsatz der Vereinsmitglieder das kostengünstige Sanierungskonzept der Firma Hunziker, das für eine Grundsanierung ohne Schnickschnack steht. Als weiteren Vorteil wertet er es, dass die Stadt vor dem Bürgerentscheid kein konkretes Alternativkonzept für die Nutzung des Areals bei einem Aus für das Freibad präsentiert hatte.

Den Vorwurf, dass Pro Freibad bei seinem Kampf für das Waldshuter Freibad Tiengen und Waldshut gespaltet hätte, weist er zurück: „Ich hatte nie den Eindruck, dass Tiengen gegen uns arbeitet, Stimmen aus Tiengen gaben beim Bürgerentscheid den Ausschlag.“

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Christiane Maier ist die Vorsitzende von Pro Freibad. Auch sie spricht von einem schwierigen Weg, der geprägt gewesen sei von einer Atmosphäre des Misstrauens. „Ich hätte mir gewünscht, dass man uns früher angehört hätte, dass wir früher einen gemeinsamen Weg und gemeinsame Lösungen gesucht hätten, es ging uns immer um die Sache, nie um persönliche Befindlichkeiten“, so die Vorsitzende.

Ich hätte mir gewünscht, dass man uns früher angehört hätte, dass wir früher einen gemeinsamen Weg und gemeinsame Lösungen gesucht ...
Ich hätte mir gewünscht, dass man uns früher angehört hätte, dass wir früher einen gemeinsamen Weg und gemeinsame Lösungen gesucht hätten, es ging uns immer um die Sache, nie um persönliche Befindlichkeiten.“ Christiane Maier, Pro Freibad | Bild: Ursula Freudig

Auch aktuell sieht sie die Bereitschaft zu einem konstruktiven Miteinander nur bedingt. Entgegen ersten Plänen, wollen die Stadtwerke auch die Hochbauten, sprich: die Umkleiden und das Badcafé sanieren. Nach der Ansicht von Pro Freibad gehen die Maßnahmen nicht weit genug. „Sie sind nicht in unserem Sinne, sie sind uns nicht nachhaltig genug“, sagt die Vorsitzende.

Pro Freibad wird auch nach der Eröffnung des sanierten Waldshuter Freibads aktiv bleiben. Wie bisher auch, wird der Verein seinen Mitgliedern Angebote machen wie Mitternachtsschwimmen, Übernachtungen im Bad mit Grillen und im Rahmen des Möglichen und Erlaubten, das Bad und seinen Betrieb unterstützen.

Es ist erstaunlich, was möglich gewesen ist, es ist oft zu wenig bewusst, was wir Bürger bewirken können, welche Rechte wir haben. ...
Es ist erstaunlich, was möglich gewesen ist, es ist oft zu wenig bewusst, was wir Bürger bewirken können, welche Rechte wir haben. Thomas Scheibel, Pro Freibad | Bild: Ursula Freudig

Den Blick zurück auf fünf arbeitsreiche, emotionale und schwierige Jahre mit dem Bürgerentscheid als Höhepunkt fasst Thomas Scheibel so zusammen: „Es ist erstaunlich, was möglich gewesen ist, es ist oft zu wenig bewusst, was wir Bürger bewirken können, welche Rechte wir haben.“ Ein Waldshuter hat es nach seiner Aussage beim Betrachten der Geburtstagsausstellung auf den Punkt gebracht: „Sich regen bringt Segen.“