Für Männer eher unüblich, hatte Josef Wagner offenbar ein Problem mit seinen mannigfaltigen Hemden und Anzügen. Angeblich kam er eines Tages mit einem Kartonmodell seines Wunsch-Ankleidezimmers zu den Architekten Klaus Sihler und Kurt Schließmann aus Friedrichshafen, die ihm 1965 das passende Haus dazu planten. Mit einem ungewöhnlichen Grundriss – zwei ineinandergeschobene Trapeze – entstand auf dem Hanggrundstück an der Klufterner Straße im Friedrichshafener Ortsteil Spaltenstein ein zweistöckiger Flachdachbau im Bauhausstil.
Die Form des Trapezes bestimmt das Gebäude
Beim Betreten des Gebäudes, das sich von außen noch relativ bescheiden gibt, wird klar, welchen Schatz es beherbergt. Bis auf wenige Ausnahmen finden sich keine rechten Winkel in diesem trapezförmigen Objekt. Konsequent zieht sich diese geometrische Figur durch alle Bereiche und bestimmt selbst die emaillierten Griffe an den Türen der Einbauschränke.
Der Eingangsbereich nimmt den Besucher mit einer Keramikwand namens „Gefüge“ in Empfang, die der Künstler Fred Stelzig gestalten durfte. Formen und Farben fließen ineinander, scheinen sich mit wechselndem Standort zu verändern und leiten den Gast über ein paar Stufen hinab ins Kaminzimmer.
Panoramablick vom Sofa über den Garten bis auf den Bodensee
Vom wuchtigen Ledersofa aus bieten die Panoramafenster einen Ausblick über die Terrasse und den parkähnlichen Garten bis auf den Bodensee. Davor ein Klotz von einem Couchtisch, dessen Platte aber mit der Keramikwand korrespondiert. Die Hausbar aus edelsten Materialien, Palisanderholz und Spiegeln, erlaubte Josef Wagner, bei offiziellen Anlässen Getränke anzubieten. Als Fabrikant war ihm das Repräsentieren wichtig, er bestand aber darauf, dass seine Villa Landhaus genannt wurde.
Lampen wurden nach Wagners Wünschen gefertigt
Auch die Lampen, Kugelhäufen aus weißem Glas, sind nicht von der Stange. Da Josef Wagner keine einzige handelsübliche Beleuchtung gefiel – die Reise durch die einschlägigen Geschäfte soll kein Spaß gewesen sein –, wurden sie nach seinen Wünschen angefertigt. Zum Glück fanden sich diese Schätze im Zuge der Renovierungsarbeiten in der Garage wieder.
Technikfreak Wagner setzte bereits auf Smarthome
Der Mann war auch ein Technikfreak. Im Eingangsbereich liegen Schalter, als Bodenplatten getarnt, die die Trennwände aus Glas auf- und zufahren ließen. Aus Sicherheitsgründen sind sie heute ihrer Funktion beraubt. Wie aus einem Science-Fiction-Film mutet eine Kiste aus Palisanderholz an, die, neben dem Sofa platziert, dem Hausherrn die volle Kontrolle über sein „Smarthome“ erlaubte. Auf Knopfdruck konnte er die Panoramascheiben im Boden versenken, das Licht an- und ausschalten und die Stereoanlage bedienen.
Mit dem integrierten Telefon stellte er die Verbindung zu seiner Firma her und für den Fall einer Bedrohung gab es einen roten Knopf, der direkt die Polizei alarmierte. In einer Zeit, in der es immer wieder zu Entführungen von Unternehmern kam, unter anderem durch die Rote Armee Fraktion (RAF), war das Haus bestens gesichert und mit Überwachungskameras bestückt. Ein Monitor in der Küche bot selbst von dort einen Überblick.
Das erste Modell einer Mikrowelle von Bosch
Die Küche, wie das Esszimmer auf Eingangsniveau gelegen, ist wieder im Originalzustand zu bewundern. Olivgrüne Bodenfliesen, orangerote Wandkacheln und die hölzernen Einbauschränke spiegeln den Geschmack der damaligen Zeit. Als beim Bau der Bundesstraße 31-neu deren Trasse verdichtet wurde, fielen manche dieser Kacheln von den Wänden. Zum Glück ließen sie sich ersetzen. Ein Müllschlucker mit Häckselwerk – geschredderte Finger sind keine dokumentiert – leitete die Abfälle direkt nach draußen in die Tonne. Der letzte Schrei war eine Mikrowelle. Sie ist das erste Modell, das Bosch jemals gebaut hatte und das die Firma gern für ihr Museum hätte.
Beide Schlafzimmer mit beweglicher Trennwand verbunden
Das kleinere, im Osten angrenzende Trapez beherbergt zwei Schlafzimmer – eines für Elisabeth, mit Heizung, und eines für Josef, mit Klimaanlage und herausklappbarem Zeichenbrett für nächtliche Eingebungen –, durch eine bewegliche Trennwand miteinander verbunden. Wer von den beiden dafür die Fernbedienung hatte, ist nicht bekannt. Heute befinden sich hier und im angrenzenden Büro von Josef Wagner der Konferenzraum und das Büro der Stiftung.

Das Ankleidezimmer nimmt den meisten Platz in Anspruch
Wie vom Hausherrn gefordert, nimmt in diesem Trakt das Ankleidezimmer mit seinen Einbauschränken den meisten Platz in Anspruch. Von diesem gelangte das Ehepaar ins Badezimmer mit zwei beheizten Badewannen und zwei Waschbecken in dezentem Türkis. Eine Duschkabine mit Düsen von überall und eine Sauna mit Tauchbecken garantierten optimalen Badespaß.
Ein ganz kleines Trapez in der südöstlichsten Ecke des Hauses, durch eine Tür mit Elisabeths Schlafzimmer verbunden, beherbergte ihr Nähatelier. Zwar war ihre Nähmaschine nicht mehr auffindbar, die Schubladen sind jedoch bis heute mit unterschiedlichem Material gefüllt. Angeblich arbeitete sie hier an den Anzügen ihres Ehemanns, dem mit einem damals unüblichen Gardemaß von mehr als 1,90 Metern nichts recht passen wollte.
Eine Treppe führt ins Untergeschoss, wo die Zimmer der Hausangestellten lagen. Ein 1972 gebauter Pool ist aufgeschüttet, könnte aber jederzeit zurückgebaut werden. Heute können nur drei Nixen eines Wandmosaiks von Berthold Müller-Oerlinghausen im Wasser plantschen. Von hier geht es ebenerdig hinaus in den Garten mit einem Außenpool, dessen Umriss in etwa dem Grundriss der Villa entspricht.