Ursula Freudig

Schon wieder wurde ein Politiker vom Narrengericht verurteilt und ans Folterrad gekettet: Vergangenes Jahr war es Felix Schreiner, am Samstag war Martin Gruner, Bürgermeister Waldshut-Tiengens, der Unglückliche. Das Narrengericht der Narrenzunft 1503 Tiengen beim Storchenturm mit Richter Klaus-Dieter Ritz, Ankläger Walter Huber, Fürsprech Bernd Müller, Henkern und Narrenbolisei, war wieder ein raffiniertes närrisches Spektakel. Mit gewandter, humorvoller Rede und Klängen der Stadtmusik Tiengen wurde das Publikum bestens unterhalten.

Martin Gruner wurde in allen Anklagepunkten schuldig gesprochen: Durchführung von Prestigeprojekten wie die Stadthalle Waldshut auf Kosten der Kinder auf dem Aarberg. Weiterhin Verschachern der ehrwürdigen, einst Hans-Thoma heißenden Tiengener Schule an Lauchringen und drittens, subversive Machtspiele inklusive Mobben von politischen Gegnern, um sich auf Staatskasse eigene Denkmäler zu setzen. Cäsarischen Größenwahn machten Richter und Ankläger hinter der stets „freundlichen Fassade“ des Angeklagten Gruner aus.

Dieser nahm sich heraus, die Hirnleistung des Gerichts anzuzweifeln, argumentierte aber ansonsten hervorragend und scharfsinnig. „Infiltration der östlichen Nachbargemeinde mit Urdüengemer Gedankengut“, nannte er als Ziel der Fusion der Tiengener und Lauchringer Schule. Umsonst. Auch der Fürsprech, dieses Jahr ein äußerst trinkfreudiger „Schweizer“, war trotz vieler Worte keine Hilfe. Das Folterrad hat Martin Gruner überstanden, weitere Strafen stehen ihm bevor: Er muss unter anderem binnen von sechs Monaten die Henker und zahlloses anderes „Zunftgesindel“ zu einem festlichen Dinner einladen.

Ex-Delinquent Felix Schreiner hingegen hat seine Schandtaten genügend bereut. Ehrenzunftrat Dietmar Fritz schlug ihn deshalb mit Schlägen auf den Allerwertesten zum Ritter „Felixitas der vom Wolf gesäugte und nach Suebia emigrierte“.