In traditionellen Markgräfler Trachten, bestückt mit historischen Plakaten und Portraits und der schwarz-rot-goldenen Flagge, wurde am Samstag um 10 Uhr die Ausrufung der Republik auf dem Lörracher Marktplatz nachgestellt. Initiator Hubert Bernnat ließ die Ausrufung vom 10. November 1918 noch einmal aufleben und gab dabei einen kurzen Überblick über die historischen Umstände dieses bedeutenden Ereignisses.
In Kooperation mit dem Dreiländermuseum führte Bernnat zudem durch die aktuelle Ausstellung „Zeitenwende 1918/19“ des Dreiländermuseums, bei der er die Bedeutung des November 1918 für Lörrach aber auch für die Nachbarländer aufzeigte. Der Erste Weltkrieg sollte erst einen Tag später offiziell mit einem Waffenstillstand zu Ende gehen, doch bereits am 10. November 1918 hatten sich die Menschen auf dem Lörracher Marktplatz versammelt, um das Ende der Monarchie zu proklamieren.
Sechs Kernforderungen als Grundgerüst unserer demokratischen Gesellschaft
Der Krieg hatte besonders die Lebenssituation der Arbeiter in der Lörracher Textilindustrie massiv verschlechtert und die Arbeitslosigkeit in die Höhe schnellen lassen. Die horrenden Kriegsanleihen hatte die Bevölkerung bereits immer wieder auf die Straßen getrieben. So standen die Lörracher 70 Jahre, nachdem Gustav Struve schon einmal an dieser Stelle die Republik ausgerufen hatte, auf dem Marktplatz und forderten die deutsche und die badische Republik, erzählte Bernnat.
Dabei stellten sie sechs Kernforderungen, die sich noch heute wie das Grundgerüst unserer demokratischen Gesellschaft lesen. An erster Stelle die Schaffung einer demokratischen Verfassung, gefolgt von der Gewährung der Grundrechte. Gefordert wurden zudem die Trennung von Kirche und Staat und die Anerkennung der Gewerkschaften als Tarifpartner. Weitere Forderungen umfassten das Streikrecht und den Achtstunden-tag.
Erst 1906 hatte man den Zehnstundentag erkämpft, eine Arbeitswoche war noch immer sechs Tage lang. Eine für damalige Zeiten radikale Forderung war zudem das allgemeine Frauenwahlrecht. In Frankreich sei das Frauenwahlrecht erst nach Ende des Zweiten Weltkriegs eingeführt worden, in der Schweiz dauerte es sogar bis 1971, erläuterte Bernnat.
Revolutionäre Stimmung in Deutschland, Frankreich und der Schweiz
Doch auch nach Ausrufung der Republik und dem Ende des Krieges gab es zahlreiche Herausforderungen für die Menschen in Lörrach. Etwa 15 800 Soldaten kehrten in ihre Heimat zurück, durchquerten dabei Lörrach und mussten vorübergehend mitversorgt werden. Eine positive Rolle spielten zudem die Arbeiterführer, die sich darum bemühten trotz der schwierigen Situation, Ausschreitungen zu verhindern.
Nicht nur in Lörrach, Baden und Deutschland war der November 1918 eine Zeit großer Veränderungen. Auch in Frankreich und der Schweiz sei es eine Zeit revolutionärer Stimmung gewesen, erklärte Bernnat während der Führung.
Ebenfalls am 10. November wurde in Straßburg die Republik Elsass-Lothringen ausgerufen, die jedoch nur elf Tage lang bis zum Einmarsch der französischen Truppen Bestand hatte. Auch in der Schweiz hatte der Krieg Spuren hinterlassen. Vor allem die Arbeiter spürten die schlechte wirtschaftliche Lage. Der daraus resultierende Schweizer Landesstreik im November 1918 sei bis heute eine der größten innenpolitischen Krisen, die das Land je erlebt habe, sagte Bernnat.
Auch wenn der Blick sich heute oft nur auf das Scheitern der Weimarer Republik richte, dürfe man nicht vergessen, welche Hoffnungen die Ausrufung der Republik für die Menschen im Jahr 1918 bedeutet habe und mit welcher Begeisterung sie für die Demokratie eintraten.
Sechs Stunden später wurde am Samstag auf dem Alten Markt noch einmal eine Republik ausgerufen werden, diesmal die Europäische Republik im Rahmen einer europaweiten Kunstaktion.