Eine Tagesordnung gibt es nicht, auch auf eine Sitzordnung wird verzichtet. Zwar ist der Altstadtrat-Stammtisch ein exklusiver Zirkel ehemaliger Kommunalpolitiker, doch geht es bei den Treffen der Politik-Pensionäre zwanglos zu. Hans Studinger (89) hatte vor vier Jahren die Idee zu den vierteljährlichen Zusammenkünften. „Wir sind eine Runde von etwa sechs bis zwölf Ehemaligen, in wechselnder Besetzung“, sagt er beim jüngsten Treffen im Rheinischen Hof. Dort hat das Personal zwei Tische zusammengeschoben, an dem nach und nach elf Altstadträte Platz nehmen. Zunächst bestellt sich jeder ein Abendessen, dann bilden sich am langen Tisch Gesprächsgrüppchen.

Alois Duffner, gerade 85 geworden, spendiert eine Runde Schnaps, der Stammtisch lässt ihn hochleben. Nach Smalltalk, der sich um erkrankte Bekannte und um Fußball dreht, um Anekdoten von früheren Nachsitzungen nach dem Gemeinderat – die Bedienung schenkte Rotwein (!) aus dem Kühlschrank aus -, geht es um das Hauptthema an diesem Abend, das Waldshuter Freibad. Hans Studinger kennt das Strandbad am Rhein, das in den 1930er Jahren eröffnet wurde, bestens. „Mein Vater war Bademeister, meine Mutter saß an der Kasse“, erzählt er. „Ich habe schon als Elfjähriger die Abrechnungen gemacht.“ 2000 Badegäste seien am Eröffnungstag erschienen. „Damals gab es das Tiengener Bad noch nicht, das wurde erst 1936 eröffnet.“

Die Altstadträte, die sich in für die Belange der Gesamtstadt eingesetzt haben, sehen mit Bedauern durch die Diskussion um die Freibäder und die Entscheidung des Gemeinderats für eine Ein-Bad-Lösung alte Gräben zwischen den Stadtteilen aufgerissen. Das Freibad in Tiengen wird saniert, voraussichtlich für mehr als vier Millionen Euro; für das Waldshuter Freibad ist das Aus eingeläutet. Warum nicht nur Tiengen sanieren, sondern auch schauen, wie das Waldshuter Freibad weiter über die Runden kommt? Damit könnten sich die Stammtischler anfreunden. Man müsse jetzt die Kosten auf den Tisch legen, es brauche Unterlagen, wenn es um die Zukunft der Freibäder gehe. Allgemeiner Tenor: „Wenn sich die Fakten ändern, muss man neu entscheiden können!“ Die Runde stellt auch heraus, wer die Verluste aus dem Betrieb der Bäder trägt: Es sind die Stadtwerke Waldshut-Tiengen als Betreiber, die die Verluste steuerlich verrechnen können.

Ein starkes Argument für den Erhalt beider Bäder lieferte den Altstadträten gerade die DLRG: Demnach kann mehr als die Hälfte der zehnjährigen Kinder in Deutschland nicht richtig schwimmen. „Wo sollen die Waldshuter denn hin?“, wird gefragt, und wo finde man ein Freibad mit einer 50-Meter-Sportbahn wie in Waldshut? Auch die Ablehnung des Millionen-Spenden-Angebots eines Unbekannten für das Waldshuter Bad durch den Gemeinderat stößt auf Unverständnis. Er könne mit Sicherheit sagen, dass es dem Bürger einzig darum gehe, das Waldshuter Bad zu erhalten, sagt Peter Straub. Dem Mann zu unterstellen, er wolle die Politik kaufen, sei diffamierend.

Die ungewisse Zukunft des Waldshuter Freibads war Thema beim Stammtisch der Altstadträte.
Die ungewisse Zukunft des Waldshuter Freibads war Thema beim Stammtisch der Altstadträte. | Bild: Sandro Palma

Zur Erinnerung: Die Auszahlung des Geldes ist an Bedingungen geknüpft, unter anderem an einen Beschluss des Gemeinderates, der den Fortbestand des Waldshuter Bades sichert. Wenn der Spender jedoch nicht auf seinen Bedingungen bestehe, könnte die Million durchaus eine Chance für die technische Sanierung von Waldshut eröffnen, meint Otto Straub. Auf dieser Grundlage wäre seiner Meinung nach ein neues mittelfristiges Darlehen denkbar.

Dass die Runde außer guter Laune auch Sarkasmus im Repertoire hat, bewies Ulrich Stather: „Bevor das Waldshuter Freibad stirbt, stirbt der Gemeinderat!“ Und Günter Heinrich sagt augenzwinkernd zum Abschied: „Haben Sie das mitbekommen? Wir haben beschlossen, zu putschen und übernehmen den Gemeinderat!“ Es klingt, als hätten die Waldshuter, die wie der Verein Pro Freibad ihr Bad noch nicht abgeschrieben haben, in dieser Fraktion vom Stammtisch eine starke Lobby.