Frau Spitznagel, Sie sind in Berlin geboren, leben erst seit dreieinhalb Jahren in Klettgau-Bühl und übernehmen direkt die Leitung der Jungen Landfrauen im Bezirk Waldshut – wie kam es dazu?
Als Stadtmensch war ich gewohnt, auf die Straße zu gehen und einfach so etwas zu erleben. Hier auf dem Land habe ich schnell gelernt, dass man zwei Optionen hat: Entweder man langweilt sich oder man wird kreativ.
In Bühl haben wir ein sehr aktives Vereinsleben – und das ist etwas ganz tolles am Dorfleben. Das aktiv mitzugestalten ist schön, schafft Freundschaften, macht richtig Spaß und das Landleben spannend und bunt!
Seit wann sind Sie Mitglied bei den Landfrauen Bühl?
Ich kam über das wöchentliche Gymnastik-Angebot direkt bei uns im Dorf dazu. Schon beim ersten Besuch fiel mir der Flyer zum ersten Beschnupper-Zukunftstreff einer neu zu gründenden Jungen Landfrauen-Untergruppe in die Hände.
Beim ersten Treffen im September 2021 habe ich sofort gesagt, dass ich mir die Gruppenleitung vorstellen kann, weil ich mich gern einbringen wollte.
Für was genau stehen die Landfrauenvereine eigentlich generell?
Viele haben noch das Klischee der kuchenbackenden Mutti im Kopf. Die haben wir natürlich auch in den Ortsvereinen und wir schätzen uns gegenseitig und den Austausch zwischen den Generationen sehr.
Wir Landfrauen sind so bunt und vielseitig wie unsere Gesellschaft! Wir sind Landwirtinnen, Fotografinnen, Erzieherinnen, Pflegerinnen, Frauen in Care-Arbeit, Kosmetikerinnen – aber eins haben wir alle gemeinsam: Wir möchten uns vernetzen und unser Landleben aktiv mitgestalten.
Und nicht nur das Landleben?
Genau, deutschlandweit haben die Landfrauenverbände über 400.000 Mitglieder – und können dadurch Einfluss auf den politischen Diskurs nehmen. Und Erfolge der Vergangenheit zeigen, dass Landfrauen auch wirklich etwas bewegen können, wenn sie ihre Anliegen in die Öffentlichkeit hinaus tragen:
Zum Beispiel war der Deutsche Landfrauenverband durch Forderungen und Gespräche mit Politikern maßgeblich an der Einführung der Mütterrente beteiligt, also einer Anerkennung von Erziehungsleistungen in der Rente. Landfrauen stehen für weibliche Anliegen ein, die leider in unserer Gesellschaft oft immer noch zu kurz kommen.
Von welchen Aktivitäten sind die lokalen Landfrauenvereine im Bezirk geprägt?
Das ist vielfältig und reicht von Sportangeboten über die Veranstaltung von Kuchennachmittagen, Kinoabenden, Märkten, Hilfsaktionen für Geflüchtete bis hin zum klassischen Kuchenbacken für Dorffeste.
Aber leider liegt der Altersdurchschnitt im Bezirk Waldshut aktuell zwischen 65 und 68 Jahren. Weil die Mitglieder das Angebot natürlich selbst bestimmen, richten sich Treffen und Tagesausflüge eher nach den Interessen der älteren Generation.
Die Landfrauen haben also ein Nachwuchs-Problem?
Den Landfrauenvereinen geht es nicht anders als vielen anderen Vereinen: Starre Klischees und Vereinsstrukturen schrecken junge Landfrauen oft ab, zudem verlagern jüngere Frauen ihre Netzwerkaktivitäten oft ins Internet.
Mit den Jungen Landfrauen möchten wir Angebote schaffen, die auch für jüngere Frauen interessant sind – und dadurch den Landfrauenverband weiterentwickeln und zukunftsfest machen. Außerdem möchten wir die Lebens- und Bleibeperspektiven von jungen Frauen im ländlichen Raum stärken.
Frauen sind heute so oft doppelbelastet, performen im Job, sind Mütter, kümmern sich zudem noch viel zu oft alleine um Haushalt oder Pflege von Angehörigen. Wer sich engagiert und vernetzt, kann die Gegebenheiten aktiv mitgestalten und bekommt eine Stimme, Gehör und ein unterstützendes Netzwerk!
Wer sind die Jungen Landfrauen im Bezirk Waldshut?
Die Jungen Landfrauen sind eine Initiative des Deutschen Landfrauenverbandes. Im Bezirk Waldshut sind wir seit Ende 2021 aktiv. Aktuell sind wir 24 Frauen. Wir sind keine Konkurrenz-Gruppe, wollen uns nicht abgrenzen, sondern ergänzen das Angebot als Untergruppe.
Jede junge Landfrau ist auch Mitglied in ihrem eigenen Ortsverein – das soll den intergenerationellen Austausch und auch gemeinsame Aktivitäten fördern. Als junge Landfrau zählt man laut Bundesverband etwa bis zum 40. Lebensjahr. Wir möchten da aber nicht so streng sein: Jede Landfrau und auch Landmänner, die Lust haben, können an unseren Aktivitäten teilnehmen und sich mit uns vernetzen und engagieren.
Welche Aktivitäten unternimmt die junge Gruppierung?
Wir hatten zum Beispiel schon einen Make-up-Kurs, haben eine actionreiche Escape-Wanderung unternommen und haben uns am Muddy Angels Run, einen Schlammlauf für Frauen, in Zürich fünf Kilometer durch Schlamm, Schaum, Wasser und über Hindernisse gekämpft. Aber manchmal gehen wir auch einfach ganz gemütlich Pizza essen.
Zur Adventszeit haben wir letztes Jahr eine Adventskalender-Aktion gemacht: Wir haben füreinander Kalender gepackt und dann getauscht. So hatte man jeden Tag im Advent etwas Besonderes wie selbstgemachte Plätzchen, Brotaufstriche oder Gewürzmischungen – das war richtig toll. In diesem Jahr planen wir eine Lama-Wanderung, versuchen einen Pole-Dance-Kurs zu organisieren – die Liste der Ideen ist lang und wird immer länger!