Dora Schöls

Die Kinderbuchmesse Lörracher Leselust beginnt erst am Freitag. Doch schon die begleitenden Veranstaltungen im Vorprogramm haben sich um ihr Thema „Echt wahr?“ gedreht. In Workshops, Geschichten- und Märchenlesungen lernten Kinder und Jugendliche, warum literarische Figuren lügen und wie Wahrheit von Lüge zu unterscheiden ist.

17 Jugendliche sitzen je zu zweit über ein Buch und ein Tablet gebeugt in der Stadtbibliothek. „Der FC Bayern München ist der schlechteste Verein in der Nähe von Lörrach“ – das steht in einem Text auf dem Tablet, das Lisa Mayer (14) in der Hand hält. Dass diese Behauptung nicht stimmen kann, ist ihr und Kim Unmüssig (14) gleich klar. Die beiden Schülerinnen aus der Klasse 9e der Theodor-Heuss-Realschule nehmen teil am Workshop „Wahr oder falsch“. Die Jugendlichen erstellen anhand eines Sachbuches einen fehlerhaften Text. Ein anderes Team muss dann alle Fehler finden.

Lehrerin macht Schülern Weg zu gesicherten Informationsquellen zugänglich 

Die Fehler im Text von Lisa und Kim haben sich Philipp Stern (15) und Julian Noske (15) ausgedacht – sie suchen inzwischen die Fehler in einem Text über die Galapagos-Riesenschildkröte. „Die ist bestimmt nicht fünf Meter lang“, meint Philipp. Stimmt, Julian entdeckt im Buch, dass sie etwa bis zu 1,2 Meter lang wird. Der Workshop, den die Bibliothek seit Juni anbietet, findet diese Woche im Vorprogramm der Kinderbuchmesse statt. Zufällig passt der Workshop genau zum diesjährigen Thema: Bei „Echt wahr?“ geht es um Wahrheit und Lüge.

Anne Schäble, die den Workshop leitet, sagt: „Das Thema ist sehr aktuell, jeder Jugendliche hat heute ein Smartphone. Und viele hinterfragen nicht, was sie da lesen.“ Die Klassenlehrerin der 9e, Sandra Ristic, sagt, viele Schüler suchten ihre Informationen nur online und behaupteten dann in Referaten falsche Dinge. Sie wolle ihren Schülern zeigen, dass es in der Stadtbibliothek gesicherte Quellen gebe. Besonders das Arbeiten mit dem Tablet sei attraktiv, das mache den Schülern hoffentlich Lust auf Lesen. Und tatsächlich: Am Ende möchte sich Julian Noske einen Bibliotheksausweis machen lassen.

 Kritisch sein, mitdenken

Über die Problematik von Fake News hat Ristic noch nicht mit der Klasse gesprochen. Das stehe im Politikunterricht bald an, wenn es um Demokratie geht. Von Fake News gehört haben die Schüler alle schon. Auf sich selbst beziehen sie das Thema aber nicht: „Ich habe gar nicht das Gefühl, dass mir so etwas passieren könnte“, sagt etwa Shirin Affaoui (14).

Die Botschaft des Workshops in der Stadtbibliothek – kritisch sein, mitdenken – steht im Zentrum der diesjährigen Kinderbuchmesse. „Die Kinder müssen lernen, wie man Wahrheit und Lüge voneinander unterscheiden kann. Das ist besonders wichtig in Zeiten von Fake News“, sagt Birgit Degenhardt, die Leiterin der Kinderbuchmesse.

Das Thema sei deshalb so spannend, weil man es unterhaltsam, aber auch philosophisch angehen könne. Es gebe viele nette Geschichten zu dem Thema, aber genauso stellten sich Fragen wie: „Gibt es immer nur eine Wahrheit?“ Lesekompetenz ist nach Degenhardt eine Voraussetzung für Medienkompetenz: „Je sicherer ich lese, desto besser kann ich einen Text beurteilen.“

Die Kinderbuchmesse, die dieses Jahr zum 27. Mal stattfindet, hat seit 1995 ein Vorprogramm. Dies sei ein wesentliches Element der Messe, stellt Degenhardt fest. Denn mit Veranstaltungen wie dem Workshop mit der 9e könnten Kinder erreicht werden, „die nicht sowieso schon zur Messe kommen“. Vieles wiederholt sich im Laufe der Jahre, etwa die „Märchenstunde“ oder die „Geschichten am Feuer“.

Diesmal falle das Vorprogramm allerdings etwas schmaler aus als bisher, räumt die Leiterin ein. Aber über die Jahre verändere sich eine Veranstaltung eben. Neu sei etwa der Ort des Literaturcafés, das sonst auf der Messe im Burghof stattfand. Dort sei es aber recht unruhig und für das Literaturcafé, bei dem Kinder vorlesen, sei die Atmosphäre in der Stadtbibliothek schöner.

Die meisten Veranstaltungen des Vorprogramms greifen das Thema von Wahrheit und Lüge auf. Bei den „Geschichten am Feuer“ vom SAK Lörrach am vergangenen Freitag etwa, wurde aus „Till Eulenspiegel“ vorgelesen, der mit seinen Streichen nicht immer ganz die Wahrheit sagt. Laut Irina Maisch vom SAK, die vorgelesen hat, sei diese Art der Veranstaltung auch toll für Kinder, die noch nicht gut Deutsch sprechen: „Für die sind diese Geschichten etwas Besonderes.“

Auch bei der „Märchenstunde“, die das Familienzentrum Lörrach mit der Stadtbibliothek organisiert, ging es am Dienstag um Lügengeschichten. Birgit Bayerlein hat die Geschichte von „Aschenputtel“ erzählt, bei der die Stiefschwestern lügen. Als Puppentheater gespielt wurde das Märchen „Tischlein deck dich“, in dem die Ziege mit ihren Lügen dafür sorgt, dass der Vater seine Söhne aus dem Haus jagt.