Wiesental Es dürfte beim Begriff Betonschwellen so einigen Bahn-Kennern sofort durch den Kopf geschossen sein, das Zugunglück von Garmisch-Partenkirchen im Juni 2022. Damals war eine Regionalbahn nahe der oberbayrischen Stadt in einer Kurve aus den Schienen gesprungen und entgleist. Bei dem Unglück starben fünf Menschen, es gab 16 Schwer- und 62 Leichtverletzte. Wie sich später herausstellte, waren Schäden an den dort verbauten Spannbetonschwellen die Ursache für die Tragödie.
Wie immer nach solchen Unglücken wird nach der Ursachenforschung das Regelwerk überprüft und bei Bedarf nachgeschärft. So auch im Fall Garmisch-Partenkirchen – und das ist nun der genaue Grund für die Sperrung der Wiesentalbahn im oberen Abschnitt zwischen Schopfheim und Zell. Zwar überprüft die Deutsche Bahn – Eignerin der Wiesentalbahn – ihre Gleiskörper bundesweit schon seit jeher regelmäßig. Allerdings wurden die Vorschriften nach dem Unglück in Oberbayern drastisch verschärft.
Erkenntnisse aus den Inspektionen und Untersuchungen hat die Bahn zum Anlass genommen, „um die bereits hohen Standards der bestehenden Inspektions- und Instandhaltungsprozesse auszuweiten“, heißt es in einer Antwort der Bahn-Pressestelle auf eine Anfrage. Seit Sommer 2022 läuft bei der DB ein vorsorgliches Programm zu Inspektion und Austausch von Betonschwellen. „Zusätzliche materialtechnische Untersuchungen zeigten teilweise Unregelmäßigkeiten in der Materialbeschaffenheit der Schwellen“, so die Bahn. Eine bestimmte Gesteinsart, die zur Produktion der in Oberbayern am Unglücksort verbauten Betonschwellen genutzt wurde, „konnte danach mitursächlich für die Schäden sein. Demnach gelten nun strengere Kriterien zur Klassifizierung schadhafter Schwellen, für deren Herstellung die gleiche Gesteinsart verwendet wurde.“
Und nun hat sich bei der Begutachtung des Abschnitts Fahrnau-Zell herausgestellt, dass auch die dort verbauten Schwellen dasselbe Muster zeigten. Diese Bauart ist konkret auf rund fünf Kilometern zwischen dem Bahnhof Fahrnau und dem Zeller Sportplatz verlegt. „Die im Wiesental inspizierten Schwellen haben teilweise Schädigungen im Beton aufgewiesen“, so die DB-Pressestelle. Die Bauarbeiten am betroffenen Abschnitt laufen bereits. Am Freitag haben Bauarbeiter am Bahnhof Hausen-Raitbach bereits neue Betonschwellen von einem Tieflader abgeladen, die nun auf ihren Einbau warten. Die Bauarbeiten sollen laut DB „schnellstmöglich“ vonstattengehen. Ursprünglich war die Sperrung bis 16. März angegeben worden, inzwischen wurde der Zeitraum bis Monatsende verlängert.
Sowohl Deutsche Bahn als auch die deutsche Vertretung der Schweizerischen Bundesbahn, die SBB Deutschland GmbH, als Betreiberin des S-Bahnverkehrs betonen, dass die derzeitige Streckensperrung alleine Sicherheitsgründe habe und der Schienenersatzverkehr keineswegs auch dazu diene, Alternativen für eine mögliche endgültige Stilllegung des hintersten Strecken-Asts der Wiesentalbahn zu prüfen. Entsprechende Sorgen hatte der Fahrgastverband Pro Schiene Wiesental geäußert. „Das können wir ganz klar dementieren“, erklärt nun die Pressestelle der Deutschen Bahn. Das Unternehmen investiere in den Abschnitt in den kommenden Jahren, beispielsweise werde der Abschnitt während der Sommerferien 2026 für Erneuerungen gesperrt. Auch das Verkehrsministerium und die Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg bekennen sich klar zum oberen Abschnitt der Wiesentalbahn und sind hier im Hintergrund spürbar aktiv. Und auch die SBB wiegelt ab: „Dass die Streckensperrung ein Probelauf für eine Streckenstilllegung sein könnte, können wir aus Sicht der SBB Deutschland klar dementieren“, so SBB-Sprecher Daniel König. Die Entwicklung der Kundenzahlen sei positiv.