Johannes Schanz

Kaum verebbte der obligatorische höfliche Willkommensapplaus im Festsaal des Bonndorfer Schlosses, griff Bernd Glemser schon in die Tasten des mächtigen Bösendorfer Flügels. Er eröffnete mit einem beherzten Mordent (schneller Wechsel der Hauptnote mit ihrer unteren Nebennote) seinen Klavierabend mit Joseph Haydns Sonate in h-Moll (Hob. XVI:32).

Unbekannte Werke und ein leidenschaftlicher Beethoven

Quirlige Spielfreude und ein großer Gestaltungsreichtum adelten diese eher unbekannte Sonate als Ouvertüre zu der wohl gewichtigsten Sonate der gesamten Klavierliteratur: der Sonate Nr. 32 in c-Moll op. 111 von Ludwig van Beethoven. Atemlos preschte Bernd Glemser durch das „Allegro con brio ed appassionato“ nachdem er im wuchtigen Eröffnungs-Maestoso dieser bahnbrechenden Sonate dramatischste Akzente setzte. Klar herausgearbeitete Motivblöcke von starker Intensität huldigten Beethovens eruptiver Leidenschaft, die trotz aller Verklärtheit dieser seiner letzten Sonate ein ganzes Komponistenleben bildhaft illustrierte.

Schlicht und schön

Dann zelebrierte Bernd Glemser die sagenhafte, mit Worten nicht zu beschreibende Arietta, „Adagio molto semplice e cantabile“, die schon Thomas Mann in seinem Roman „Doktor Faustus“ literarisch verklärte. Sangliche Schlichtheit, an Schönheit kaum zu überbieten, eine Offenbarung für alle, die auch mit geschlossenen Augen zu sehen imstande sind.

Musikalische Farbtupfer

Nach der Pause lud Bernd Glemser die Zuhörer ein, gemeinsam mit ihm die geschmeidig gesetzten, von berauschender Klangfülle geprägten Préludes aus op. 32 und 23 von Sergei Rachmaninoff zu durchjagen. Seine vorbildliche Gestaltung der rachmaninoff’schen Vortragsbezeichnungen – ein lehrbuchmäßiges leicht nachvollziehbares „Allegro appassionato“ erklang eingebettet zwischen zwei wunderbaren „Moderato“ – erleichterte das Erkennen der dicht aufeinanderfolgenden Préludes mit 37 Vorzeichen (27b und 10#) in 13 musikalischen Farbtupfern von berauschender Klangfülle.

Würdiges Schlussstück

Eruptiv und voller Leidenschaft erklang das „Lento“ in h-Moll (op. 32,10), indifferent geheimnisvoll das „Presto“ in es-Moll (op. 23,9) , ein elegisch nachdenkliches „Largo“ (op. 23,10), ein rasendes „Perpetuum Mobile“ (op. 23,7), gefolgt von einem „Andante cantabile“ (op.23,4) von schubert’scher Lyrik und als Höhepunkt dieses weitgehend unbekannten Präludienzyklusses das jubelnde „Maestoso“, ein revolutionsetüdenhaftes würdiges Schlussstück von eruptiver Gestaltungskraft.

Stimmungsvolle Bearbeitung

Drei Zugaben rundeten dieses Konzerterlebnis ab. Vor allem das Choralvorspiel zu „Ich ruf’ zu dir Herr Jesus Christ“ aus dem Orgelbüchlein von Johann Sebastian Bach in einer klaviergerechten stimmungsvollen Bearbeitung von Ferruccio Busoni bekundete noch einmal die enorme Gestaltungskraft dieses unkonventionellen Pianisten.