Kathrin Ganter

Lörrach – Beleidigende und sexistische Äußerungen, Fotos und Verleumdungen im Internet: An zwei Realschulen im Landkreis kam es zu Jahresbeginn zu solchen Fällen von heftigem Mobbing von Schülern gegen Lehrer via Ins-tagram. Das Phänomen tritt in der Region nicht gehäuft auf, sagen Schulamt und Polizei. Insgesamt stellt das Kultusministerium aber eine deutliche Zunahme von Fällen fest. Was können betroffene Schulen tun?

Das Kultusministerium

Dass Konflikte sowohl unter Schülern als auch zwischen Schülern und Lehrern zunehmend über digitale Medien ausgetragen werden, hat das Kultusministerium über eine Abfrage bei den Regierungspräsidien festgestellt. Konkrete Zahlen liegen aber nicht vor, teilt Ministeriumssprecher Kai Gräf mit. Mit Sorge betrachte man das Ergebnis einer Umfrage des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) unter 500 Lehrern in Baden-Württemberg vom November 2016, wonach 78 Prozent der baden-württembergischen Lehrer angegeben haben, dass Mobbing gegen sie über das Internet in den letzten fünf Jahren zugenommen habe. 29 Prozent berichteten, dass es an ihrer Schule in den letzten fünf Jahren solche Fälle gegeben habe. Ein Prozent gab an, selbst Opfer gewesen zu sein. Somit sind wahrscheinlich auch die Fälle an den beiden Schulen im Kreis, die durch Elternbriefe öffentlich wurden, keine Einzelfälle.

Diese Entwicklung nehme man sehr ernst, so Gräf. Entscheidend sei, dass die Betroffenen Hilfe bekämen: „Dies ist sowohl Aufgabe der Schulleitungen als auch der Schulaufsicht, gegebenenfalls auch der Polizei und der Justiz.“ Präventiv würden Schulen und Lehrer durch Beratungen, Fortbildungen und Materia-lien unterstützt. Im akuten Fall könnten die Schulen durch die im Schulgesetz vorgesehenen Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen reagieren, so Gräf: „Das reicht vom Nachsitzen über den zeitweiligen Unterrichtsausschluss und der Androhung von Schulausschluss bis hin zum Schulausschluss.“

Die Polizei

Neben den beiden Fällen, die auch zur Anzeige gebracht wurden, berichtet Hauptkommissar Bernhard Greßlin vom Referat Prävention von einem Trend, der seit etwa einem halben Jahr an Schulen um sich greife: Auf sogenannten „Beichtstuhl-Seiten“ bei Instagram, die es bereits für viele Schulen gibt, berichten Schüler nicht nur anonym, wer mit wem geknutscht oder gestritten hat. Auch Mitschüler und Lehrer werden dort angegriffen und beleidigt. Nicht immer sei das Mobbing im strafrechtlichen Sinn, denn dazu muss eine Person gezielt über einen längeren Zeitraum hinweg belästigt werden. Straftaten wie Beleidigungen, Verleumdungen und üble Nachrede gebe es in den Gruppen allemal. Die Polizei ist oft zu Gast in den Schulen, spricht im Ethik- oder im IT-Unterricht über das Thema. Dabei gehe es sowohl um die Auswirkungen von Gewalt auf die Opfer, sagt Greßlin, als auch um die Straftaten und deren Folgen. In Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Suchtprävention Villa Schöpflin ist die Polizei an Elternabenden beteiligt und Lehrer können sich beraten lassen.

In solchen Fällen entwickle sich häufig eine gewisse Dynamik, erklärt Greßlin. Einer versuche, den anderen zu übertrumpfen. Deswegen sei es wichtig, aufs Klassenklima zu achten und möglichst früh einzugreifen – wenn sich Probleme auch noch niederschwellig lösen lassen. „Die Schulen sind im präventiven Bereich mittlerweile sehr gut aufgestellt“, lobt Bernhard Greßlin. „Und wenn der Tatbestand der üblen Nachrede erfüllt ist, raten wir den Betroffenen zur Anzeige, um sich zu wehren.“ Damit könnten Grenzen aufgezeigt werden, zudem brauche es die Polizei, um zu ermitteln, wer ein Bild eingestellt habe oder um es löschen zu lassen. Die Polizei ermittelt über IP-Adressen, Telefonnummern und Netzwerkbetreiber, aber auch im Umfeld der Schule. Die Polizei darf – und das ist eine harte Strafe für Jugendliche – Smartphones beschlagnahmen, erklärt Greßlin: „Und bis die Beweise gesichert sind, kann es schon einige Monate dauern.“

Strafmündig sind die Jugendlichen ab 14, bei einer Verurteilung drohen Jugendstrafen und Sozialstunden. Und zudem zivilrechtliche Folgen: Geht ein Betroffener zum Anwalt und erwirkt eine Entschädigung, müssen die Schüler beides bezahlen. Das gilt auch für Schüler unter 14 Jahren, was viele Eltern nicht wissen. Im schlimmsten Fall, wenn das Opfer beispielsweise anschließend in psychische Behandlung muss oder gar berufsunfähig wird, kann das sehr, sehr teuer werden.

Das Staatliche Schulamt

Für das Staatliche Schulamt Lörrach berät die Schulpsychologische Beratungsstelle zum Thema Mobbing gegen Lehrer. Den Schulen sei der Handlungsrahmen oft nicht klar, sagt Fachbereichsleiter Frank Breipohl. Zwar gebe es Krisenmappen, die Handlungsempfehlungen für verschiedene Situationen geben, aber die Schulen können sich mit ihren Fragen auch jederzeit an die Beratungsstelle wenden. Diese könne auf allen Ebenen tätig werden, also auch mit Schülern oder Eltern sprechen. Mobbing gegen Lehrer in sozialen Netzwerken sei nur selten ein Thema. „Grundsätzlich würden wir uns wünschen, dass unsere Beratung noch mehr in Anspruch genommen wird“, sagt Breipohl. Er berichtet von einem der aktuellen Fälle, in dem sich die Schulleitung sehr nachdenklich gezeigt habe. Neben den nötigen Sanktionen wurde auch der grundsätzliche Umgang miteinander an der Schule thematisiert. Darin sieht Breipohl einen wichtigen präventiven Aspekt. Es sei wichtig, offen zu erarbeiten, wieso die Schüler ihre Lehrer im Internet mobben und beleidigen und möglicherweise Schlüsse daraus zu ziehen, wie das Schulklima verbessert werden könne: „Nur zu sanktionieren, das verschlechtert das Schulklima.“ Schulen sollten solche Vorfälle zum Anlass nehmen, um zu überlegen, wie man mit Schülern über das Thema reden kann. Für betroffene Lehrer könnten solche Fälle von Beleidigung und Mobbing große Dimensionen annehmen, sagt Frank Breipohl. Nach einem ausführlichen Gespräch werde gemeinsam entschieden, ob eine oder mehrere Beratungen durch die Fachleute des Schulamts reichen, oder ob weitergehende Maßnahmen notwendig sind. Grundsätzlich sei es wichtig, in geschütztem Rahmen zu reden, auch an den Schulen. „Viele Betroffene wünschen sich, dass sie auch im Kollegium Unterstützung bekommen.“